Wie stehen Sie zum Wechselmodell (hälftige Betreuung nach Trennung und Scheidung) als Regelfall?

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Renate Künast
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas W. •

Wie stehen Sie zum Wechselmodell (hälftige Betreuung nach Trennung und Scheidung) als Regelfall?

Sehr geehrte Frau Künast,

ich würde gern grün wählen. Doch für die Zukunft unserer Kinder zählt nicht nur Klimaschutz, sondern auch der Schutz vor schweren seelischen Belastungen, darunter der unbehinderte Kontakt zu beiden Eltern nach deren Trennung. Der Elternkontakt wird nach Erkenntnis fast aller europäischen Staaten, sogar der konservativen Schweiz, am besten durch das "Wechselmodell" als gesetzlichen Regelfall gewährleistet, wenn Eltern im Streit um die Kinder vor Gericht ziehen. Nur in deutschen Familiengerichten ist das Residenzmodell (die hauptsächliche Betreuung meist durch die Mutter) noch mit über 80% die bevorzugte "Lösung". So verlieren Trennungskinder den unbehinderten Alltags-Kontakt zum anderen Elternteil, meist dem Vater. Nicht selten folgt der komplette Kontaktabbruch mit schwerwiegenden, lebenslangen psychischen Belastungen. Die FDP setzt sich für das Wechselmodell als gesetzlichen Regelfall ein. Können Sie sich dem anschließen, oder muss ich FDP wählen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Guten Tag,

 

Vielen Dank für Ihre Anfrage.

 

Familien sind vielfältig und diese Vielfalt muss ein modernes Familienrecht auch abbilden.

Die Forschung zeigt, dass eine stärkere Beteiligung der Väter in der Erziehung sich positiv auf die Entwicklung und Zufriedenheit von Kindern auswirkt. Deshalb muss das Engagement von Vätern bei Erziehung von Kindern sowohl gesellschaftlich als auch rechtlich mehr geschätzt werden. Neben den psychologischen und emotionalen Aspekten spricht auch dafür, dass Kinder unabhängig von einer Trennung, von einer partnerschaftlichen Aufteilung der Arbeits- und Familienarbeit der Eltern profitieren. Eine Trennung oder Scheidung ist weder für Eltern noch Kinder  leicht.

Wir als Grüne möchten, dass in solchem Falle beide Eltern weiterhin gemeinsam Verantwortung für ihr Kind übernehmen. Um sich einvernehmlich und ohne Hilfe des Familiengerichts auf ein dem Kindeswohl entsprechendes Modell zu einigen, braucht es eine gute Kommunikation zwischen den Eltern. Da dies gerade im Trennungsfall oft schwierig ist, müssen qualifizierte Beratungsangebote zur Verfügung stehen.

Die Frage, wie sich die Eltern diese Verantwortung im Alltag aufteilen und dabei ihren Kindern gerecht werden, ist komplex und muss individuell beantwortet werden.

Bei hohem Konfliktniveau zwischen den Eltern ist das Wechselmodell, das vom Gesetz nicht ausgeschlossen wird, für Kinder beispielsweise oft sehr belastend. Deshalb braucht es Einzelfallentscheidungen und keine starren Lösungen – so wie es das Recht bereits heute vorsieht.

Wir wollen kein Modell gesetzlich fest vorschreiben, sondern beide Elternteile dabei unterstützen,  trotz der Trennung gemeinsam Verantwortung für das Kind zu übernehmen. Dafür müssen rechtliche Hürden, die dem Wechselmodell im Wege stehen identifiziert und abgebaut werden, etwa im Unterhaltsrecht oder durch einen Umgangsmehrbedarf im Sozialrecht.

 

Mit freundlichen Grüßen

Team Renate Künast

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