Frage an Susanne Schaper bezüglich Politisches Leben, Parteien

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Susanne Schaper
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Frage von Marius G. •

Frage an Susanne Schaper von Marius G. bezüglich Politisches Leben, Parteien

Sehr geehrte Frau Schaper,
Wie stehen sie zu dem abnehmenden Vertrauen der Bürger in die Regierung/Politik? Haben Sie bzw. ihre Partei schon Ideen und Lösungsansätze?
Als ein Anzeichen für den Vertrauensverlust sehe ich zum Beispiel die landesweiten Demonstrationen derzeit.
Diese Frage stelle ich auch anderen Mitgliedern des „Ausschusses für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt“.

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr G.,

ich stimme mit Ihnen überein, dass es einen großen Vertrauensverlust der Bürger*innen in die Politik gibt. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Gerade im Osten der Republik hat es in den vergangenen 30 Jahren eine Vielzahl an teils schmerzlichen Umbrüchen gegeben. Statt mit „blühenden Landschaften“ war die Wende 1990 für viele mit Arbeitslosigkeit, sozialem Abstieg und der Entwertung der eigenen Biographie verbunden. Auch das jahrzehntelang vorherrschende neoliberale Dogma hat seinen Teil zur Vertrauenskrise beigetragen: Mit Parolen wie „Privat vor Staat“ oder „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ wurde der Abbau des Sozialstaats und die Unterfinanzierung öffentlich Infrastruktur gerechtfertigt. Das wiederum begünstigte das Aufgehen der Schere zwischen Arm und Reich. Die Menschen fühlten sich mit ihren Problemen vom Staat allein gelassen. Die Spar- und Kürzungspolitik führte auch an vielen Stellen tatsächlich zum Staatsversagen, als Bsp. seien gerade in Sachsen die komplett gescheiterte Personalpolitik bei Lehrer*innen oder Polizist*innen genannt. Die Politik wird als machtlos empfunden, weil sie den „Zwängen des Marktes“ nichts entgegensetzen kann oder will bzw. durch Unterfinanzierung tatsächlich handlungsunfähig geworden ist.

Das persönliche Verhalten einzelner, besonders im Rampenlicht stehender Politiker*innen trägt natürlich einen guten Teil dazu bei, dass die Menschen der Politik nicht mehr trauen: Sei es wegen Lobbyismus (Vgl. den aktuellen Fall Amthor), den schnellen Wechsel aus der Politik in hoch dotierte Spitzenpositionen in der Wirtschaft, der ruchbar wirkt, oder dadurch, dass für gravierende Fehlleistungen einfach keine Verantwortung, z.B. in Form eines Rücktritts, übernommen wird (Vgl. Scheuer und das Debakel um die PKW-Maut).

Es gibt also eine reale Grundlage für den Vertrauensverlust und die Unzufriedenheit vieler Bürger*innen. Nicht hinnehmbar ist es für mich allerdings, wenn dies darin mündet, dass Verschwörungsmythen bedient werden, die „einfache Lösungen“ bieten, oder die Schuld bei den Schwächsten der Gesellschaft (z.B. HartzIV-Bezieher*innen oder Geflüchteten) gesucht bzw. abgeladen werden soll.

Das Vertrauen der Bürger*innen in die Politik kann meiner Meinung nach am besten wiederhergestellt werden, indem die Politik wieder handlungsfähig gemacht wird. Mit neoliberalen Spar- und Kürzungsorgien muss, auch als Lehre aus der Corona-Krise, endlich Schluss sein! Privatisierungen in Bereichen, die für das öffentliche Leben besonders wichtig sind, müssen rückgängig gemacht werden, damit Politik und Allgemeinheit dort endlich wieder ein Mitspracherecht haben. Es braucht wieder stärkere Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, wie z.B. den Öffentlichen Personennahverkehr oder den Gesundheitsdienst. Der Sozialstaat muss ausgebaut und modernisiert werden. Wir brauchen eine sanktionsfreie Grundsicherung und eine solidarische Mindestrente, die vor Armut schützen. Es muss strikte Verhaltensregeln für Politiker*innen geben, die nach Ende Ihrer politischen Karriere in die Wirtschaft wechseln, um den Anschein der Käuflichkeit zu verhindern. Auch braucht es endlich ein Lobbyregister, das mögliche Interessenskonflikte und die Beeinflussbarkeit von politischen Entscheidungsträger*innen für die Menschen transparent macht. Und schließlich muss den Rechten und Anhänger*innen von Verschwörungsmythen mit ihren scheinbar „einfachen Lösungen“ und Schuldzuweisungen ohne Wenn und Aber entgegengetreten werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Susanne Schaper

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