Frage an Stephan Mayer bezüglich Umwelt

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Stephan Mayer
CSU
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Frage von Martin R. •

Frage an Stephan Mayer von Martin R. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Mayer,

immer wieder hört man in der politischen Diskussion: "Wir brauchen die BILLIGE Kernenergie". Teilen Sie die Ansicht, dass Kernenergie billig ist?

Wenn ja, können Sie mir sicher auch erklären, wie diese Kalkulation zustande kommt:

Ich habe nämlich in meiner 25-jähringen kaufmännischen Karriere bei Stückkostenkalkulationen immer zunächst die Gesamtkosten ermittelt und dann durch die Anzahl der Produkte geteilt.

Bei der Ermittlung der Gesamtkosten fehlt mir nun u.a. ein Faktor, der mir nicht ganz unbedeutend erscheint:

Welche Kosten werden für die Entsorgung (Endlagerung) eingerechnet? Wie lange muss dieses Lager ggfs. bewacht werden, wie hoch sind die Baukosten dafür, wie hoch die Transportkosten von den AKWs (Zwischenlager) ins Endlager?

Sind Sie auch der Ansicht, dass es relativ mühsam ist, diese Kosten zu ermitteln, solange die Endlagerfrage nicht geklärt ist?

Sollte man sich dann nicht mit Aussagen über Preise von Produkten, die auf nicht ganz vollständigen Kalkulationen basieren, zurückhalten?

Es wäre schön und sicher auch im Interesse aller Leser, wenn ich auf die konkreten Fragen ganz konkrete Antworten bekommen könnte.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Rapolder, Rechtmehring

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CSU

Sehr geehrter Herr Rapolder,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 14.09.2008, in der Sie um die Beantwortung einiger Fragen zum Thema Kernenergie bitten, die ich Ihnen hiermit sehr gerne beantworte.

Sie möchten wissen, ob Kernenergie im Vergleich wirklich billig ist.
In einer im Jahr 2007 im Auftrag der Bundesregierung erstellten Studie des Prognose-Instituts und des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln wurde errechnet, dass die Nutzung der Atomenergie für die Verbraucherrinnen und Verbraucher günstiger sei, als der Ausbau erneuerbarer Energien.

In Deutschland herrscht ein Energiemix vor, dessen effektiver Bestandteil auch, zumindest mittelfristig, die Kernenergie sein muss. Der in Deutschland verbrauchte Strom stammt zu 30 % aus Atomkraftwerken. Ein großes Kernkraftwerk erzeugt im Jahr durchschnittlich elf Milliarden Kilowattstunden Strom. Dabei entstehen rd. 60 Kubikmeter hochaktiver Abfall. Das entspricht dem Volumen eines Würfels von knapp vier Meter Kantenlänge. Dazu kommen mittel- und leichtaktiven Abfälle, die keine Wärme abstrahlen und entsprechend unproblematisch sind, z. B. verbrauchte Filter, Waschwasser und Ähnliches. Ihr Volumen ist anfänglich deutlich größer. Sie lässt sich aber stark reduzieren, z. T. bis auf ein Hundertstel beispielsweise durch Eindampfen von Waschwasser.

Die Erzeugungskosten je Kilowattstunde Atomstrom betragen etwa 1,5 Cent bei den vorhandenen Kernkraftwerken und knapp drei Cent bei einem neu zu bauenden Kernkraftwerk. Sowohl die heutigen wie die etwaigen künftigen Kernkraftwerke stellen damit in der sogenannten Grundlastversorgung "rund um die Uhr" die günstigste Art der Stromerzeugung dar. Von den 1,5 Cent, bzw. bei neuen Kernkraftwerken 3 Cent, entfallen 0,35 Cent auf die Entsorgung.

Desweiteren interessieren Sie sich insbesondere für die Kosten der Endlagerung.
Wenn Sie nun die spezifischen Entsorgungskosten von 0,35 Cent je Kilowattstunde mit der Zahl der Kilowattstunden multiplizieren, kommen Sie auf die gesamten jährlichen Entsorgungskosten. Bei einem großen Kernkraftwerk belaufen sie sich demnach auf etwa 38 Millionen Euro. Diese bestehen überwiegend in echten gegenwärtigen Ausgaben, teilweise aber auch in Rückstellungen für erst künftig anfallende Kosten wie beispielsweise für das Endlager, soweit dafür nicht schon jetzt Vorauszahlungen zu leisten sind.
Für das Projekt Gorleben sind seit der Planung des Nuklearen Entsorgungszentrums von 1977 bis Ende 2007 Kosten in Höhe von rd. 1,51 Mrd. Euro entstanden, die die öffentliche Hand zu tragen hat. Im laufenden Haushaltsjahr 2008 sind 27,6 Mio. Euro für das Projekt Gorleben veranschlagt. Der finanzielle Aufwand für die Entsorgung von kerntechnischen Material zählt zu den notwendigen Folgekosten der Kernforschung.

Darüber hinaus möchten Sie wissen, ob es nicht mühsam ist, die Gesamtkosten zu ermitteln, solange die Endlagerfrage nicht geklärt ist. Die praktische Bedeutung der externen Kosten der Energienutzung und die Bestimmung der volkswirtschaftlichen Kosten sind seit Jahren Gegenstand intensiver Diskussionen in Politik und Wissenschaft. Dabei zeigt sich, dass es ein breites Spektrum unterschiedlicher Ansätze zur konkreten Bestimmung externer Effekte gibt und diesbezüglich noch keine hinreichende Verständigung erzielt werden konnte. Trotz erheblicher Erkenntnisfortschritte ist die Quantifizierung externen Kosten, wie Sie in Ihrer E-Mail bereits angemerkt haben, mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.

Sie sind der Auffassung, dass man sich mit Aussagen über Preise von Produkten zurückhalten sollte. Eine eindeutige Ableitung bestimmter politischer Handlungsempfehlungen ist tatsächlich nicht oder nur begrenzt möglich. Die zukünftigen Kosten hängen insbesondere von einer politischen Grundsatzentscheidung zum weiteren Vorgehen bei der Endlagerung hochaktiver, wärmeentwickelnder Abfälle ab. Die Kosten werden gemäß Atomgesetz durch die Abfallverursacher in voller Höhe refinanziert. Der Anteil, der von den Einrichtungen der öffentlichen Hand für das Endlagerprojekt Gorleben nach der Endlagervorausleistungsverordnung zu zahlen ist, beträgt 11,52 Prozent.

Der Betrieb von Atomkraftwerken rechnet sich auch angesichts der stetig steigenden Ölpreise. Neben dem finanziellen Aspekt ist hierbei auch der umweltpolitische in Erwägung zu ziehen. Würde der ansteigende Ölpreis durch eine verstärkte Kohleförderung kompensiert werden, hätte dies wiederum eine steigende CO²-Emmission im Kraftwerkssektor zur Folge und könnte auch nicht durch den Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ausgeglichen werden. Zudem hätte ein vorzeitiges Abschalten der betriebssicheren Kernkraftwerke spürbar höhere Strompreise zur Folge.

Seit 1990 wurden insgesamt 216 Millionen Euro vor allem in die Energieerzeugung aus Biomasse investiert. Wie viel in Windkraft? Die stark gestiegenen Energiepreise bestätigen die Richtigkeit dieser Politik, der Einsatz von Biomasse wird zunehmend wirtschaftlich und ist zudem ökologisch sinnvoll, auch vor dem Hintergrund, den Anteil der Atomenergie zu senken, sobald dies wirtschafts- und energiepolitisch sinnvoll ist.

So lässt sich zusammenfassend sagen, dass meines Erachtens die Kernenergie im Vergleich zu anderen Energieträgern günstige Energie ist. Gleichzeitig ist sie umweltfreundlich, da es keinen CO2 – Ausstoß gibt. Somit wird die Kernenergie den drei Grundsätzen der Energiepolitik gerecht: Sicherheit, Ökologie und Wirtschaftlichkeit.

Ich werde mich in meiner politischen Arbeit dafür einsetzen, den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranzutreiben. Uns ist allen daran gelegen, die Abhängigkeit von den sog. Ölstaaten so gering wie möglich zu halten. Auch aus diesem Grund ist die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke, wie wir sie aktuell diskutieren, unabdingbar, solange die Sicherheit der Kraftwerke gewährleistet ist.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben und stehe Ihnen für Rückfragen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Stephan Mayer
Bundestagsabgeordneter

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