Frage an Stephan Mayer bezüglich Finanzen

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Stephan Mayer
CSU
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Frage von Gerhard B. •

Frage an Stephan Mayer von Gerhard B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Mayer,

Der wissenschaftlich Dienst des Bundestages warnt in seinem Gutachten vom Februar diesen Jahres das Parlament, dem von der Regierung geplanten Euro-Rettungsschirm zuzustimmen. So wie er geplant sei, riskiert der Bundestag die Geldwertstabilität und einen Verfassungsbruch. 
»Durch die Übernahme einer Bürgschaft wird ein Verfahren in Gang gesetzt, an dessen Ende die Pflicht zur Zahlung sehr hoher Summen stehen kann, ohne dass das Parlament entscheidenden Einfluss nehmen kann«, so die Juristen des Dienstes. Die Bundesregierung hat die Absicht, beim Euro-Rettungsschirm für bis zu 168 Milliarden Euro zu bürgen. Dazu kommen 22 Milliarden Euro aus deutschen Steuergeldern hinzu, über die der Bundestag bereits entschieden hat. Das ergibt eine Gesamtbelastung von 190 Milliarden Euro. Das entspricht fast zwei Dritteln der Steuereinnahmen des Bundes! Weiter: »Sollten die Bürgschaften greifen, würde einem künftigen Haushaltsgesetzgeber ein Verfassungsbruch quasi aufgezwungen (…) Bei der Einlösung der Zahlungspflicht käme der Haushaltsgesetzgeber nicht umhin, gegen die Schuldenbremse zu verstoßen.« Auch der Bundesrechnungshof mahnt: »Alle Festlegungen zu Art und Höhe der deutschen Beiträge zum Euro-Rettungsschirm unterliegen der parlamentarischen Zustimmungserfordernis.« Meine Frage an Sie als mein Stimmkreis-/Bundestagsabgeordneter lautet: Wie werden Sie sich entscheiden? Stimmen Sie einem offensichtlichen Verfassungsbruch zu oder sorgen Sie mit Ihrer Stimme und Ihrem parlamentarischen Einsatz dafür, dass Schaden von unserem Land und unserer verfassten Demokratie abgewendet wird. In Erwartung Ihrer Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Bauer

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CSU

Sehr geehrter Herr Bauer,

vielen herzlichen Dank für Ihre Frage zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) auf www.abgeordnetenwatch.de. Sehr gerne nehme ich zu Ihren Fragen Stellung.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist ein Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion. Ziel dieses Maßnahmenpakets ist es, die wirtschaftspolitische Überwachung der Europäischen Union zu stärken und vor allem eine dauerhafte Stabilität des Euro-Währungsgebiets zu gewährleisten.
Besonders für Deutschland ist es wichtig, den Euro nachhaltig zu stabilisieren und die Funktionsfähigkeit der Wirtschafts- und Währungsunion zu erhalten. Unser Land profitiert weitläufig von einem starken Euro: unsere stark vom Export geprägte Wirtschaft floriert, weil es innerhalb der Währungsunion keine Kursschwankungen gibt, Arbeitsplätze werden geschaffen, die Inflationsrate ist kontinuierlich gering, die Kaufkraft steigt.

Die Krise in Griechenland hatte leider zur Folge, dass das Vertrauen in den Euro in seinen Grundfesten erschüttert wurde. Ferner hat sie aufgedeckt, dass die Eurozone nicht über genügend verbindliche Instrumente zur Sicherung der Stabilität verfügt.
Das Vertrauen in die Finanzmärkte ist nicht teilbar und die Märkte betrachten den Euro immer als Ganzes. Daher war es unumgänglich, Griechenland finanziell mit Krediten zu unterstützen und im Anschluss einen Schutzschirm für den Euro insgesamt zu schaffen – im Interesse aller Europäer.
Der Euro-Rettungsschirm, der ursprünglich aufgelegt wurde, um Euro-Staaten, die an hoher Staatsverschuldung leiden, aus der Krise zu helfen, ist bis Juni 2013 befristet. Derzeit besteht er noch aus dem Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) und der zwischenstaatlich verfassten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) unter Mitwirkung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Mitgliedsstaaten der Euro-Zone streben allerdings nach einer Verstetigung dieses Euro-Rettungsschirms, um, wie es auch die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, MdB, in ihrer Regierungserklärung am 24. März 2011 ausgeführt hatte, Eigenverantwortung und Solidarität in der Eurozone in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

Zu diesem Zweck hat der Europäische Rat am 24. und 25. März 2011 ein neues Paket von Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität beschlossen.

Dieses Paket beinhaltet als erstes einen strengeren Stabilitätspakt. Dieser beinhaltet präzisere Kontrollen, früher einsetzende, quasi-automatische Sanktionen und ein strengeres Defizitverfahren bei Überschreiten der Grenze der Gesamtverschuldung.
Zudem umfasst dieses Paket den Pakt für die Wettbewerbsfähigkeit. Dadurch sollen alle Eurostaaten durch eine bessere Koordination in der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik die Möglichkeit bekommen, zu den jeweils wettbewerbsfähigsten Mitgliedsstaaten aufschließen zu können.
Drittes Element dieses Pakets ist eben der dauerhafte Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) für die Eurozone ab 2013. Um den ESM dauerhaft einführen zu können, war die Änderung der Rechtsgrundlage im Vertrag von Lissabon notwendig: Diese Schaffung einer Öffnungsklausel geschah durch die Ergänzung des Art. 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV).

Ihre Sorgen bezüglich dieser europäischen Gesetzesänderung kann ich sehr gut nachvollziehen. Es freut mich daher, Ihnen mitteilen zu können, dass der ESM lediglich im äußersten Notfall tätig wird. Dieser äußerste Notfall ist dann gegeben, wenn ein Euroland vom Kapitalmarkt abgeschnitten ist und die Stabilität der Eurozone insgesamt in Gefahr ist („Ultima Ratio“). Tritt nun der Zustand des äußersten Notfalls ein, werden Finanzhilfen nur dann vergeben, wenn das Empfängerland im Gegenzug ein glaubwürdiges wirtschafts- und finanzpolitisches Anpassungsprogramm vorweisen kann. Darin enthalten sein müssen die Verpflichtung auf wirtschaftliche Reformen, eine zeitliche Begrenzung sowie eine strenge Verzinsung. Die entsprechenden Beschlüsse müssen von den Finanzministern der Eurozone (als Gouverneure des ESM) einstimmig getroffen werden. Die Obergrenze für die Haftung der Mitgliedstaaten konnte klar auf das bereitgestellte Kapital begrenzt werden.

Es besteht weiterhin der Grundsatz: Jeder Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist eigenständig für seine jeweilige Finanzpolitik verantwortlich und haftet für seine Schulden selbst. Tritt indes trotzdem der Fall ein, dass ein Eurostaat trotz der Finanzhilfen dauerhaft zahlungsunfähig ist, werden in Zukunft auch private Gläubiger herangezogen. So sollen künftig etwa Banken, Versicherungen, oder Rentenkassen ihren Anteil zur Staatssanierung beitragen. So sorgt in Deutschland beispielsweise die Bankenabgabe bereits für die nötige Beteiligung der Banken an der Krisenvorsorge.

Der ESM soll als internationale Finanzinstitution (IFI) mit einer eigenen Kapitalstruktur gegründet werden. Ander als bei der befristeten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) stellen die Mitgliedsstaaten künftig keine Garantien für die Anleihen des ESM aus, sondern übernehmen einmalig einen Anteil am gezeichneten Kapitäl des ESM. Aufgrund dieser Kapitalstruktur haftet für die Verbindlichkeiten des ESM – wie bei anderen IFIs – der ESM selbst und nicht die Mitgliedsstaaten.
Das gezeichnete Kapital des ESM soll 700 Mrd. Euro betragen, davon sollen 80 Mrd. Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren in gleichen Raten eingezahlt und 620 Mrd. Euro als abrufbares Kapital (haushaltsrechtlich in Form von Garantien) bereitgestellt werden.
Der deutsche Anteil am gezeichneten Kapital des ESM beträgt 27,1464 Prozent, das bedeutet knapp 22 Mrd. Euro eingezahltes und rund 168 Mrd. Euro abrufbares Kapital.
Im ESM-Vertrag wird festgelegt, dass die Haftung der Mitgliedsstaaten unter allen Umständen auf ihren Anteil am gezeichneten Kapital des ESM beschränkt wird (Artikel 8 Absatz 5 des Entwurfs). Die strikte Haftungsbegrenzung gilt für alle Fallgestaltungen, das heißt auch für den Kapitalabruf nach Artikel 21 Absatz 2 des Entwurfs. Sollte ein Mitgliedsstaat – entgegen seiner ausdrücklichen völkerrechtlichen Verpflichtung – einem Kapitalabruf nicht oder nicht rechtzeitig Folge leisten, erhöht sich der Anteil der anderen Mitgliedsstaaten am gezeichneten Kapital des ESM dadurch nicht.

Für Deutschland bedeutet dies konkret:
Die Bundesrepublik beteiligt sich insgesamt mit knapp 22 Milliarden Euro, die gleich einer GmbH-Einlage betrachtet werden können: es handelt sich dabei um einen verzinsten Eigentumsanteil, der seinen Wert behält und Erträge bringt. Der Zweck ist klar beschrieben und die Haftung bleibt begrenzt.

Sehr geehrter Herr Bauer, seien Sie versichert, dass ich über den ESM mit seinem effektiven Volumen von 500 Mrd. Euro keine leichtfertige Entscheidung treffen werde. Die CSU und ich ganz persönlich werden uns dafür einsetzen, dass der Bundestag bei allen Entscheidungen angemessen eingebunden wird. Weiterhin bin ich mir durchaus der Tatsache bewusst, dass es im äußersten Notfall zur Kollision mit unserer im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse kommen kann. Daher ist es unser aller Bestreben, eine glaubwürdige und nachhaltige Finanzpolitik zum Wohle Deutschlands zu machen.

So sehr wir auch daran festhalten, dass die Lösung für ein Europa der Zukunft in der Solidarität liegt, so sind wir genauso auch überzeugt davon, dass eine wirksamere Kontrolle der Finanzmärkte, etwa durch den Aufbau neuer Aufsichtsbehörden unumgänglich und notwendig ist.
Auch haben wir aus der Krise gelernt: Ungedeckte Leerverkäufe wurden verboten. Um Spekulationen gegen Währungen zu verhindern wird der Handel mit Kreditausfall-Versicherungen künftig streng reguliert. Europäisch wie international müssen zudem strenge Regeln und eine Aufsicht für Rating-Agenturen geschaffen werden. Dafür setzt sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene nachdrücklich ein.

Ich hoffe sehr, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben. Gerne stehe ich Ihnen selbstverständlich für Rückfragen jederzeit zur Verfügung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Ihr
Stephan Mayer
Bundestagsabgeordneter

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