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Ist es möglich im Bundestag nur faktenbasierte Reden/Redner zu zu lassen? Quellen vorab angeben statt nachträglicher Faktenchecks, die bei bestimmten Wählern ohnehin nicht ankommen.

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Volker Bajus
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Frage von Daniel O. •

Ist es möglich im Bundestag nur faktenbasierte Reden/Redner zu zu lassen? Quellen vorab angeben statt nachträglicher Faktenchecks, die bei bestimmten Wählern ohnehin nicht ankommen.

Sehr geehrter Hr. Bajus, Antidemokraten inhaltlich zu stellen ist ja anscheinend wohl nicht möglich. Doch wenn diese im Vorfeld ihrer Rede gezwungen werden Quellen (Studien, Statistiken, Aussagen, Verweis auf Grundgesetz) zu nennen für ihre oftmals gefühlte, hetzerische Realität, könnte man Vieles abfangen, bzw. im Keim ersticken. Bei Falschangaben, fehlendem Kontext drohen (auch im Nachhinein) Verwarnungen etc.

Jeder behauptet von sich die „Wahrheit“ zu sagen, doch nur so kann das auch gleich belegt werden. Weniger Arbeit für Faktenchecker und mehr Arbeit für Täuscher und Demokratiefeinde.

In jedem anderen Job muss man sich ständig auf gesicherte Fakten und Zahlen und Firmenphilosophie berufen. Das könnte sich sonst kein Unternehmen leisten – und schon gar nicht unser Bundestag. Vielleicht kommt man dadurch wieder zu den wirklichen Problemen unseres Landes und der Zukunft. Am Besten auch zur Lösung der Probleme.

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Antwort von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr O.,

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich verstehe Ihren Wunsch nach mehr Sachlichkeit, Wahrhaftigkeit und Verantwortungsbewusstsein in der politischen Debatte ausgesprochen gut. Viele Menschen erleben, dass populistische und bewusst verzerrte Darstellungen den öffentlichen Diskurs vergiften und wünschen sich zu Recht, dass im Parlament wieder stärker faktenbasiert diskutiert wird.

Allerdings ist die Sache nicht so einfach: Das Parlament ist ein Ort der freien Rede – und diese Redefreiheit ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Sie schützt nicht nur die „richtigen“ oder „vernünftigen“ Meinungen, sondern gerade auch die “andere” Meinung. Eine Pflicht, Quellen vor einer Rede einzureichen, würde zwar den Wunsch nach mehr Wahrhaftigkeit erfüllen, wäre aber mit dem Prinzip der freien Meinungsäußerung schwer vereinbar. 

Zudem geht es häufig um individuelle Meinungen, um Einschätzungen und Abwägungen. Diese sollten natürlich auf Fakten beruhen, sind aber ihrem Charakter nach subjektiv.

Auch deswegen sind Abgeordnete in ihren Entscheidungen und ihrer Rede nur ihrem Gewissen unterworfen – nicht einer vorherigen inhaltlichen Kontrolle. Der Schutzraum der freien Rede soll verhindern, dass eine Mehrheit entscheidet, was als „wahr“ oder „falsch“ gesagt werden darf. Wenn eine Instanz., z.B. die Parlamentspräsidentin festlegen würde, wer sprechen darf oder welche Aussagen als legitim gelten, wäre das Zensur, etwas, das einer Demokratie zu wieder läuft.

Aber: Eine Demokratie darf und muss ihre Werte verteidigen. Das heißt, es braucht klare Grenzen. Die sind dort, wo Hassrede, Volksverhetzung oder gezielte Desinformation die Grundlagen des demokratischen Miteinanders untergraben. Hier sind Faktenchecks, Gegenrede, politische Bildung und wissenschaftliche Grundlagen wichtig. 

Ich teile daher das Ziel Ihres Anliegens voll und ganz – wir brauchen mehr Ehrlichkeit und weniger Populismus. Aber der Weg dahin führt nicht über formale Redeverbote, sondern über eine Stärkung der demokratischen Kultur: Aufklärung, Transparenz, Medienkompetenz und den Mut, Falschaussagen immer wieder offen zu widersprechen. 

Mit freundlichen Grüßen

Volker Bajus

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