Frage an Volkmar Vogel bezüglich Finanzen

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Volkmar Vogel
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Frage von Lutz E. •

Frage an Volkmar Vogel von Lutz E. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Vogel!
Als mein Bundestagsabgeordneter wende ich mich mit 9 Fragen eines besorgten Bürgers an Sie:

1. Überträgt das ESM-Gesetz nicht nationale Kompetenzen an eine demokratisch nicht kontrollierbare Institution?
2. Stimmt es, dass das Kollektivhaftungsverbot im Lissabonvertrag durch einen Zusatz zu Artikel 136 aufgehoben wird?
3. Gibt es für die Staaten eine Austrittsklausel aus dem ESM oder haften wir, unsere Kinder und Kindeskinder ohne Wahlmöglichkeit und unbegrenzt für die Schulden anderer?
4. Welche staatlichen Normen, Aufsichts- und Kontrollvorschriften gelten für den ESM, unterliegt er Regulierungs- und Lizenzierungspflichten wie andere Banken?
5. Wer setzt die Bezüge für das Personal des ESM fest und welcher Gerichtsbarkeit unterliegt das Personal?
6. Kann der ESM Anleihen kaufen und damit das Verbot der Zentralbankfinanzierung von Staatsschulden aushebeln?
7. Ist es dem ESM möglich jederzeit sein Stammkapital durch Beschluss des "Gouverneursrates" zu erhöhen und damit das Haftungsrisiko des Steuerzahlers?
8. Stimmt es, dass die Staaten dann binnen sieben Tagen zahlen müssen und wird damit nicht das Budgetrecht des Bundestages ausgehebelt?
9. Ist es so, dass im obigen Fall, bei Ausfall eines Zahlers (Landes) die anderen einspringen müssen und was bedeutet es für Deutschland, wenn alle anderen ausfallen?

Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Antwort, die hoffentlich zu meiner Beruhigung beitragen wird und verbleibe mit freundlichen Grüßen

Lutz W. Eichler

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CDU

Sehr geehrter Herr Eichler,

herzlichen Dank für ihr Fragen über Abgeordnetenwatch.de vom 29.05.2012 zum geplanten ESM, die ich wie folgt beantworten kann:
zu Frage 1) Nein, es wird sehr weitgehende Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestags geben.
zu Frage 2) Nein, das Bail-Out-Verbot des Artikel 125 AEUV gilt unverändert fort. Es wird durch die Sonderreglung des Artikel 136 Abs. 3 AEUV lediglich für Notfallmaßnahmen ergänzt. Einer weiteren Klarstellung bedarf es aus Rechtsgründen nicht. Es gibt keine gesamtschuldnerische Haftung.
zu Frage 3) Es gibt keine Ausstiegsklausel, alle Euro-Staaten sind Mitglieder des ESM. Gäbe es diese, bestünde die Gefahr, dass immer weniger Staaten die Lasten und Risiken zu schultern hätten.
zu Frage 4) Kontrolle und Prüfung des ESM sind in den Artikeln 27-30 des ESM Vertrags geregelt. Der ESM ist keine Bank.
zu Frage 5) Artikel 32-35 des ESM-Vertrags regeln diese Fragen.
zu Frage 6) Der ESM hat mit einer Zentralbank nichts zu tun. Er hat keine Bankenlizenz und kann kein Geld schöpfen. Für seine Hilfsprogramme muss er sich selbst am Kapitalmarkt refinanzieren.
zu Frage 7) Sollte der Gouverneursrat gemäß Art. 10 ESM-Vertrag eine Erhöhung des Stammkapitals beschließen wollen, bedarf es erst einer gesetzlichen (!) Genehmigung durch den Deutschen Bundestag, bevor der deutsche Vertreter im Rat dem zustimmen dürfte. Sein Nein verhindert im Gouverneursrat eine Entscheidung ("Blockademinorität").
zu Frage 8) Reguläre Kapitalabrufe stehen wie alle wesentlichen Entscheidungen des ESM unter dem Einstimmigkeitsprinzip. Deutschland kann also mit einem Nein solche Entscheidungen verhindern. Es gibt allerdings eine besondere Form von Kapitalabrufen im ESM (geregelt in Art. 9 Abs. 2 und 3 des ESM-Vertrags), bei denen das Einstimmigkeitsprinzip aufgehoben ist. Sollten Fälle auftreten, in denen dem ESM selbst Verluste oder sogar seine Zahlungsunfähigkeit drohen – und damit seine Existenz bedroht wäre – sind Kapitalabrufe zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des ESM einfacher möglich. Aber auch in diesen Fällen wären Kapitalabrufe nur im Rahmen des durch die Einrichtung des ESM bereits durch die Parlamente genehmigten Kapitals möglich. Die Haftung eines jeden Mitglieds des ESM ist in jedem Fall streng auf diese Summe begrenzt (Deutschland 190 Mrd. €).
zu Frage 9) Beim ESM gibt es kein "stepping-out" wie beim EFSF, Programmländer bleiben also mit ihrem Kapital am ESM beteiligt. Art. 25 des ESM-Vertrags sieht eine temporäre Verlustausgleichspflicht vor, alle ESM-Mitglieder haben aber ihre Schulden gegenüber dem ESM zu begleichen. Die deutsche Haftung ist in jedem Fall auf 190 Mrd. € begrenzt.
Ich hoffe, Ihnen damit geholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr

Volkmar Vogel, Mitglied des Deutschen Bundestages