Frage an Stefan Kaufmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Stefan Kaufmann
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Frage von Klara S. •

Frage an Stefan Kaufmann von Klara S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kaufmann,

die am 19.12.2010 an Sie gerichtete Frage zur Verschärfung des Volksverhetzungs-Paragraphen haben Sie sehr pauschal mit "weil ich sie für richtig, wichtig und notwendig erachtet habe" beantwortet. Leider sind Sie auf keinen der in der Frage gestellten (und aus meiner Sicht auch validen Punkte) eingegangen. Da auch mich genauer interessiert, warum Sie dieser Verschärfung zugestimmt haben, möchte ich Sie bitten, auf die in der Frage angesprochenen Punkte genauer einzugehen als nur zu antworten, dass Sie die Verschärfung für richtig halten.

Mit freundlichen Grüßen
Klara Schütz

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Sehr geehrte Frau Schütz,

vielen Dank für Ihre Nachfrage. Die formale Begründung für meine Aussage, dass ich die „Verschärfung“ des § 130 StGB für „richtig, wichtig und notwendig“ erachte, ist etwas komplexer. Gerne will ich sie Ihnen erläutern.

Auf der Ebene der Europäischen Union und des Europarats wurden in den vergangenen Jahren zwei internationale Rechtsinstrumente zur strafrechtlichen Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit geschaffen, die in nationales Recht umzusetzen waren:

1. der Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12. 2008, S. 55) und

2. das Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art.

Die Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls wurden nun durch eine Änderung von § 130 des Strafgesetzbuchs (Volksverhetzung) umgesetzt.
Das deutsche Strafrecht entsprach den zwingenden Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls bereits weitgehend. Umsetzungsbedarf ergab sich jedoch in Bezug auf Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a und b des Rahmenbeschlusses und Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Zusatzprotokolls.

Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses muss jeder Mitgliedstaat die öffentliche Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe von Personen, die nach den Kriterien der Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definiert ist, oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe unter Strafe stellen. Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b des Rahmenbeschlusses verbietet darüber hinaus die öffentliche Verbreitung oder Verteilung von Schriften, von Bild- oder sonstigem Material mit entsprechendem Inhalt.

Das Zusatzprotokoll fordert in seinem Artikel 3 Absatz 1, dass jede Vertragspartei die vorsätzliche Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Materials über Computersysteme unter Strafe stellt. „Rassistisches und fremdenfeindliches Material“ im Sinne des Protokolls bedeutet nach seinem Artikel 2 Absatz 1 „jedes schriftliche Material, jedes Bild oder jede andere Darstellung von Ideen oder Theorien, das beziehungsweise die Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gegen eine Person oder eine Personengruppe befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt.“

Im deutschen Recht entspricht § 130 des Strafgesetzbuchs (StGB) den oben genannten Vorgaben bereits weitgehend. Nach § 130 Absatz 1 StGB macht sich strafbar, wer – in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören – zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert. Ebenso wird bestraft, wer die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet.

Jedoch erfasst § 130 Absatz 1 StGB in seiner bisherigen Fassung ausdrücklich nur „Teile der Bevölkerung“, nicht dagegen Einzelpersonen. Demgegenüber verlangen sowohl der Rahmenbeschluss als auch das Zusatzprotokoll, dass die entsprechenden Strafvorschriften nicht nur die Aufstachelung zu Hass und Gewalt gegen bestimmte Gruppen, sondern auch gegen einzelne Mitglieder der Gruppen erfassen müssen.

Zur Umsetzung der Vorgaben des Rahmenbeschlusses und des Zusatzprotokolls war es daher erforderlich, den Wortlaut der Vorschrift auf Einzelpersonen zu erweitern.

In diesem Zusammenhang wurde auch beschlossen, dass die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses genannten Gruppen in § 130 Absatz 1 StGB zukünftig gesondert aufgeführt werden. Dies spiegelt nicht zuletzt wider, dass die Hetze gegen die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen einen wesentlichen Anwendungsfall des § 130 StGB in der Praxis bildet.

Ich hoffe, diese Begründung für die Notwendigkeit der Veränderung des § 130 StGB überzeugt auch Sie. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne unter stefan.kaufmann@bundestag.de zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Stefan Kaufmann

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