Frage an Volker Wissing von Heike K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Wissing,
als Landauer Abgeordneten und Mitglied des Finanzausschusses möchte ich Ihnen drei Fragen zum Banken-Rettungspaket stellen:
1. Es wird immer wieder betont, dass der Großteil der rund 500 Mrd. € von den Banken nicht in Anspruch genommen werden wird. Allerdings wird auch davon ausgegangen, dass rund 100 Mrd. € tatsächlich verlustig gehen (80 Mrd. € durch die direkte finanzielle Unterstützung der Banken, 20 Mrd. € durch Bürgschaften, für die tatsächlich aufgekommen werden muss). Richtig?
Wenn ja: Woher kommen diese 100 Mrd. €? Ich nehme an, sie werden aus Steuergeldern finanziert - die beinahe einzige Einnahmequelle des Bundes. Steuergelder vermehren sich ja aber leider nicht von alleine. In welchen Bereichen werden diese Steuern abgezogen?
2. Eine Bürgschaft verstehe ich so: Wenn der, für den gebürgt wird, nicht zahlen kann, zahlt der Bürge. Das soll in der aktuellen Situation v.a. Vertrauen herstellen. Es wird z.Zt. nicht davon ausgegangen, dass der Staat tatsächlich in die Pflicht genommen wird (Ausnahme: die o.g. 20 Mrd. €). Wenn eine Bank aber trotz Bürgschaft bankrott geht, müssten deren Ausstände vom Staat (= vom Steuerzahler) beglichen werden. Richtig?
Wenn ja: Was passiert, wenn die Bürgschaften doch in einem höheren Maß fällig werden als bisher geschätzt? Angenommen, die Banken nehmen das Geld tatsächlich in Anspruch und lassen den Bürgen zahlen (und ausgeschlossen ist das m.E. nicht, denn die Gier ist hier deutlich größer als das gesellschaftliche Verantwortungsgefühl): Wie sollte das finanziert werden?
3. Wer bestimmt, welche Bank von dem Rettungspaket profitiert? Entscheiden das einige wenige Leute "frei Schnauze", gibt es ein Kontrollgremium, muss der Bundestag seine Einwilligung geben? Hat der, der das Geld zur Verfügung stellt (nämlich der Steuerzahler), auch ein Mitspracherecht?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort!
Mit freundlichem Gruß
Heike Koch
Sehr geehrte Frau Koch,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 20.10.2008.
Zunächst einmal ist eines voraus zu schicken: Die FDP im Deutschen Bundestag sieht das Finanzmarktstabilisierungsgesetz als notwendig zur Stabilisierung des Finanzmarkts an. Ziel des Gesetzes ist eine dauerhafte Gefährdung für den heimischen Finanzplatz, die Realwirtschaft und damit aller Bürgerinnen und Bürger in Deutschland abzuwenden. Das Gesetz dient damit auch der Sicherung der sozialen Marktwirtschaft als freiheitlich-demokratische Wirtschaftsordnung.
Mit dem Gesetz soll neues Vertrauen zwischen Finanzinstituten, Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern geschaffen werden. Letztlich geht es darum, die volle Funktionalität des Finanzwesens wieder herzustellen. Hierzu zählen vor allem die Sicherung von privaten Sparguthaben bei deutschen Banken und die Bereitstellung von Kapital, um den Interbankenhandel wieder in Gang zu bringen.
Die FDP hat durchaus inhaltliche Bedenken gegen einzelne Regelungen des Gesetzentwurfs. Diese haben wir auch vorgetragen und in einem eigenen Entschließungsantrag formuliert, den wir im Bundestag zur Abstimmung gestellt haben. Letztlich sind wir aber zu dem Ergebnis gelangt, dass es keine verantwortbare Alternative zur Zustimmung zu dem Gesetzentwurf gab.
Zu Frage 1:
Die Nothilfemaßnahmen sehen zunächst einmal wie folgt aus: Die Bundesregierung richtet einen Finanzmarktstabilisierungsfonds ein. Dabei handelt es sich um ein Sondervermögen des Bundes, das nicht im regulären Haushalt geführt wird. Das Geld für den Fond soll durch die Ausgabe von Schuldverschreibungen bis maximal 100 Mrd. Euro aufgebracht werden. Diese Schuldverschreibungen werden als normale Wertpapiere am Geldmarkt gehandelt.
Um den Banken die Refinanzierung wieder leichter zu machen, kann der Fonds neu gegebene Refinanzierungsinstrumente mit einer Laufzeit von bis zu 36 Monaten absichern. Zu diesem Zweck kann er Garantien bis zu einer Gesamthöhe von 400 Mrd. Euro zur Verfügung stellen. Da einige von diesen Finanzierungen voraussichtlich ausfallen werden, kalkuliert die Bundesregierung mit einer Ausfallquote von fünf Prozent. Deshalb trifft sie Vorsorge für 20 Mrd. Euro, die im Haushalt abgesichert werden. Für die gewährten Garantien müssen die Banken eine Gebühr bezahlen, die sich nach dem jeweiligen Risiko richtet. Die Untergrenze soll zwei Prozent im Jahr betragen. Die Rückstellungen in Höhe von 20 Mrd. € im Bundeshaushalt können durchaus zu einer erhöhten Neuverschuldung führen und somit auch zu höheren Steuern. Die Alternative wären aber noch größere Risiken für die Realwirtschaft und damit mittelbar für den Bundeshaushalt.
Zu Frage 2:
Ich teile Ihre Bedenken. Durch die Etablierung des „Finanzmarktstabilisierungsfonds“ und die Ausstattung mit öffentlichen Mitteln durch Garantien in Höhe von 400 Mrd. Euro und Liquiditätshilfen von bis zu 100 Mrd. Euro wird ein maximales Risiko für die öffentliche Hand von bis zu 500 Milliarden Euro geschaffen. Dies entspricht über 30 Prozent der gegenwärtigen Staatsschulden von Bund, Länder und Gemeinden von 1,48 Billionen Euro. Damit werden die Bremsen für die Staatsverschuldung in Deutschland gelöst. Ein ausgeglichener Haushalt ist somit in absehbarer Zeit bei gleichbleibenden Ausgaben nicht mehr zu erreichen. Hier liegen mittel- und langfristig die eigentlichen Probleme. Deshalb muss - abgesehen von Krisenfällen – ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Ich vertrete nach wie vor die Forderung nach einem prinzipiellen Verschuldungsverbot. Ausnahmen sollten nur zur Abwendung von Gefahren in Notlagen gemacht werden.
Zu Frage 3:
Der Staat ist nicht verpflichtet, einzelnen Instituten zu helfen. "Ein Rechtsanspruch auf Leistungen des Fonds besteht nicht", heißt es im Gesetzentwurf ausdrücklich. Der Bundesfinanzminister entscheidet über die Hilfen "nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Bedeutung des jeweils von der Stabilisierungsmaßnahme erfassten Unternehmens des Finanzsektors für die Finanzmarktstabilität, der Dringlichkeit und des Grundsatzes des möglichst effektiven und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des Fonds". Eine Identifizierung von "systemrelevanten" Banken gibt es im Gesetz bewusst nicht, weil man in Deutschland keine Schlechterstellung bestimmter Banken will.
Wenn eine Bank Kapital vom Staat braucht, muss sie im Gegenzug mit Auflagen rechnen, etwa bei der Geschäftsausrichtung, der Managementvergütung oder der Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen. Bundesfinanzminister Steinbrück will in solchen Fällen die Vorstandsgehälter auf 500.000 Euro pro Jahr begrenzen sowie Boni, Abfindungen und Dividendenzahlungen untersagen.
Darüber hinaus besteht für die FDP im Deutschen Bundestag in vielen weiteren Bereichen des Finanzmarktes Handlungsbedarf. Dazu gehören u.a.
- gesetzliche Regelungen für die Auflösung des Finanzmarktstabilisierungsfonds,
- eine grundlegende Reform der nationalen Bankenaufsicht, die eine Eingliederung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in die Deutsche Bundesbank vorsieht und damit nicht der Fach- oder Rechtsaufsicht der Bundesregierung untersteht
- ein europäisches Aufsichtsregime für international tätige Banken.
Die Bundesregierung muss sich intensiver als bisher und mit anderen EU-Staaten abstimmen und für kontinentaleuropäische Bilanzierungsstandards einsetzen. Diese haben eher das Gläubigerinteresse im Fokus als die auf das Investoreninteresse abhebenden, sehr stark amerikanisch geprägten Bilanzierungsstandards.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing, MdB