Frage an Sahra Wagenknecht bezüglich Wirtschaft

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Sahra Wagenknecht
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Frage von Ralf O. •

Frage an Sahra Wagenknecht von Ralf O. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Wagenknecht,

neuerdings werden Sie im Handelsblatt für ihr Buch "Freiheit statt Kapitalismus" gelobt.Ich habe ihr Buch noch nicht gelesen, zitiere aber mal aus dem Handelsblatt.Demnach sollen Sie für einen Schuldenschnitt eintreten, d.h. Deutschland erklärt alle Staatsschulden für ungültig und die Banken bleiben auf ihren Forderungen sitzen--glauben Sie wirklich, dass so etwas machbar wäre?Würden nicht die internationalen Finanzkreise dann Deutschland im Rating völlig runtersetzen und zumal eine Art Finanzinvestitionsboykott durchführen, d.h Deutschland international isoliert werden? Desweiteren schreiben Sie, dass alle Banken verstaatlicht gehören und nur noch für Kleinunternehmen Kredite zur Verfügung gestellt werden.In welchem Staat auf der Welt gibt es denn eine Verstaatlichung aller grossen Banken? Selbst China hat seine größten 4 Staatsbanken inzwischen privatisiert aufgrund der schlechten Erfahrungen mit der Verstaatlichung, unter der sich immense Staatsschulden und faule Kredite für Staatsunternehmen und nationale champions ergaben. Dann wollen sie auch noch die größten Unternehmen verstaatlichen--nicht nach DDR- sondern nach französischem Vorbild. Bekommt der Staat hier nicht zuviel Wirtschaftsmacht, wenn er alle Banken und die größten Unternehmen verstaatlicht? Zudem: Sie plädieren dafür, kleine Starups zu finanzieren und wenn sie erfolgreich sind und wachsen in Arbeiternehmerhand und öffentliche Teilhabe zu überführen--mal umgekehrt gefragt: Wer gründet schon ein Unternehmen, wenn er weiss, dass er im Erfolgsfalle enteignet wird? Obwohl ich glaube, dass sie ansonsten eine recht nüchterne Person sind, halte ich das gelinde gesagt für eine Schnapsidee.

Mit freundlichen Grüssen

Ralf Ostner

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BSW

Sehr geehrter Herr Ostner,

bei einer Schuldenstreichung würden vor allem Hedge-Fonds und andere Zockervehikel pleitegehen, was für die Volkswirtschaften nur von Vorteil sein würde. Komplizierter ist es bei den Banken. Unkontrollierte Bankenpleiten würden nämlich nicht in erster Linie die Vermögenden sondern vor allem die Kleinsparer treffen. Damit letzteres verhindert werden kann, müssten die Banken verstaatlicht und derart umstrukturiert werden, dass sie wieder ihre ureigenen Funktionen erfüllen, nämlich Kredite an kleine und mittlere Unternehmen zu vergeben und der Realwirtschaft zu helfen statt auf den Finanzmärkten zu spekulieren. Das die Verstaatlichung von Großbanken möglich ist, hat Schweden bereits vor einigen Jahren gezeigt. Der nächste Schritt wäre die Rekapitalisierung der Banken etwa durch eine EU-weite Abgabe, die die Millionenvermögen zur Staatsentschuldung heranzieht.

Ein rein nationaler Weg aus der staatlichen Schuldenkrise ist sicherlich nicht ausreichend, die Entschuldung müsste vielmehr innerhalb der gesamten Europäischen Union koordiniert und umgesetzt werden, und wenn es geht, auch darüber hinaus.

Dass ein Schuldenschnitt prinzipiell möglich ist, hat die Vergangenheit gezeigt - beispielsweise 2002 in Argentinien. Viele Schuldenkrisen endeten mit der zumindest partiellen Streichung der Schulden. Ein Schuldenschnitt ist also nichts außergewöhnlich Neues. Eine echte Schnapsidee wäre vielmehr, untätig zu bleiben und auf den nächsten großen Crash zu warten.

Mit freundlichen Grüßen
Sahra Wagenknecht

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