Soziale Gerechtigkeit Die Linke will eine ausbeutungsfreie Gesellschaft, welche sie demokrat. Sozialismus nennt. Haben sie eine Begriffsdefinition von Ausbeutung und von deren Größen für Sachsen?

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Susanne Schaper
DIE LINKE
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Frage von Norbert S. •

Soziale Gerechtigkeit Die Linke will eine ausbeutungsfreie Gesellschaft, welche sie demokrat. Sozialismus nennt. Haben sie eine Begriffsdefinition von Ausbeutung und von deren Größen für Sachsen?

Es gibt bisher von Seiten der Linken keine Begriffsdefinition von Ausbeutung und auch keine Aufstellung wie viel Ausbeutung es gibt.
Wie will die Linke zur einer ausbeutungsfreien Gesellschaft bzw. politischen Mehrheiten dafür kommen, wenn sie den Menschen nicht erklären kann, was sie davon haben bzw. was es konkret für Sachsen bedeutet?
Wie viel Geld geht den Menschen verloren, welche Arbeits- und Lebenszeit müssen die Menschen dafür aufwenden? Wie hoch ist der Resourcenverbrauch dafür?
Wieso kommt in Wahlprogrammen von Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen die Begriffe Ausbeutung und Umverteilung nicht vor, obwohl dies ja in jedem Dorf, in jeder Stadt, in jeden Landkreis und in jeden Bundesland tagtäglich stattfindet?

Wie ist ihre Einschätzung dazu?
Für mich sind z.B. „leistungslose Einkommen“ Ausbeutung, weil der erzielte Gewinn/Reichtumszuwachs ohne persönliches Risiko bzw. eigene Arbeit entsteht.
Monopolgewinne/Ausbeutung z.B. d. Immobilien- und Bodenspekulation u.v.a.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr S.,

ich danke Ihnen für diese interessante Frage.

Ausbeutung kann als Begriff und als ökonomisches Phänomen verschiedenste Formen annehmen. In unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 ist beispielsweise die Rede von nationalen wie internationalen wirtschaftlichen Angelegenheiten wie der extremen Ausbeutung saisonaler Arbeitskräfte, osteuropäischer Arbeitskräfte oder der Beschäftigten im Gesundheitswesen, sowie der Ausbeutung des Globalen Südens. Auch die sexuelle Ausbeutung sowie die Ausbeutung der Natur werden in unserem Programm benannt. Der Begriff kommt also sehr wohl vor. Dennoch haben Sie natürlich Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass dem Begriff – gerade wenn er doch so oft erwähnt wird – eine nähere Definition guttun würde.

In der öffentlichen Debatte wird Ausbeutung allgemein als die rücksichtslose Ausnutzung von Arbeitskräften und Ressourcen verstanden. Diese materialisiert sich ganz konkret beispielsweise in miesen Arbeitsbedingungen. DIE LINKE macht sich diesen Begriff zur Einfachheit oftmals auch zunutze, um beispielsweise die besonders schlechten Arbeitsbedingungen und Löhne im Bereich der Saisonarbeit oder den Werkverträgen zu kritisieren.

Streng nach marxistischem Begriff ist natürlich die Lohnarbeit an sich Ausbeutung. Im ersten Band des Kapitals beschreibt Marx sein Verständnis der Begriffe Lohn und Ausbeutung. Die Arbeiterin verkauft ihre Arbeitskraft an den Kapitalisten. Der Lohn, den sie dafür bekommt, ist der Preis, den der Kapitalist für die Arbeitskraft zahlt, und muss zur Reproduktion der Arbeiterin und ihrer Familie reichen. Dieser Lohn umfasst aber nicht das gesamte Volumen des Einkommens, das der Kapitalist aus der Arbeitskraft der Arbeiterin generiert. Das geschaffene Produkt der Arbeiterin hat einen Wert, der weit über dem des Lohnes liegt. Die Differenz der beiden nennt Marx Mehrwert. Dieser wird sich durch die Kapitalseite angeeignet und für privaten Konsum sowie Reinvestition in den Produktionsprozess benutzt. Weil die Arbeiterin oder der Arbeiter am Ende des Tages mehr Wert schafft, als in Lohn bezahlt wird, wird sie oder er nach Marx ausgebeutet.

DIE LINKE ist eine pluralistische Partei. Der gemeinsame Nenner, auf den wir uns alle verständigen, ist, Ausbeutung als rücksichtslose Ausnutzung von Arbeitskräften zu verstehen. Rücksichtslos heißt hier ganz konkret, das physische und psychische Wohl der Arbeitskraft geringzuschätzen oder zu ignorieren und sie einer ökonomischen Situation auszusetzen, die es ihr nicht oder nur schwer möglich macht, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Damit nähern wir uns dem alltäglichen Gebrauch des Begriffs an.

Eine konkrete Bezifferung der Ausbeutung wäre ein komplexes und langfristiges Unterfangen. Es müssten vermutlich umfassend personelle und materielle Ressourcen aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich mobilisiert werden, damit hier annähernd zufriedenstellende Ergebnisse erzielbar wären.

Uns ist bewusst, dass wir über den innerparlamentarischen Betrieb allein keine Gesellschaft errichten werden können, die über den Kapitalismus hinausgeht. Dazu ist die breite Einbeziehung der gesamten Gesellschaft vonnöten, insbesondere organisierter außerparlamentarischer Oppositionsakteure.

Unser politischer Fokus liegt derzeitig auf der Beendigung der prekärsten Formen der Arbeitsverhältnisse, sowie einer Verbesserung der Einkommenssituation der arbeitenden Menschen in unserem Land. Wir sind davon überzeugt, dass die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen den Weg öffnet zu einer grundlegenden Umstrukturierung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Das heißt konkret eine Demokratisierung der Wirtschaft, die solche „leistungslosen Einkommen“, wie Sie sie benannt haben, nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt ermöglichen würde.

Wir lehnen theoretische Vorstellungen, die einen Zusammenhang zwischen steigendem revolutionärem Bewusstsein und zunehmender Verelendung der Bevölkerung in ein positives Verhältnis setzen, ab. Die Realität zeigt uns, dass eine Gesellschaft, deren arbeitende Bevölkerung immer weiter verarmt und prekarisiert wird, immer weniger Potenzial für Widerstand gegen den Kapitalismus aufzeigt. Wir wollen die Lebensqualität der arbeitenden Menschen in unserem Land erheblich verbessern und sind davon überzeugt, dass das die Grundlage für eine langfristige Überwindung des Kapitalismus hin zu einem demokratischen Sozialismus darstellt.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Susanne Schaper, MdL

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