Bleiben Sie auch weiterhin beim „Nein“ zum 9-Euro-Ticket, Tempolimit, usw trotz des vernichtenden Urteils des Klima-Expertenrates im Verkehrsbereich? Wie sollen die Klimaziele erreicht werden?
Sehr geehrte Frau Z.,
das Erreichen der Klimaschutzziele ist der Bundesregierung sehr wichtig. Um bis 2030 schädliche Emissionen um mindestens 65% zu reduzieren, muss viel passieren.
Jeder Weg, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt wird, bringt uns diesem Ziel etwas näher. Ein „Nein“ zum 9-Euro-Ticket war nie meine Position - das Ticket war mein Vorschlag, mit dem ich eine aus meiner Sicht sehr positive Reform des Nah- und Regionalverkehrs angestoßen habe. Nach der Einführung hat sich der Stau in 23 von 26 untersuchten Städten reduziert. Menschen sind vom Auto auf Bus- und Bahn umgestiegen und der ÖPNV war von heute auf Morgen in aller Munde. Bus- und Bahnfahren – das war für viele Teil dieses Sommers. Die wichtigste Lehre für mich: Wenn die komplexen Tarifzonen verschwinden und die Tickets bundesweit gelten, wird der ÖPNV sehr viel stärker genutzt. Das Neun-Euro-Ticket war vor allem so erfolgreich, weil es unkompliziert war. Und: Es war trotz Problemen die beste und effektivste Werbung für den ÖPNV, die wir uns hätten wünschen können.
Das extrem beliebte 9-Euro-Ticket aus dem Sommer bekommt jetzt einen nachhaltigen Nachfolger. Darauf habe ich in den vergangenen Monaten hingearbeitet. Im monatlich kündbaren Abo für 49 Euro im Monat kann man dann im ganzen Bundesgebiet die Nahverkehrsangebote nutzen. Ohne zusätzliche Fahrkarten, ohne regionale Unterschiede. Der spontane Umstieg oder die spontane Fahrt wird so leicht wie noch nie und die Bedeutung des ÖPNV als Verkehrsträger sowie die modulare Mobilität werden ganz massiv gestärkt. Davon profitiert unsere Umwelt, davon profitieren Pendler und davon profitieren sämtliche Nutzer des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Für unser Ziel, mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, habe ich zudem für ein hochleistungsfähiges Netz eine Generalsanierung der Schieneninfrastruktur nach einem neuen Modell auf den Weg gebracht. Erstmals werden alle Arbeiten, die im Lauf der nächsten Jahre auf einer Strecke anstehen würden, nicht mehr nach und nach abgearbeitet, sondern auf einen Schlag mit einer einzigen Streckensperrung. Entsprechend müssen wir vor so einer Streckensperrung sicherstellen, dass wir gute Umfahrungsstrecken haben – die wir gegebenenfalls rechtzeitig ertüchtigen und elektrifizieren müssen. Nach der Streckensperrung aber sind dann auf mehrere Jahre hinaus keine Baumaßnahmen mehr nötig. Sprich: Im Idealfall haben wir in Zukunft jahrelang freie Fahrt. Ich bin überzeugt: Wenn wir auf diese Weise schrittweise die vielbefahrenen Korridore sanieren, technisch aufrüsten und digitalisieren, kann die Bahn mit der hinzugewonnenen Kapazität endlich wieder zu einem Verkehrsmittel werden, das die Menschen gern nutzen – weil es praktisch, verlässlich, pünktlich, komfortabel, klimafreundlich und bezahlbar ist.
Auch bei der Elektromobilität, dem Ladeinfrastrukturnetz und klimaneutralen Antriebsarten für die Bestandsflotten machen wir große Fortschritte. Zudem fördern wir Wasserstoff-Technologien mit einem breiten Förderangebot und unterstützen den intermodalen Verkehr, also die effektive Kombination mehrerer Verkehrsträger.
Wir stehen vor sehr großen Herausforderungen. Ich hoffe, mit meiner Antwort konnte ich Ihnen zeigen, dass wir diesen etwas entgegensetzen: Mit der Vergrößerung der Kapazitäten des Schienenverkehrs, einem modernen und günstigen universellen Nahverkehrsticket und klimaneutralen Antriebslösungen auf der Straße und sobald möglich auch im Flugverkehr machen wir den Verkehrssektor fit für die Zukunft.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Volker Wissing