Frage an Stefan Kaufmann von Heiner H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kaufmann,
im Hinblick auf die öffentliche Anhörung des Petitionsausschusses am 8.11.2010 zur Petition für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens möchte ich Sie im Namen der Grundrechtsschutz-Initiative darauf aufmerksam machen, dass eine bedingungslose Grundsicherung für alle Bürger längst durch das Grundgesetz geboten und damit überfällig ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus den Artikeln 1 und 20 des Grundgesetzes abgeleitet. So heißt es beispielsweise in dem Hartz IV-Regelsatz-Urteil vom 9.2.2010 (unter Rnn 133, 136, 137):
"Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.
Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG wiederum erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern."
"Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums muss durch einen gesetzlichen Anspruch gesichert sein. Dies verlangt bereits unmittelbar der Schutzgehalt des Art. 1 Abs. 1 GG."
"Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt."
Dieser Verpflichtung kommt der Staat nur nach, wenn er das menschenwürdige Existenzminimum jedem Einzelnen bedingungslos sichert. Die derzeitige Regierungspraxis in Bezug auf die Erwerbslosen, die den Anspruch auf staatliche Unterstützung an die Voraussetzung der Unterwerfung unter die Vorstellungen der Arbeitsmarktverwaltung bindet, stellt einen Hohn gegenüber dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums dar.
Ein Menschenrecht, das unter Bedingungen steht, ist kein Menschenrecht. Werden Sie sich für den Schutz der Menschenrechte einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
H.E. Holzapfel
Sehr geehrter Herr Holzapfel,
danke für Ihre Frage. Ich bin davon überzeugt, dass die von der Bundesregierung zum 1. Januar 2011 geplanten Änderungen im Bereich des SGBII (Hartz-IV) grundrechtskonform sind.
Grundsätzlich setze ich mich - wie vermutlich alle meine Kollegen im Deutschen Bundestag - für Menschenrechte ein. In der Verpflichtung von erwerbslosen Leistungsempfängern, sich an bestimmten Maßnahmen von Seiten der zuständigen Behörden bzw. Ämtern (z.B. Argen) zu beteiligen, vermag ich keine Beeinträchtigung eines Menschenrechtes zu erkennen.
An der von Ihnen angesprochenen Sitzung des Petitionsausschusses werde ich leider nicht teilnehmen, da ich nur stellvertretendes Mitglied in diesem Ausschuss bin.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Stefan Kaufmann