Frage an Ralf Jäger bezüglich Recht

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Frage an Ralf Jäger von Claus P. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Jäger,

am 01.03.2011 veröffentlichte das NRW Innenministerium eine Pressemitteilung ( http://www.im.nrw.de/pm/010311_1920.html ) der Zentralen Internetrecherche im Landeskriminalamt. Die genannten Zahlen ergeben eine Aufklärungsquote im Bereich der Kinderpornografie von 80% (139 nicht aufgeklärte Fälle von 717). Leider fehlen hier die Zahlen der Jahre 2007 und 2008 um den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung wirklich beurteilen zu können. Vielleicht könnten Sie diese Zahlen ja noch nachliefern?

Ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik des Landes NRW ( http://www.polizei-nrw.de/lka/Zahlen_und_Fakten/kriminalstatistik/ ) zeigt aber, dass in den beiden Jahren mit Vorratsdatenspeicherung (nämlich 2008 und 2009) die Aufklärungsquote aller Straftaten mit dem "Tatmittel" Internet bei 76,9%(5) bzw. 77,3%(6) lag. In den Jahren davor, ohne Vorratsdatenspeicherung, waren es jeweils deutlich über 80% (1 - 4). Für 2010 liegen leider noch keine Zahlen vor. Wie wollen Sie mit diesen Zahlen die
Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung rechtfertigen?

Mit freundlichen Grüßen,
Claus Palm

Quellen:
(1) http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/4c/00/00/pks_2004.pdf , Seite 69
(2) http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/54/00/00/PKS-Bericht%202005.pdf , Seite 65
(3) http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/cf/00/00/pks-jahresbericht-2006.pdf , Seite 69
(4) http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/08/01/00/kriminalitaetsentwicklung_pks_nrw_2007.pdf , Seite 58
(5) http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/45/01/00/pks-nrw-jahresbericht-2008.pdf , Seite 69
(6) http://www.polizei-nrw.de/lka/stepone/data/downloads/6a/01/00/pks-jahresbericht2009.pdf , Seite 69

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Fragestellung 1:

Am 01.03.2011 veröffentlichte das NRW Innenministerium eine Pressemitteilung ( http://www.im.nrw.de/pm/010311_1920.html ) der Zentralen Internetrecherche im Landeskriminalamt. Die genannten Zahlen ergeben eine Aufklärungsquote im Bereich der Kinderpornografie von 80% (139 nicht aufgeklärte Fälle von 717). Leider fehlen hier die Zahlen der Jahre 2007 und 2008 um den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung wirklich beurteilen zu können. Vielleicht könnten Sie diese Zahlen ja noch nachliefern?

Zum 01.01.2008 trat das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG in Kraft. Den Telekommunikationsanbietern wurde durch den Gesetzgeber zur technischen Realisierung der Mindestspeicherfristen von Telekommunikationsverkehrsdaten jedoch eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2008 eingeräumt. Diese Frist nahmen die meisten Telekommunikationsanbieter in Anspruch, so dass die vorliegenden Daten innerhalb diese Zeitraums keine zuverlässige Bewertung der Praxis der Provider im Hinblick auf die Mindestspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten im Jahr 2008 ermöglichen.

Im Übrigen erwirkten selbst nach Ablauf dieser Übergangsfrist noch eine Vielzahl von Telekommunikationsanbietern verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, um noch weiteren Aufschub zur Umsetzung der vorbezeichneten gesetzlichen Regelungen zu erlangen.

Die mit der vorliegenden Anfrage vorgenommene Berechnung der Aufklärungsquote (AQ) ist nicht zutreffend, da sich die genannten 139 nicht aufgeklärten Fälle des Besitzes, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornografie nur auf ein einziges diesbezüglich genutztes Netzwerk im Internet bezogen. Zu den genannten 139 Fällen treten weitere 130 gleichgelagerte Fälle hinzu, die in weiteren Netzwerken durch die Zentrale Internetrecherche des Landeskriminalamts NRW (ZIR) festgestellt wurden und die mangels entsprechend gespeicherter Verbindungsdaten nicht aufgeklärt werden konnten.

Für die 2007 eingerichtete ZIR stellt sich die AQ im Phänomenbereich des Besitzes, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornografie damit wie folgt dar:
- 2008: Zu 97 von 177 Verfahren (44,8 %) konnten keine Tatverdächtigen ermittelt werden. Die AQ der ZIR betrug demnach 55,2 %. Zu den ungeklärten Verfahren gaben die Provider bei Anfragen gemäß § 113 TKG an, keine Daten gespeichert zu haben.
- 2009: 450 Fälle, wovon 110 (24,5 %) nicht aufgeklärt werden konnten (Angaben der Provider wie vor). Insofern ergab sich unabhängig vom jeweils überwachten Netzwerk eine AQ von 75,5 %. Dies war, trotz der vorangehend dargestellten verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die höchste AQ, die die ZIR bei der Bekämpfung der Kinderpornografie erreichen konnte.
- 2010: Die ZIR hat 717 Fälle festgestellt. 269 (37,5 %) davon konnten mangels verfügbarer Verbindungsdaten ab 02.03.2010 (lt. Providerangabe) nicht aufgeklärt werden. Die AQ sank daher auf 62,5 %.

Dabei ist ergänzend anzumerken, dass die ZIR in der Lage ist, vielfach schon während einer noch aktiven Internetsitzung die mit einer IP verbundenen Nutzerdaten beim jeweiligen Telekommunikationsanbieter anzufragen. Die Erfolgsaussicht der Beantwortung einer solchen Anfrage ist im Vergleich zu einer retrograd gestellten ungleich höher.

Fragestellung 2:

Ein Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik des Landes NRW ( http://www.polizei-nrw.de/lka/Zahlen_und_Fakten/kriminalstatistik/ ) zeigt aber, dass in den beiden Jahren mit Vorratsdatenspeicherung (nämlich 2008 und 2009) die Aufklärungsquote aller Straftaten mit dem "Tatmittel" Internet bei 76,9% bzw. 77,3% lag. In den Jahren davor, ohne Vorratsdatenspeicherung, waren es jeweils deutlich über 80%. Für 2010 liegen leider noch keine Zahlen vor. Wie wollen Sie mit diesen Zahlen die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung rechtfertigen?

Zum 01.01.2004 wurde in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) die Sonderkennung "Tatmittel Internet" eingeführt. Grundsätzlich werden hiermit alle Delikte erfasst, zu deren Tatbestandsverwirklichung das Internet als Tatmittel verwendet wird (in der Regel so genannte Veräußerungs- bzw. Verbreitungsdelikte). Soweit das Internet im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung lediglich eine untergeordnete Rolle einnimmt, wird die Sonderkennung nicht angewandt.

Der Großteil der mit dieser Kennung erfassten Delikte war Betrugskriminalität (2009: 87,4 %; 2010: 80,7 %). Diese Delikte haben durchweg hohe Aufklärungsquoten, da die Tatverdächtigen bei Anzeigenerstattung zumeist bekannt sind. Ein Rückgriff auf Verkehrsdaten bei Telekommunikationsanbietern ist zur Aufklärung dieser Delikte dann nicht mehr erforderlich.

Die in der PKS erfassten Delikte mit Sonderkennung "Tatmittel Internet" lassen insoweit keine validen Rückschlüsse auf die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 zur anlasslosen Speicherung von Verkehrsdaten festgelegten Ermittlungsbeschränkungen. Dennoch sank die AQ dieser Delikte im Jahr 2010 deutlich auf nunmehr 64,4 %.

Dabei sind die mit Sonderkennung "Tatmittel Internet" erfassten Delikte nur ein Teil der Straftaten, für deren Aufklärung Verkehrsdaten erforderlich sind. Insbesondere zur Verfolgung von Straftaten der Verbreitung, des Erwerbs und des Besitzes kinder- und jugendpornographischer Schriften sowie jener der Schwerkriminalität stellen Verbindungsdaten häufig den einzigen Ermittlungsansatz dar.

Der mit der Anfrage dargestellte Rückschluss von der AQ der mit Sonderkennung "Tatmittel Internet" erfassten Delikte zu Fragen der Notwendigkeit einer Mindestspeicherung von Telekommunikations-verkehrsdaten beim jeweiligen Anbieter führt insoweit zu unrichtigen Ergebnisse.

Eine direkte Wechselwirkung zwischen der Entwicklung der AQ und den nach BVerfGE entstandenen Ermittlungsbeschränkungen lässt sich

- ungeachtet der im jeweiligen Einzelfall auftretenden Erfordernisse -allgemein allenfalls für einzelne Straftatengruppen feststellen, deren Aufklärung aufgrund der Tatbegehung in hohem Maße von verfügbaren Verkehrsdaten abhängig ist. Bei den nachfolgenden Deliktsbereichen waren 2009 deutliche Zunahmen der AQ festzustellen, wohingegen diese im Jahr 2010 fast bzw. unter die Werte des Jahres 2008 zurückfielen:

Schl.-Zahl Straftaten

(-gruppen) Fälle AQ

2007 2008 2009 2010 2007 2008 2009 2010

543000 Fälschung beweiserheblicher Daten, Täuschung

im Rechtsverkehr bei Datenverarbeitung 1 073 1 312 1 256 1 442 34,2 44,7 50,2 44,0

674200 Datenveränderung, Computersabotage 977 628 656 783 14,2 23,6 32,2 25,2

Im Übrigen sind die statistischen Erfassungen der ZIR des LKA tatsächlich nicht kompatibel mit PKS-Daten. Die ZIR recherchiert auch Fälle mit Tatort außerhalb von NRW. Dabei werden Fälle mit landesfremden Tatorten an die zuständigen Länder abgegeben und für diese dort in der PKS erfasst, so dass diese Taten von der PKS NRW nicht ausgewiesen werden.

Christiane Kramer

Landtagsbüro: Ralf Jäger