Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Sven B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Bätzing,
ich hätte einige Fragen:
- Wieso haben sich eigentlich trotz ausdrücklicher Aufforderung des BVerfG *alle* Bundesländer immer noch nicht auf eine bundesweit einheitliche "geringe Menge" beim Besitz von Cannabis geeinigt?
- Es gibt jährlich mehr als 40.000 Tote aufgrund von Alkoholkonsum. Ist es nicht angesichts dieser erschreckenden Zahl gerechtfertigt, Alkohol in das BtmG aufzunehmen und den legalen Umgang damit zu verbieten? Schließlich stellt der Alkohl somit eine noch viel riesigere Gefahr dar als sämtliche bisher illegalen Drogen zusammen. Wieso wird der Verbraucher nicht ausreichend vor dem Alkohol geschützt?
- Der EU-Kommissar Barrot hat angekündigt, wesentlich radikaler gegen Cannabiskonsumenten am Steuer vorzugehen. Wird dieser "Vier-Jahres-Plans zur Drogenbekämpfung" nun endlich auch einheitliche und verbindliche Grenzwerte (Nanogramm THC im Blut) zur Folge haben oder nur noch mehr Repression und landkreisabhängige Willkür für die Konsumenten?
- Würden Sie jemandem die charakterliche Eignung zum Führen eines KFZs zugestehen, welcher öffentlich verkündet er könne nach 2 Maß Bier und einigen Stunden Wartens noch Autofahren?
- Wie kann es angehen, daß die Verbraucher beim Oktoberfest immer noch nicht ausreichend über die Gesundheitsgefahren von Alkohol aufgeklärt werden? Reichen die zahlreichen massiven Schlägereien und Vergewaltigungen auf und rund um das Oktoberfest noch nicht aus um entsprechend Prävention zu betreiben? Wieso werden auf Open Airs von der Polizei & Konsorten Aufklärungsstände zum Thema Alkohol & Drogen betrieben, auf dem Oktoberfest hingegen nicht?
Sehr geehrter Herr Benhaupt,
dies ist Ihre dritte im Abgeordnetenwatch zum Thema Cannabis an mich gerichtete Frage. Ich nehme an, dass Sie als regelmäßiger Nutzer des Forums auch den Beiträgen anderer Fragesteller Beachtung schenken. Da Sie zudem der Alkoholprävention großes Interesse entgegenbringen, möchte ich Sie auf die Möglichkeit aufmerksam machen, sich auch auf der Website www.drogenbeauftragte.de zu informieren. Soweit ich zu den von Ihnen gestellten Fragen bereits Stellung genommen habe, erlaube ich mir, aus meinen Antworten zu zitieren:
Hinsichtlich des Vorschlags eines gesetzlichen Verbots von Alkohol, analog zum Verbot von Cannabis, habe ich im Abgeordnetenwatch bereits vielfach betont, dass ich einen solchen Vorschlag nicht unterstütze, denn "man sollte mit dem Verweis auf die Gesundheitsrisiken durch Tabak oder Alkohol nicht von den Risiken des Cannabiskonsums ablenken".
Seit 2003 gibt das Statistische Bundesamt jährlich in seinem Verkehrsunfallbericht auch darüber Auskunft, ob die an einem Unfall beteiligten Fahrzeugführer unter dem Einfluss anderer berauschender Mittel als Alkohol standen. Seit 1998 ist das Fahren unter dem Einfluss von Drogen rechtlich als Ordnungswidrigkeit eingestuft worden. Dies gilt auch dann, wenn mangelnde Fahrtüchtigkeit nicht nachgewiesen werden kann. Ein höchstrichterliches Urteil hat bezüglich Cannabis klargestellt, dass nicht mehr jeder Nachweis von THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24 a Abs. 2 StVG ausreichen kann. Festgestellt werden muss vielmehr eine Konzentration, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als eines abstrakten Gefährdungsdelikts als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Bei einem THC-Gehalt von unter 1,0 ng/ml im Blut kann eine akute Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht angenommen werden (Bundesverfassungsgericht 2004). In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit schlagen Grothenhermen & Kollegen (2007) einen konkreten Grenzwert für eine THC-Konzentration im Serum vor (7-10 Ng/ml) vor, den sie als vergleichbar mit den Einschränkungen im Zusammenhang mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille ansehen. Diese Grenzwerte leiten sie aus metaanalytischen Berechnungen, experimentellen Studien und der Berücksichtigung cannabisspezifischer Faktoren im Zusammenhang mit der Berechnung von Grenzwerten ab. Zur Festlegung eines Cannabis-Grenzwertes für die Teilnahme am Straßenverkehr, analog zur Alkohol-Promille-Grenze, habe ich mich im Abgeordnetenwatch wiederholt geäußert: "Die von Ihnen gestellte Frage war bereits vielfach Gegenstand politischer und rechtlicher Erörterung. Mit seiner Entscheidung vom 21.12.2004 hat das Bundesverfassungsgericht die Norm des § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) ausdrücklich für verfassungskonform erklärt. Am 19.07.2006 antwortete die Bundesregierung mit Drucksache 16/2264 auf eine von der Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen gestellte kleine Anfrage ´Bewertung der Fahruntüchtigkeit bei Cannabiskonsum´ und im vergangenen Jahr stellte der Deutsche Bundestag in einem Petitionsverfahren fest, dass ´eine Aufnahme von Grenzwerten für Tetrahydrocannabinol (THC) in den Gesetzeswortlaut des § 24a StVG vom Petitionsausschuss nicht für sinnvoll gehalten [wird], da dies eine negative Signalwirkung entfalten und damit der Verkehrssicherheit schaden könnte und sich letztlich negativ auf das Unfallgeschehen auswirken würde´. Ich teile diese Auffassung."
Zu der von Günther Beckstein im Bayerischen Wahlkampf gemachten Aussage, "zwei Maß seien kein Problem", habe ich zeitnah mit einer Presserklärung Stellung genommen: "Günther Beckstein hat wohl einen über den Durst getrunken. Zwei Liter Bier überschreiten die Trinkmengenempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um das dreifache...."
Ihre Fragen, warum die Länder bisher keine bundesweit einheitliche Festlegung der "geringen Menge" Cannabis i.S.v. § 31a BtMG (Absehen von der Verfolgung) getroffen haben bzw. warum die Polizei auf dem Münchener Oktoberfest, Ihrer Wahrnehmung zufolge, nicht in ausreichendem alkoholpräventiv tätig war, können adäquat nur von den jeweils zuständigen Landesbehörden beantwortet werden.
Ergänzend zur ersten Frage möchte ich darauf hinweisen, dass die Länder, soweit die Tat den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten zum gelegentlichen Eigenverbrauch ohne Fremdgefährdung betrifft, in ihren Richtlinien bzw. Vereinbarungen zur Anwendung des § 31a BtMG überwiegend eine Eigenbedarfsgrenze von sechs Gramm bzw. drei Konsumeinheiten festgesetzt haben und insofern der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen sind, beim unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten zum gelegentlichen Eigenkonsum für eine im wesentlichen einheitliche Einstellungspraxis zu sorgen.
Unter Bezugnahme auf die zweite Frage kann ich Ihnen in meiner Funktion als Drogenbeauftragte der Bundesregierung versichern, dass neben den von den Ländern durchgeführten Präventionsmaßnahmen, sich auch der Bund in zahlreichen Projekten zur Alkoholprävention, wie der Aktionswoche "Alkohol - Verantwortung setzt die Grenze!" oder den Kampagnen "NA TOLL! - Bist du stärker als Alkohol?", "HaLT - Hart am LimiT" oder "Alkohol - Verantwortung setzt die Grenze!" engagiert.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing