Frage an Walter Zägelein bezüglich Bildung und Erziehung

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Walter Zägelein
FREIE WÄHLER
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Frage von Manfred W. •

Frage an Walter Zägelein von Manfred W. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Zägelein,

als Hochschullehrer sind Sie doch sehr mit dem Thema ´Schulen in Bayern´ befasst.

1. Mich interessiert sehr was Sie und Ihre Partei beim aktuellen G8 baldmöglich ändern und verbessern würden, damit die Probleme und Fehler durch die überstürzte G8-Einführung in Bayern bestmöglichst für unsere Kinder gelöst werden?

2. Warum werden unsere bayer. Hauptschulen so sträflich vernachlässigt (z.B. Budget, Lehrer, …). Sind unsere Kinder in den bayer. Hauptschulen nur Kinder 3. Klasse??

3. Sollten wir in Bayern nicht wieder die Studiengebühren abschaffen, damit sich auch Studenten mit einem ‚kleinen’ Geldbeutel ein Studium leisten können?
Oder brauchen wir so dringend diese als ‚billige’ Arbeitskräfte z.B. in der Gastronomie ;-)

Vielen Dank schon mal im voraus für Ihre Antworten dazu.

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Antwort von
FREIE WÄHLER

Sehr geehrter Herr Weidhausser,

diese von Ihnen erkannten Probleme treiben auch mich um. Ich will mal versuchen Ihnen in aller Kürze zu antworten:

Zu 1)
Das frühere G9 hat schon eine hohe Leistungsdichte gehabt, so dass es keinen Grund gibt diese mit der Einführung des G8 zu erhöhen. Ich habe das G9 zusammen mit meiner Tochter erlebt, so dass mir die dortigen Verhältnisse wohlbekannt sind. Mit dem Beschluss das Abitur in 8 Jahren zu machen, muss bei gleicher Leistungsdichte der Lernstoff gekürzt werden. Dies ist eine einfache Tatsache, aber offenbar für manche Ministerialbürokraten nicht nachvollziehbar. Hierzu genügt die Anwendung des Dreisatzes. Es muss gekürzt werden und keiner soll mir sagen, dass das nicht geht. Diese Aufgabe würde ich mit größtem Vergnügen selbst durchführen wollen. Es geht!
Weiterhin sollte man auch mal langsam daran denken, dass der Frontalunterricht zwar durchaus seinen Platz hat, aber man sollte auch den Mut aufbringen flächendeckend andere Lernformen mit heranzuziehen. Ich denke da an Gruppenarbeit, Projektarbeit, Freiarbeit und dergleichen. Das ist teilweise schwieriger zu organisieren; aber es bringt den Schülern mehr. Ich kann dies auch ganz deutlich an der Hochschule feststellen. Man hat immer Angst, dass durch die Bearbeitung eines konkreten Projektes irgendein Detail, das im Lehrplan steht, zu kurz kommt. Auf diese andere Weise bleibt aber bei den Schülern mehr hängen.
Wichtig ist für mich auch noch die Vertiefung des gelernten Lehrstoffes. Traumhaft wäre auch ein rhythmisierter Ganztagesunterricht (ohne dass die Stofffülle erhöht wird), aber hierzu müssten an den meisten Schulen erst noch die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Aber daran sollten wir arbeiten.
Also nochmals zusammenfassend: Sofort Lehrstoff kürzen bei gleichzeitiger Einführung neuer individuellerer Lernmethoden. Lernen muss auch Spaß machen können.

Zu 2)
Wenn ich Ihre Frage korrekt beantworten will, muss ich sagen: "Fragen Sie die Regierungspartei, die machen dies nicht erst seit gestern." Weitere Antwort: "Ja, sie sind es".
Aber auch bei diesem Problem kann ich mitreden. Mein jüngster Sohn ist auf der Hauptschule und kommt demnächst in die 9. Klasse.
Schauen Sie doch mal in die 4. Klasse der Grundschule. Dort wird nicht nur gerechnet, geschrieben und gelesen, dort wird auch ausgelesen und ausgesiebt. Alle Eltern wollen, wenn es nur geht, die Hauptschule umgehen. Mindestens die Realschule sollte es schon sein. Die Akzeptanz der Hauptschule geht in der Bevölkerung gegen Null. Aber was macht man, wenn man ein Kind hat, welches in die anderen Schularten nicht passt? Hinzu kommt, dass durch den Quali die anderen, die diesen auch nicht schaffen, noch weiter abgewertet werden und damit die Chance eine Lehrstelle zu finden fast gleich Null ist.

Durch Pisa wird ja bestätigt, dass unsere Gymnasiasten international durchaus zu den Besten gehören. Das Problem sind die anderen. Pisa hat speziell das weite auseinanderklaffen zwischen starken und schwachen Schülern festgestellt. Ich möchte mithelfen, die Schere zwischen guten und schwächeren Schülern zu schließen. Um dies zu tun, muss man sich besonders um die schwächeren kümmern. Die guten sind im Gymnasium, (wenn die oben genannten Dinge geregelt sind) gut aufgehoben. Deshalb träume ich von einem zweigliedrigen Schulsystem mit mehreren variablen Abschlüssen. Der gymnasiale Zweig soll durchaus bestehen bleiben. Aber der andere Zweig hat für den gesamten Rest da zu sein. Die Abschlüsse dieses zweiten Zweiges wären in meinen Träumen:

1. Befähigung zur Lehre bzw. Beruf
2. Mittlere Reife
3. Fachabitur
4. Uneingeschränkte Hochschulreife

Da ist für jeden etwas dabei, da wird niemandem etwas verbaut, da kann einer auch erst eine Lehre machen und dann weiterlernen, da muss sich niemand mit 10 Jahren entscheiden, da kann ein durch die Pubertät eingetretener Leistungseinbruch nach der Neuordnung der Hormone wieder fortgesetzt werden, da kann jemand individuell aufhören und weitermachen, wann er will. Dieser Weg dauert sicher zwei bis drei Jahre länger bis zum gleichen Endziel, aber es gibt schließlich auch Spätentwickler. Vergleichen Sie dies mit der Bahnverbindung zwischen Nürnberg und München. Der ICE fährt auf der neuen Trasse ohne einmal zu halten die Strecke in knapp einer Stunde. Der Regionalexpress fährt auf derselben Trasse, fährt langsamer, hält mehrfach zum Ein- und Aussteigen und kommt schließlich eine dreiviertel Stunde später auch in München an. Es geht schließlich auch um die Überlebensfähigkeit einer alternden Gesellschaft. Wir brauchen jedes Kind. Wir wollen und müssen eine Wissensgesellschaft sein. Wir haben keine Rohstoffe.
Bitte schreiben Sie mir, ob ich weiter träumen soll. Der Widerstand der aktuellen Bildungseinrichtungen ist mir jetzt schon sicher.

Zu 3)
Ich kann bestätigen, dass durch die Studiengebühren die finanzielle Situation an den Hochschulen merkbar besser geworden ist. Das heißt, die Gelder kommen an und sie werden auch zur Verbesserung der Lehre verwendet. Das ist wirklich so.
Aber sowohl ich, als auch die Freien Wähler in ihrer Gesamtheit, wollen die Studiengebühren wieder abschaffen. Stellen Sie sich vor, Sie haben drei Kinder und jedes studiert womöglich in einer anderen Stadt. Können Sie sich das leisten?. Ich kann es nicht! Logische Folge ist zumindest die Abschaffung der Studiengebühr. Die Befreiung von der Studiengebühr sollte jedoch nur für den Zeitraum der Regelstudienzeit während des Erststudiums gelten. Danach wird kassiert. Das hat eine unglaubliche steuernde Wirkung, die man nutzen sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Walter Zägelein