Frage an Sahra Wagenknecht bezüglich Wirtschaft

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Sahra Wagenknecht
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Frage von Wolfgang R. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Wolfgang R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

auch wenn Sie darauf hinweisen (
Antwort vom 03.06.2010), dass "eine Finanztransaktionssteuer allein nicht aus(reiche),... um den Finanzmarkt zu regulieren", halten Sie ja offensichtlich auch deren alleinige Einführung für sinnvoll. Rein spekulative Transaktionen werden meiner Information nach inzwischen mehrheitlich vollautomatisch von Computerprogrammen durchgeführt. Gerade diese Transaktionen könnten durch die Einführung der Steuer wohl erheblich gedämpft werden. Die erwarteten finanziellen Einnahmen erscheinen mir gegenüber dem realwirtschaftlichen gesellschaftlichen Nutzen dagegen sogar noch untergeordnet.

Immer wieder wird gebetsmühlenartig die Behauptung aufgestellt, dass die Transaktionssteuer nur weltweit - oder zumindest nur europaweit - eingeführt werden könne. Die Begründung, sonst liefen die Investoren aus Deutschland in andere Länder ab, ist für mich nicht nachvollziehbar oder stellt im Falle der Spekulanten zumindest keinen Nachteil dar.

Nun zu meinen Fragen:
In welcher Konstellation sehen Sie eine Möglichkeit, die Transaktionssteuer erst einmal national einzuführen?
Wenn nicht alle sinnvollen Maßnahmen gegen Finanzmarktmissbrauch auf einmal eingeführt werden können, welche der Maßnahmen halten Sie für besonders wichtig bzw. effektiv?

Freundliche Grüße,
Wolfgang Rosenegger

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BSW

Sehr geehrter Herr Rosenegger,

vielen Dank für Ihre Frage, die ja hochaktuell ist.

Seriösen Berechnungen zufolge könnte eine europaweit geltende Besteuerung von Finanztransaktionen in Höhe von nur 0,1 Prozent rund 270 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen spülen. Die Regierenden in den EU-Staaten müssen angesichts ihrer hohen Staatsdefizite und erdrückenden Schuldenlasten erklären, warum sie einerseits bei den Schwachen und Armen eine rigorose Rotstiftpolitik betreiben, andererseits aber auf Einnahmemöglichkeiten wie die der Finanztransaktionssteuer verzichten. Aber nicht nur die Stärkung der Einnahmeseite wäre vorteilhaft, die Finanztransaktionssteuer könnte darüber hinaus die Profitabilität kurzfristiger, hochspekulativer Finanzgeschäfte mindern und wäre damit ein wichtiger Baustein für die Regulierung der Finanzmärkte. Ihre volle Wirksamkeit entfaltet die Einführung einer Transaktionssteuer natürlich erst auf globaler Ebene. Dennoch erheben einige Staaten bereits vergleichbare Steuern. Und mit der Börsenumsatzsteuer hat es vor nicht allzu langer Zeit eine vom Prinzip her vergleichbare Steuer in einer ganzen Reihe europäischer Staaten gegeben. In einigen Staaten gibt es sie bis heute, so zum Beispiel am größten europäischen Finanzplatz, in London. Nationale Alleingänge sind daher keinesfalls unmöglich, sie würden zudem andere Regierungen unter Zugzwang bringen. Aber genau dies ist offenbar nicht gewollt. Denn die meisten Regierungen hatten nie ein ernsthaftes Interesse daran, dem ganzen Spekulationswahn Einhalt zu gebieten. Ganz im Gegenteil! Den Finanzmarktjongleuren und Banken wurde der rote Teppich ausgerollt. Sie konnten über viele Jahre schalten und walten wie sie wollten. Dies hat nicht zuletzt die verheerende Zockerei gegen Griechenland deutlich gezeigt.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Regierungen der wirtschaftsmächtigsten Staaten aus ihren Fehlern, die zum schweren Wirtschaftscrash geführt haben, auch nur irgendetwas gelernt haben. Die mageren Ergebnisse auf dem jüngsten G8-Treffen in Toronto haben stattdessen wieder einmal mehr gezeigt, dass sie in puncto Finanzmarktregulierung keinen Millimeter vorangekommen sind. Dabei gäbe es neben der Finanztransaktionssteuer weitere Möglichkeiten, die Finanzmärkte zu regulieren. Entscheidend hierbei wäre, zwei wesentliche Gründe für das Entstehen der Wirtschaftskrise anzugehen, nämlich die Konzentration von riesigen Vermögen in den Händen weniger Superreicher und die Deregulierung der Märkte. Statt also weiterhin üppige Steuergeschenke an die Vermögenden zu verteilen, müssten die Konzernvorstände, Banken und Vermögenden endlich zur Kasse gebeten werden. Die Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer und die Einführung einer Millionärssteuer auf Privatvermögen könnten erste richtige Schritte hierfür sein. Dies ist auf nationaler Ebene ohne Weiteres möglich. Des Weiteren bedarf es strikter Regeln im Finanzsektor. Vom Verbot spekulativer Finanzvehikel bis hin zur demokratischen Kontrolle der Bankenwelt reichen die Möglichkeiten der Re-Regulierung der Finanzmärkte, die zumindest partiell auch auf nationaler Ebene realisierbar wären. Richtig ist natürlich, dass auf Dauer internationale Regeln nötig sind. Die schwarz-gelbe Bundesregierung zeigt allerdings auch auf internationalem Parkett keinerlei ernsthafte Bemühungen, das Problem der ungleichen Verteilung von Vermögen und Einkommen zu lösen und dem Treiben der Zockerökonomie ein Ende zu setzen.

Freundliche Grüße
Sahra Wagenknecht

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