Frage an Thomas Ulmer bezüglich Gesundheit

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Thomas Ulmer
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Frage von Claudia G. •

Frage an Thomas Ulmer von Claudia G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Dr. Ulmer,

danke für Ihre Antwort zum Thema Genmais 1507 (von mir fälschlicherweise als 1705 bezeichnet). Die Ausführungen über die Abstimmung bestätigen für mich als Verbraucher jedoch die Ohnmacht. Wieso hat Brüssel vorab keine Möglichkeit gehabt, auf die Entscheidung Einfluss zu nehmen? Wieso greift hier keine Demokratie? Bei einem so wichtigen Thema kann doch nicht nur aufgrund eines Gutachtens entschieden werden. Was ist mit einem Gegen-Gutachten? Ich fühle mich als Bürger und Verbraucher verraten und verkauft. Ich erwarte von der Politik dass unsere Bürgermeinung vertreten wird und nicht die der Lobbyisten. Das Ausmaß der Verseuchung durch Genmanipulationen ist unüberschaubar. Ebenso wie im übrigen die Privatisierung von Wasserquellen! Aus hier: Lobbyismus und Enteignung der Bürger. Gerne würde ich hier aktiver werden. Wie habe ich die Möglichkeit dazu? Können Bürger hier aktiv werden?

Mit freundlichem Gruß
Claudia Geppert

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Sehr geehrte Frau Geppert,

da es sich bei der Zulassung von Genmais 1507 um einen delegierten Rechtsakt handelt, unterscheiden sich die Einflussmöglichkeiten der europäischen Institutionen vom normalen Gesetzgebungsverfahren.

Delegierte Rechtsakte haben das Ziel, bestimmte Regelungen schneller umsetzen zu können. Hierfür übertragen die eigentlichen Gesetzgeber der Europäischen Union, das Parlament und der Rat, der Kommission eine eingeschränkte Gesetzgebungsbefugnis. Übertragen werden können grundsätzlich nur Rechtsakte ohne Gesetzescharakter, das heißt, hierbei handelt es sich zumeist um Detailregelungen technischer Art. Um diese Detailregelungen umzusetzen, erlässt die Kommission dann sogenannte Durchführungsbestimmungen. Vor der Vertragsänderung von Lissabon 2009 hatte das Europäische Parlament keine Möglichkeit, rechtsverbindlichen Einfluss auf diese Bestimmungen zu nehmen , sondern konnte lediglich eine Aufforderung an die beteiligten Institutionen aussprechen.

Bei der Zulassung des Genmais 1507 handelte es sich nun um eben solch ein Verfahren, denn die Firma Pioneer Hi-Bred, welche die Maissorte 1507 entwickelt hat, hatte bereits 2001 einen Zulassungsantrag bei der Kommission eingereicht. 2010 dann verklagte die Firma die Kommission, da keine fristgerechte Entscheidung über den Antrag erfolgt war. Das Gericht der Europäischen Union prüfte diese Klage und gab ihr im September 2013 Recht. Bevor die Kommission allerdings über die Zulassung entscheiden konnte, hat das Parlament am 16. Januar im Plenum abgestimmt und sich mehrheitlich gegen eine solche Zulassung ausgesprochen. Diese Aufforderung wurde dem Rat übermittelt, der am 11. Februar über die Zulassung abstimmte. Im Gegensatz zum Parlament, welches nur eine Aufforderung aussprechen konnte, hätte der Rat mit einer qualifizierten Mehrheit eine Zulassung ermöglichen oder eben auch verhindern können. Diese ist jedoch nicht zustande gekommen, 19 Mitgliedstaaten stimmen zwar gegen die Zulassung, diese Zahl reichte aber nicht aus für eine qualifizierte Mehrheit.
Bei Abstimmungen im Rat unterscheidet man zwischen einer einfachen und einer qualifizierten Mehrheit, sowie Entscheidungen, die einstimmig getroffen werden müssen. Bei einer einfachen Mehrheit hat jeder Mitgliedstaat eine Stimme und es wird die Alternative angenommen, die die meisten der abgegebenen Stimmen erhält. Bei einer Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit verfügt jeder Mitgliedstaat, gemessen an der Bevölkerungszahl, über eine festgelegte Anzahl an Stimmen. Dabei bekommen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien als bevölkerungsreichste Länder 29 Stimmen zugesprochen, Malta als Land mit der geringsten Bevölkerung noch 3. Die Gesamtzahl der Stimmen ist derzeit mit 345 festgesetzt. Die qualifizierte Mehrheit wird erreicht, wenn 255 von den 345 Stimmen (d.h. 73,9%) erreicht werden. Zudem müssen zusätzlich durch diese 255 Stimmen mindestens 62% der Gesamtbevölkerung der Union repräsentiert sein.
Diese Grenzwerte wurden in der Abstimmung des Rates zum Genmais 1507 nicht erreicht.
Dass Deutschland sich bei der Entscheidung enthalten hat lag an der Uneinigkeit in der Regierung, bei der keine demokratische Mehrheit für oder gegen eine Zulassung des Genmais zustande kam. In der Konsequenz hat sich Deutschland dementsprechend seiner Position enthalten.
Die Kommission muss nun selbst entscheiden, ob sie dem Genmais 1507 eine Zulassung erteilen will. Ihre Entscheidung macht sie dabei von der EFSA, der europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit, abhängig. Diese haben, ab dem Zeitpunkt als Pioneer Hi-Bred beim Gericht der Europäischen Union Klage eingereicht hat, verschiedene eigenständige Gutachten zum Risiko von Genmais 1507 durchgeführt und auch immer wieder Studien von anderen unabhängigen Instituten geprüft. Da aber bisher keine triftigen Gründe für ein erhöhtes Risiko oder gegen eine Zulassung nachgewiesen werden konnten, muss die Kommission den Anbau zulassen.

Dass es etwas bewirken kann, wenn europäische Bürger aktiv werden, hat sich jüngst erst bei der Diskussion um die Privatisierung von Wasser gezeigt. Mit fast zwei Millionen Unterschriften hat die europaweite Initiative "Right2Water" unter anderem erreicht, dass in der neuen Richtlinie zur Konzessionsvergabe, verabschiedet im Januar 2014, die Wasserversorgung als Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen wurde. Denn auch wenn die Richtlinie nicht automatisch eine Hintertür zur Privatisierung der Wasserversorgung war, so konnte doch eine deutliche Position bezogen werden, dass ein freier Zugang zu Wasser und eine sanitäre Grundversorgung Grundrechte sind und auch weiterhin in der Verantwortung der Kommunen bleiben müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Ulmer