Frage an Stefan Kaufmann von Kai J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,
Sie stimmten für die Verschärfung des § 130 StGB (Volksverhetzung).
Bisher wurde jemand mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft, wer „die Menschenwürde anderer dadurch angreift, daß er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“. Die Tat mußte dabei gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe gerichtet sein (die deutsche Bevölkerung selbst war übrigens davon ausgenommen).
Nach der Verschärfung reicht es nun bereits einen EINZELNEN Menschen verächtlich zu machen, zu verleumden oder zu beschimpfen, sofern dieser einer bestimmten „nationalen, rassischen, religiösen oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmten Gruppe“ zuzurechnen ist.
Schon immer konnte man sich gegen eine Beleidigung oder Verleumdung strafrechtlich wehren. Allerdings ist das für eine solche Tat zugedachte Strafmaß deutlich geringer.
1. Weshalb hielten Sie es für notwendig, Taten, die in den Bereich Beleidigung oder Verleumdung fallen, in eine solch schwere Strafkategorie wie Volksverhetzung neu zuzuordnen?
2. Glauben Sie, daß sich verleumdete oder beleidigte Menschen bisher nicht ausreichend strafrechtlich wehren konnten?
3. Falls Sie 2.) bejahen: Warum haben Sie dann nicht eine Verschärfung der dafür zugedachten Straftatsbestände unterstützt sondern statt dessen § 130 StGB verschärft?
Meine Eltern wuchsen in der DDR auf. Politische Meinungen tauschten sie nur im Geheimen aus. Zu groß war die Gefahr, für eine Äußerung verfolgt zu werden.
Genau aus diesem Grund erschreckt mich ihr Abstimmungsverhalten.
Wenn ich mich an Diskussionen im Internet beteilige (Foren, Kommentarbereiche) werde ich dies nur noch so tun (VPN, Proxies), daß es den Behörden unmöglich ist, meine Identität zurückzuverfolgen. Ich möchte nicht riskieren, durch eine unbedachte Äußerung wegen Verstoßes gegen § 130 StGB angeklagt zu werden. Nahezu jede bisher normale Beleidigung läßt sich nun unter § 130 StGB subsumieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Kai Janowitsch
Sehr geehrter Herr Janowitsch,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Bitte entschuldigen Sie, dass meine Antwort bedingt durch den Jahreswechsel einige Zeit gedauert hat.
Ich habe der Verschärfung des §130 StGB zugestimmt, weil ich sie für richtig, wichtig und notwendig erachtet habe.
Bitte wenden Sie sich zukünftig vor der Abstimmung über ein Gesetz an mich. Dann habe ich die Möglichkeit, mich mit Ihren Argumenten inhaltlich auseinanderzusetzen und Ihre Argumente bei meinem Abstimmungsverhalten zu berücksichtigen. Im Nachhinein kann eine Abstimmung über ein Gesetz nicht mehr geändert werden.
Ihre Meinung interessiert mich. Sie erreichen mich immer direkt und ohne Umwege per E-Mail an stefan.kaufmann@bundestag.de .
Mit besten Grüßen
Ihr Stefan Kaufmann