Frage an Renate Künast bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Renate Künast
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Nadine S. •

Frage an Renate Künast von Nadine S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Der Bundestag hat am 23. April 1996 und 14. März 2003 eine Resolution zu Tibet verabschiedet. Die erste enthielt konkrete Forderungen an die VR China bezüglich der Verbesserung der Menschenrechte und der Gewährung kultureller Autonomie.
Ist Ihre Fraktion bereit - auch in der Regierungsverantwortung - die Forderungen der ersten Resolution gegenüber der chinesischen Führung aufzugreifen, da bislang keine davon erfüllt worden ist?

2. Deutschland gehört zu denen wenigen Staaten der westlichen Welt, in denen der Dalai Lama noch nie von einem amtierenden Regierungschef empfangen worden ist.

Wird Ihre Fraktion im Falle einer Regierungsverantwortung darauf drängen, dass dies Versäumnis endlich nachgeholt wird und der Dalai Lama nach der nächsten Wahl vom Regierungschef empfangen wird?

3. Die Interessen Tibets im deutschen Bundestag wurden während der letzten Legislaturperioden vom Tibet Gesprächskreis vertreten.

a] Wird sich Ihre Fraktion in der nächsten Legislaturperiode für die Einrichtung eines neuen Arbeitskreises Tibet stark machen?

b] Sehen Sie darüber hinaus Möglichkeiten, den Status und die Funktion eines solchen Arbeitskreises dadurch zu stärken, dass er zum Beispiel als Unterausschuss einem bestehenden Bundestagsausschuss angegliedert wird?

4. Die Verknüpfung von Menschen- und Völkerrechten mit Wirtschaftsbeziehungen wurde bislang als unerfüllbar abgelehnt.

Halten Sie an diesem Grundsatz fest, oder können sie sich unter bestimmten Umständen - etwa bei besonders gravierenden Fällen von Menschenrechtsverletzungen - vorstellen, von dem Grundsatz abzuweichen?

5. Bundeskanzler Schröder hat sich mit Nachdruck für eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen die VR China eingesetzt.

Welche Position vertritt Ihre Fraktion in der Frage? Sind Sie bereit, sich für den Fortbestand des Waffenembargos zu engagieren?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Sabel,
gern sende ich Ihnen die Antwort der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen zu Ihren Fragen.

1.
a. Die Forderungen zu Tibet und insgesamt zum Thema Menschenrechte sind Teil einer grundsätzlichen Erwartung an die Entwicklung in der Volksrepublik China. Diese Erwartung betrifft die Demokratisierung des gesamten gesellschaftlichen Lebens, darunter den Aufbau eines Rechtsstaates und die Gewährleistung von Minderheitenrechten. In diesem Zusammenhang kann und muss sich die Situation in Tibet und der tibetischen Bevölkerung verbessern. Unter den gegenwärtigen Bedingungen in China kann diese Entwicklung allenfalls sehr langsam fortschreiten. Unsere Fraktion bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine Beschleunigung dieser Entwicklung und wird dies auch weiter tun.

b. Unmittelbare Reaktionen des Chinesischen Volkskongresses auf die Resolution Dr.-sache 14/8782 sind uns nicht bekannt. Allerdings war die Adressierung an diesen eher stellvertretend für die Entscheidungsträger in der KP Chinas gemeint. Unserer Fraktion und dem gesamten Bundestag ist bewußt, daß es sich beim Chinesischen Volkskongreß nicht um ein demokratisches Parlament nach unserem Verständnis handelt, dessen Entscheidungsbefugnisse denen des Bundestages entsprechen würden.

2.
Unsere Fraktion würde und wird einen Empfang des Dalai Lama durch den Bundeskanzler befürworten, wenn der Dalai Lama das wünscht. Wir gehen davon aus, daß der Dalai Lama sich nicht als Repräsentant eines souveränen Staates Tibet versteht und einen Empfang durch den Bundeskanzler als Würdigung seiner beispielhaften Rolle als Vertreter eines gewaltlosen Einsatzes für die Menschenrechte interpretieren würde.

3.
Unsere Fraktion befürwortet die Einrichtung eines Arbeitskreises zu Tibet auch in der nächsten Legislaturperiode. Unterausschüsse zu einzelnen Ländern und Gebieten sind im Bundestag nicht üblich. Deshalb wäre diese Forderung ein unangemessener Präzedenzfall. Der Status eines Arbeitskreises zu Tibet könnte sich nur auf die Einrichtungen der Parlamentariergruppen und Freundeskreise beziehen.

4.
Unsere Fraktion vertritt seit langem eine Politik der Verknüpfung von Menschenrechten und Wirtschaftsbeziehungen. Wir teilen nicht die Vorstellung, es handle sich dabei um einen - womöglich zwangsläufigen - Widerspruch. Auch in der Bundesregierung gibt es seit Jahren Bemühungen um eine solche Verknüpfung. Dabei spielt die Bereitschaft von international agierenden Unternehmen eine wichtige Rolle. Beispiele dafür sind die freiwilligen "codes of conduct", die sowohl national als auch international inzwischen bereits bestehen. Zu nennen sind auch Initiativen aus dem Bundestag zur Bekämpfung von Kinder- und Zwangsarbeit.

5.
Die Haltung unserer Fraktion zum Fall der Entführung des Panchen Lama ist unverändert: wir fordern nach wie vor seine Freilassung und Anerkennung. Sowohl Religionsfreiheit als auch Freizügigkeit und Bewegungsfreiheit gehören zu den Menschenrechten, die in der Volksrepublik China verletzt werden.

Das Instrument der Wirtschaftssanktionen kann bilateral kaum sinnvoll angewendet werden. Es sollte zudem, abgesehen von der Schwierigkeit seiner praktischen Durchsetzung, auch in gravierenden Fällen akuter, systematischer und massenhafter Menschenrechtsverletzungen mit Augenmaß und Aussicht auf Erfolg angestrebt werden. Dies ist naturgemäß bei einem international so wichtigen Wirtschaftsparnter wie China besonders schwierig.

6.
Unsere Fraktion hat sich mehrfach und öffentlich für eine Aufrechterhaltung des Waffenembargos ausgesprochen, solange es keine substantielle Verbesserung der Menschenrechte, darunter der Lage der Minderheiten, in der Volksrepublik China gibt. Hinzugekommen ist zudem die gespannte Sicherheitslage infolge der wiederholten Drohungen der Volksrepublik mit militärischer Intervention in Taiwan. Bereits im Oktober 2004 beschloß der Bundestag einen von der Regierungskoalition eingebrachten entsprechenden Antrag (15/4035). Ein zweiter bereits von den Koalitionsfraktionen verabschiedeter und eingebrachter entsprechender Antrag im Bundestag (15/5467) wurde 2005 in der verkürzten Legislaturperiode nicht mehr in den zuständigen Ausschüssen beraten und im Plenum beschlossen.

Mit freundlichen Grüßen,
Katrin Langenbein

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