Frage an Volker Wissing von Manfred B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wissing,
meine Frage an Sie betrifft ein aktuelles Thema, das mir noch kein Politiker verständlich erklären konnte.
Warum können sich die Staaten der Europäischen Union nicht über die EZB finanzieren, sondern müssen den Umweg über Banken machen? Wo steht das geschrieben dass das so sein muß?
Allein Deutschland könnte sich so einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag an Zinszahlungen einsparen. Andere Länder könnten sich konsolidieren. Der angenehme Nebeneffekt wäre, die Politik wäre nicht mehr in dem Maße Spielball von drei privaten amerikanischen Ratingagenturen, wie es aktuell gerade Moodys wieder praktiziert mit der Herabstufung von Portugal.
Ist die gegenwärtige Staatsfinanzierung nicht in Wahrheit ein riesiges Subventionsprogramm für Banken? Und warum lassen Sie das zu? Oder stellen Sie sich diese Frage gar nicht?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 6. Juli 2011.
Nur in Krisensituationen gehen Notenbanken dazu über, Anleihen ihrer Staaten aufzukaufen. Die US-Notenbank hat amerikanische Staatsanleihen gekauft, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Die Europäische Zentralbank hat Anleihen einiger bedrohter Eurostaaten aufgekauft, um den Anleihenmarkt stabil zu halten. Eine solche Maßnahme birgt aber stets die Gefahr einer Inflation, da die Geldmenge dadurch erhöht wird. Die Notenbank stellt den Staaten Geld zur Verfügung, welches die Märkte diesen bereits verweigern bzw. nur noch gegen horrende Zinssätze leihen würde. Dadurch wird zwar die Insolvenz des Staates verzögert, dass Vertrauen in seine Währung aber untergraben, da sie nicht länger als unabhängig wahrgenommen wird. Wenn diese Maßnahmen nicht sehr verantwortungsbewusst gehandhabt werden, dann gerät damit sehr schnell die Geldwertstabilität in Gefahr und die Inflation wird gefördert. Ein Anleihenkauf durch die Notenbank kann daher kein "normales" Mittel der Refinanzierung der Staaten sein. In einem normalen Marktumfeld haben die steigenden Zinsen, die ein Staat im Falle einer schlechteren Bonität für seine Anleihen zahlen muss, eine wichtige Funktion. Sie wirken gewissermaßen als Schuldenbremse auf den Staat und erhöhen den Druck zur Haushaltskonsolidierung. Diesen Mechanismus dauerhaft außer Kraft zu setzen, hieße, die Staatsverschuldung weiter zu erhöhen und die Geldwertstabilität zu gefährden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB