Frage an Stephan Mayer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Stephan Mayer
CSU
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Frage an Stephan Mayer von Wolfgang S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Mayer,

am kommenden Freitag soll im Bundestag über die mittlerweile mehr als umstrittene Vorratsdatenspeicherung abgestimmt werden. Angesichts der massiven Kritik am geplanten Gesetz seitens von Journalisten, Anwälten, Bürgerrechtlern, ehemaligen Bundesverfassungsrichtern, ehemaligen Innenministern und weiteren Politkern sowie verschiedenen Berufsverbänden und staatlich bestellten Datenschützern bitte ich Sie um Ihre Stellungnahme zu diesem (in meinen Augen verfassungswidrigen) Gesetzesentwurf.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Sänger

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Sänger,

vielen Dank für Ihre email vom 06. November 2007 an abgeordnetenwatch.de, die ich bereits persönlich in meinem Schreiben an Sie am 27. November 2007 gerne beantwortet habe. Wegen des größeren Interesses zu diesem Thema stelle ich meine Antwort nunmehr auch in diesem Forum zur Verfügung.

Sie beziehen sich in Ihrem Schreiben auf die Abstimmung im Deutschen Bundestag zum Gesetzentwurf zur Novellierung des Telekommunikationsüberwachungsgesetzes, das die Vorratsdatenspeicherung beinhaltet. Sie halten den Gesetzesentwurf für verfassungswidrig und erbitten meine Stellungnahme zu diesem Thema.

Ich bedauere sehr, dass der Gesetzentwurf Sie verunsichert und möchte Ihnen daher den Hintergrund und die entscheidenden Punkte detailliert erläutern.

Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und zur Umsetzung der europäischen Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung angenommen. Damit hat der Bundestag ein langes und gründlich vorbereitetes Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen. Mit dem neuen Gesetz wird der gesamte Bereich der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen in der Strafprozessordnung verfassungskonform neu geordnet. Dem in der öffentlichen Diskussion vielfältig erweckten Eindruck, aufgrund dieser Neuregelung könne nunmehr jeder voraussetzungslos von staatlichen Stellen abgehört werden, muss deshalb entschieden widersprochen werden. Grundvoraussetzung für die Anordnung von Telefonüberwachungsmaßnahmen ist nach wie vor, dass ein durch Tatsachen begründeter Verdacht für eine schwere Straftat vorliegt. Im Laufe der Jahre hatten sich bei den verschiedenen Ermittlungsmaßnahmen Unterschiede ergeben, die so nicht weiter aufrecht zu erhalten waren. Die Neuregelung auf diesem Gebiet bringt somit eine sinnvolle Abstimmung der Eingriffsmöglichkeiten und ihrer Schranken und berücksichtigt verfassungsgerichtliche Vorgaben, unter anderem zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Zudem verbessert der Gesetzentwurf Verfahrenssicherungen wie Dokumentations- und Löschungspflichten sowie bei der nachträglichen Benachrichtigung der Betroffenen. Neu ist die Einführung einer Regelung zu Zufallsfunden bei Medienmitarbeitern. Durch diese neue Vorschrift werden der Informantenschutz und die Pressefreiheit gestärkt. Sie sprechen insbesondere die Kritik bestimmter Berufsgruppen an dem neuen Gesetz an. Hierbei handelt es sich meist um die allgemeine Behauptung, künftig gäbe es “Zeugnisverweigerungsrecht zweiter Klasse”. Dies ist grob falsch. Richtig ist vielmehr: Die Zeugnisverweigerungsrechte im Strafverfahren werden durch den aktuellen Gesetzentwurf überhaupt nicht verändert. Auch künftig haben damit folgende Berufsgruppen im Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht, also das Recht, Angaben zu verweigern über das, was in dieser ihrer Eigenschaft anvertraut wurde oder bekannt geworden ist: Geistliche, Strafverteidiger, Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Ärzte, Psycho-therapeuten, Apotheker, Hebammen, Mitarbeiter von Schwangerschaftskonfliktberatungs-stellen, Abgeordnete, Journalisten. Der Gesetzentwurf ändert am Zeugnisverweigerungsrecht nichts. Er schafft aber zum ersten Mal eine klare, vollständige und in sich stimmige Konzeption über die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung von Beweismittel durch so genannte verdeckte Ermittlungsmaßnahmen (z.B: Telekommunikationsüberwachung, Telekommunikationsverbindungsdatenabfrage) im Strafverfahren. Bislang enthielt die Strafprozessordnung nur sehr lückenhafte Regelungen darüber, in welcher Art und Weise die Zeugnisverweigerungsrechte der Berufsgeheimnisträger die Zulässigkeit der Erhebung und Verwertung von Beweismitteln durch verdeckte Ermittlungsmaßnahmen einschränken oder ausschließen. Dies wird nun klar geregelt. Schon dies ist ein
erheblicher Fortschritt im Sinne der Rechtsklarheit.

Der mit dem Gesetz vorgesehene absolute Schutz für Seelsorger, Strafverteidiger und Abgeordnete ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz und stellt eine Ausnahme dar, aber keine allgemeine Regel für die anderen Gruppen der Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte, Ärzte und Journalisten. Deren Interessen werden in Fällen, in denen eine Ermittlungsmaßnahme Erkenntnisse ergeben würde, über die sie das Zeugnis verweigern dürften, durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall gewahrt. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurden im Übrigen die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nochmals verschärft. Das Gesetz berücksichtigt aber auch die verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist überzeugt, dass die Ermittlungsbehörden für eine effektive Bekämpfung schwerer Kriminalität über diese wichtigen Ermittlungsinstrumente verfügen müssen. Dazu zählt auch die Vorratsdatenspeicherung. Schon nach der bisherigen Rechtslage durften Daten von den Telekommunikationsunternehmen zu Abrechnungszwecken gespeichert und von den Ermittlungsbehörden abgerufen werden. Mit den neuen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung wird es auch weiterhin keine Speicherung der Gesprächsinhalte geben, vielmehr können die Ermittlungsbehörden in gesetzlich eng umschriebenen Fällen Auskunft über Verkehrsdaten verlangen, die für die Dauer von sechs Monaten gespeichert werden müssen. Die teilweise sehr populistisch geschürte Angst vor einem Überwachungsstaat und einem gläsernen Bürger sind daher unbegründet.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben. Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Stephan Mayer
Bundestagsabgeordneter

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