Frage an Stefan Kaufmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Stefan Kaufmann
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Frage von Heinrich K. •

Frage an Stefan Kaufmann von Heinrich K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,

EU, EZB, IWF und die Bundesregierung haben sich auf den "millionsten" Geldtransfer nach Griechenland geeinigt. Der Bundestag wird in Kürze zum zigsten Mal darüber abstimmen, ob wieder deutsche Steuergelder nach Griechenland fließen.

Bisher hat der Bundestag mit Mehrheiten über 80 %, die man sonst nur aus Ländern kennt, die Parlamente allenfalls als Feigenblätter des jeweiligen Diktators benutzen, zugestimmt. Sie waren - wen wundert es? - mit dabei.

Trotz griechischer Staatspleite haben Sie also in der Vergangenheit immer wieder Entscheidungen unterstützt, die fleißig deutsches Eigentum nach Griechenland transferiert haben. Die nächste Entscheidung steht nun an.

Meine Frage an Sie: Werden sie weiteren Milliardenzahlung deutschen Eigentums nach Griechenland erneut Ihre Zustimmung geben? Da in nicht mal einem Jahr ja die nächste Bundestagswahl ansteht, interessiere ich mich sehr für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen,

Heinrich Kleinert

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Sehr geehrter Herr Kleinert,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich kann Ihre Verwirrung und das Gefühl nicht enden wollender Hilfspakete nachvollziehen.

Gerne will ich zunächst versuchen, Ihnen einen Überblick zu geben, wo wir derzeit stehen. Im Bundestag wurde nicht über ein neues Hilfspaket, sondern über die Bereitstellung der zweiten Tranche an Darlehen aus der EFSF abgestimmt. Schon am 27. Februar 2012 hat der Deutsche Bundestag die Gewährung des Hilfspakets insgesamt beschlossen. Die Darlehen, die nicht mit direkten Hilfszahlungen zu vergleichen sind, wurden und werden nicht auf einmal, sondern in einzelnen Tranchen ausbezahlt. Die Auszahlung der einzelnen Tranchen ist bewusst an die Umsetzung von verschiedenen Strukturreformen durch Griechenland geknüpft. Die Umsetzung der Reformen wird durch die sogenannte Troika, ein Gremium bestehend aus Vertretern der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds überwacht. Über den Stand der Umsetzung werden der Bundestag und auch ich selbst seit Monaten regelmäßig informiert. Es kann keine Rede davon sein, dass ich nicht wüsste, worüber ich abstimme.

Bei der Umsetzung der Reformen im Vorfeld der Entscheidung über die Bereitstellung der aktuellen Tranche gab es Probleme, weil Griechenland nicht alle vorgesehenen Maßnahmen in der gewünschten Zeit erfüllt hat. Der Hauptgrund hierfür war die starke politische Unsicherheit im Frühjahr mit den beiden griechischen Parlamentswahlen sowie die Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung. Die neue griechische Regierung hat dann unverzüglich mit den geforderten Maßnahmen begonnen und insbesondere im Sommer und Herbst intensiv daran gearbeitet. Zusätzlich hat die Troika 50 Einzelmaßnahmen zu den 72 Einzelmaßnahmen beschlossen, die vor der aktuellen Tranche umzusetzen waren. Zentrale Elemente dieser Maßnahmen waren:

- Die Verabschiedung des Haushalts 2013 und der mittelfristigen Finanzplanung zur Schließung einer Fiskallücke von 13,5 Mrd. Euro in den Jahren 2013 und 2014. Griechenland hat nach Bewertungen der Troika eine der umfassendsten Haushaltskonsolidierungen durchgeführt, die ein EU-Land in den letzten 30 Jahren unternommen hat.

- Verabschiedung eines vereinfachten Regelwerks für die Steuerbuchhaltung

- Überführung von mindestens 2000 Staatsbediensteten in das Mobilitätsprogramm

- Anhebung des Renteneintrittsalters ab dem 1.1.2013 auf 67 Jahre

- Abschluss der Zentralisierung aller beim Gesundheitsministerium angesiedelten gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse und Zuständigkeiten

- Verabschiedung der Reform des Mindestlohnrahmens. Reduzierung der Lohnnebenkosten, insbesondere Kürzung der max. Kündigungsfrist auf 4 Monate und Begrenzung der gesetzlichen Frist auf 12 Monate.

- Abschaffung von Zugangs- und Ausübungsbeschränkungen für regulierte Berufe

- Stärkung des Finanzministeriums gegenüber den Fachministerien, insbesondere mit der Einführung einer Top-Down-Haushaltsplanung

- Dauerhafte Einführung der für drei Jahren verbindlichen Ausgabenobergrenzen im Rahmen der Mittelfristigen Finanzplanung

- Einführung von Bestimmungen, ex ante einen gewissen Prozentsatz der variablen Haushaltsmittel pro Fachministerium einzufrieren

- Einführung einer Regelung für die Zentralregierung, der zufolge mindestens 30% von einmaligen Mehreinnahmen zur Schuldentilgung verwendet werden müssen, während bis zu 70% im Folgejahr von der Regierung für wachstumsfördernde und sozialpolitische Maßnahmen verwendet werden können, sofern die Haushaltsziele erfüllt sind

- Automatische Ausgabenkürzungen bei Verfehlung von Haushaltszielen

- Automatische Erhöhung der Primärüberschussziele bei unzureichenden Privatisierungserlösen

- Stärkung der Führungsstruktur und Unabhängigkeit des Privatisierungsfonds HRAFD u.a. Überprüfung des geänderten Privatisierungsrechts durch quantitative Leistungsziele, die dann durchgesetzt werden müssen, wenn der Privatisierungsplan fehlschlägt

Diese harten Maßnahmen konnten zur notwendigen Haushaltskonsolidierung beitragen. Allerdings konnte Griechenland aufgrund des Verzugs durch die politische Situation im Frühjahr und die weiterhin schlechte wirtschaftlichen Entwicklung nicht alle aktuellen Konsolidierungsziele erreichen. Die Troika hat daraufhin beschlossen, die aktuelle Tranche nicht auf einmal, sondern in zusätzlichen Zwischenschritten, die wiederum an die Umsetzung von weiteren Maßnahmen gekoppelt ist, bereitzustellen.

Über den deutschen Anteil an den Darlehen hat der Bundestag abgestimmt. Es ging also nicht um neue Zahlung oder ein neues Hilfspaket, sondern um die konsequente Umsetzung des bestehenden Maßnahmenpakets. Meine prinzipielle Haltung, die Bereitstellung von Darlehen an die Umsetzung von Reformmaßnahmen zu knüpfen, bleibt bestehen.

Sehr geehrter Herr Kleinert, gerne stehe ich Ihnen zu diesem schwierigen und komplizierten Thema auch in einem persönlichen Gespräch zu Verfügung. Bitte wenden Sie sich doch bei Interesse zur Terminvereinbarung an mein Wahlkreisbüro (Tel. 0711/ 90 72 99 10).

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Stefan Kaufmann

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