Wenn die Bundesregierung dem Parlament, als dem zuständigen Kontrollgremium etwas verschweigt, bricht sie die Verfassung. Sollte das nicht Folgen haben?

Portrait Dr. André Hahn
André Hahn
DIE LINKE
95 %
20 / 21 Fragen beantwortet
Frage von Jochen T. •

Wenn die Bundesregierung dem Parlament, als dem zuständigen Kontrollgremium etwas verschweigt, bricht sie die Verfassung. Sollte das nicht Folgen haben?

Sollten die zuständigen Minister nicht zurücktreten und entsprechende Strafverfahren eingeleitet werden?
Ein Rechtsstaat erodiert, wenn es nicht ein Recht gibt, sondern je nach Gusto, mal die Einen, dann die Anderen machen können, was sie wollen. Es geht um den Kauf der Pegasus Software von Israel, die viel mehr kann als die Verfassung hergibt.
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-10/pegasus-spionage-software-bnd-kaeufer-einsatz-israel

Portrait Dr. André Hahn
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr T.

zunächst vielen Dank für ihre Frage. Zudem bitte ich um Verständnis, dass ich erst jetzt antworte.

Da ich zu konkreten Inhalten aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) keine Auskünfte erteilen darf, ohne dafür rechtlich belangt zu werden, kann ich ihnen zur konkreten Begründung für den Einsatz von Pegasus oder ähnlicher Software leider nichts Näheres mitteilen. Dazu gehört auch, dass ich weder bestätigen noch dementieren kann, ob die in der Presse geschilderten Details zutreffen oder nicht. Ich kann ihnen nur - ganz allgemein - versichern, dass wir bei allen Sachverhalten die rechtliche Zulässigkeit und eventuelle technische Maßnahmen auf eine nötige und mögliche Anwendbarkeit hin überprüfen. Ich persönlich lehne den Einsatz von Pegasus eindeutig ab.

> Ihre Frage zielte aber auch darauf ab, was das Parlament tun kann, wenn es durch die Regierung belogen wird oder auch wichtige Tatsachen verschwiegen werden. Eine Möglichkeit ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, auch kann man im Bundestag den Rücktritt einzelner Minister beantragen, aber dafür braucht man natürlich immer einen Beschluss der Mehrheit, was in der Regel nicht realistisch ist. Auch das Parlamentarische Kontrollgremium kann theoretisch verantwortliche Minister oder auch Chefs der Geheimdienste öffentlich kritisieren und sogar personelle Konsequenzen fordern, aber für eine derartige öffentliche Erklärung braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Gremium, also immer auch die Zustimmung der regierungstragenden Fraktionen. Diese Regelung - da teile ich Ihre Kritik - ist absolut unbefriedigend.

In Sachen Pegasus gab es auf EU-Ebene einen Untersuchungsausschuss, dessen ernüchternden Ergebnisse u.a. in einem Artikel auf Bundestag.de zu lesen sind:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw39-pa-digitales-pegasus-967184

Darin heißt es :

"Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Johann Saathoff (SPD), betonte auf Fragen der Abgeordneten, dass Deutschland bereits jetzt die rechtlichen Empfehlungen des Untersuchungsausschussberichts erfülle. Auf die Frage einer Abgeordneten dazu, ob und in welcher Form deutsche Behörden solche Produkte einsetzen oder eingesetzt haben, antwortete er, das Ministerium werde prüfen, ob den Abgeordneten Informationen hierzu eingestuft zur Verfügung gestellt werden könnten. "

Spätestens seit dem NSA-Untersuchungsausschuss ist öffentlich nachvollziehbar, mit welchen Ausflüchten und Maßnahmen die Bundesregierung und die Geheimdienste arbeiten. Oft verlaufen diese an der Grenze geltenden Rechts oder aber nutzen bislang nicht rechtlich geregelte Grauzonen maximal aus. Um so dringender bedarf es kritischer Stimmen innerhalb des PKGr, dem ich seit zehn Jahren, zeitweise sogar als (stellvertretender) Vorsitzender, angehöre. Aktuell wird nach dem Verlust des Fraktionsstatus der Linken versucht, mich von der Arbeit in diesem sensiblen Gremium auszuschließen. Dagegen habe ich im Februar eine Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Mit freundlichen Grüßen

Was möchten Sie wissen von:
Portrait Dr. André Hahn
André Hahn
DIE LINKE