Frage an Wolfgang Stefinger

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Wolfgang Stefinger
CSU
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Frage von Rose H. •

Frage an Wolfgang Stefinger von Rose H.

Sehr geehrter Herr Stefinger,

könnten Sie bitte die persönlichen Beweggründe erlautern, welche Sie veranlasst haben, für den Einsatz deutscher Streitkräfte in Syrien zu stimmen.
Der Einsatz verstösst gegen unser Grundgesetz wie Sie wissen, er setzt Leben/Gesundheit unserer Soldaten auf´s Spiel, er erhöht zusätzlich die Gefahr von Racheakten, um nur einige Punkte zu nennen.
Hinzu kommt, dass sämtliches "westliches Eingreifen" im mittleren Osten die Länder Iraq, Lybien und auch Afghanistan in immenses Chaos und Leid gestürzt haben.
Bitte, erklären Sie Ihr Abstimmungsverhalten.

Mit freundlichen Grüssen

Rose Hundal

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Hundal,

nach den verheerenden Terroranschlägen von Paris hatte Frankreich Deutschland und seine Verbündeten um militärische Unterstützung gebeten. Die Entscheidung für den Bundeswehreinsatz ist mir und meinen Kollegen keineswegs leicht gefallen. Das konnte man auch bei der intensiven Debatte im Bundestagsplenum deutlich sehen. Gewiss ist der Terror nicht alleine durch militärische Mittel zu besiegen. Wir müssen die Wurzeln des Terrors ausheben – auf politischer und gesellschaftlicher Ebene, in enger Zusammenarbeit mit der internationalen Staatengemeinschaft. Wir müssen größere Anstrengungen unternehmen, um die Region nachhaltig zu stabilisieren, was angesichts der komplizierten Gemengelage und den unterschiedlichen Interessen der Regionalmächte allerdings nicht einfach ist. Wahr ist aber auch: Verhandlungen mit der durch ihre Brutalität hervorstechenden Terrormiliz IS sind zwecklos, denn der IS verfolgt das folgende Ziel: Die rücksichtlose Unterwerfung der Menschen unter seine radikal-islamistische Ideologie – ohne Kompromisse. Wie sich mit einer solchen Organisation ein Dialog führen, geschweige denn eine friedliche Lösung erreichen lässt, stellt selbst eingefleischte Friedens- und Konfliktforscher vor ein Rätsel. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International haben in zahlreichen Berichten detailliert die Verbrechen des IS beschrieben. Der IS hat in den letzten Jahren weite Teile des Iraks und Syriens unter ihre Kontrolle gebracht, tausende Menschen gefoltert, ermordet – darunter durch Enthauptungen und Verbrennen bei lebendigem Leib – und versklavt und ein regelrechtes Terrorregime errichtet. Er ist zudem verantwortlich für Massenvergewaltigungen und für die Zerstörung historischer Stätten, ja er strebt sogar die Auslöschung des kulturellen Erbes einer ganzen Region an. Dieser Terror ist auch eine der Hauptursachen für die großen Flüchtlingsströme, die wir derzeit erleben.

Frankreich, einer unserer wichtigsten Partner und engsten Verbündeten, hat als Reaktion auf die Anschläge vom 13. November alle EU-Mitgliedstaaten um Beistand nach der EU-Beistandsklausel (Art. 42 Abs. 7 des EU-Vertrages) gebeten. Seit dem deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von 1963, der einen wichtigen Schritt zur deutsch-französischen Aussöhnung war, sind wir Frankreich in besonderer Weise verbunden. Frankreichs Ruf können wir daher nicht einfach ignorieren. Und Deutschland als größter Staat in der EU kann die internationale Völkergemeinschaft bei ihrem Kampf gegen den menschenverachtenden IS nicht einfach im Stich lassen. Wir müssen gemeinsam vor Ort tätig werden. Einfach nur zuzuschauen, wie Menschen getötet werden, ist die schlechteste aller Lösungen. Ich sage das auch aus christlicher Verantwortung und für mich ist es auch eine zentrale Lehre aus der deutschen Geschichte. Wo derartiges Unrecht geschieht, dürfen wir nicht untätig bleiben. Wir müssen mit militärischen Mitteln dafür sorgen, dass der IS sich nicht noch weiter ausbreitet und die gesamte Region ins Chaos stürzt.

Die Bekämpfung des IS umfasst aber keineswegs nur militärische Mittel, sondern auch diplomatische, entwicklungspolitische und polizeiliche. Der wichtigste Pfeiler sind die Wiener Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien. Ziel ist es, eine Verständigung zwischen der verhandlungsbereiten Opposition und dem Regime in Syrien erreichen und wichtige regionale Akteure ins Boot zu holen. Dies wird ein schwieriger Prozess sein, aber wir müssen ihn konsequent weiterverfolgen. Der Aufbau- und Versöhnungsprozess ist genauso wichtig wie der militärische Schritt. Die Fehler, die der Westen im letzten Jahrzehnt im Nahen und Mittleren Osten begangen hat, dürfen sich nicht wiederholen Ferner müssen wir die Finanzquellen des IS austrocknen. Daneben erhöhen wir die humanitäre Hilfe für Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak auf eine Mrd. Euro. Zudem werden wir noch entschlossener gegen IS-Propaganda in sozialen Netzwerken vorgehen.

Die völkerrechtliche Grundlage des Bundeswehreinsatzes in Syrien ist gegeben. Rechtsgrundlage ist Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen (Recht auf kollektive Selbstverteidigung). Die Vereinten Nationen sind ein System kollektiver Sicherheit im Sinne unseres Grundgesetzes. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ist anerkannt, dass sich ein Staat (auch mithilfe anderer Staaten) gegen Angriffe eines internationalen Terrornetzwerks verteidigen darf. Für die Ausübung des Selbstverteidigungsrechts ist es nicht erforderlich, dass stets eine ausdrückliche Sicherheitsratsresolution nach Kapitel VII der UN-Charta vorliegt. Ansonsten wäre die Bestimmung des Art. 51 der UN-Charta überflüssig. Das Selbstverteidigungsrecht besteht vielmehr so lange, bis es dem Sicherheitsrat gelingt, mittels einer Kapitel-VII-Resolution die internationale Sicherheit wiederherzustellen. Dies ist bislang nicht erfolgt. Verstärkende Legitimationswirkung für die Ausübung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts entfaltet die Sicherheitsratsresolution 2249. Sie ist zwar keine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta, stellt aber mit den Formulierungen des Kapitel VII fest, dass der IS eine Bedrohung für den Frieden und die internationale Sicherheit ist. Daher ruft der Sicherheitsrat die Staaten dazu auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Terrorakte des IS zu verhindern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang Stefinger
Mitglied des Deutschen Bundestages

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