Frage an Annalena Baerbock bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Annalena Baerbock
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Andreas S. •

Frage an Annalena Baerbock von Andreas S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag,

Sie haben sicherlich auch den Medien entnehmen können, wie sich Abgeordnete der AFD so diskriminierend über Menschen aus dem Ausland, bzw rassistisch geäußert haben, dass Strafverfahren, Petitionen zu Strafverfahren eingeleitet wurden bzw. im Gange sind. Mich würde interessieren wie Sie sich zu diesen Vorgängen verhalten werden:

1.) Werden Sie persönlich selbst Anzeigen zur Strafverfolgung initiieren ?
2.) Werden Sie persönlich zwecks Ermöglichung der Strafverfolgung Anträge auf Aufhebung der Abgeordneten - Immunität stellen ?
3.) Werden Sie persönlich entsprechende Anträge unterstützen ?

Danke für eine schnelle Antwort.
Mit freundlichen Grüßen

A. S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Fragen. Auch ich finde den von AfD-Abgeordneten im Bundestag angeschlagenen Ton unerträglich, allerdings war das angesichts der Erfahrungen auch aus den Landtagen kaum anders zu erwarten. Als Grüne Fraktion stellen wir die AfD in der inhaltlichen Debatte hart und zeigen auf, wo sie aus unserer Sicht den demokratischen, verfassungsrechtlichen oder auch historischen Boden verlassen.
Als Beispiel dafür möchte ich Ihnen die Reden meiner Kolleg*innen Luise Amtsberg zu Syrien ( https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7174554#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03MTc0NTU0&mod=mediathek ), Manuel Sarrazin zum Euro ( https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7174351#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03MTc0MzUx&mod=mediathek ) und auch von Britta Haßelmann zu den Abgeordnetendiäten ( https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7181800#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03MTgxODAw&mod=mediathek ) ans Herz legen.

Innerhalb des Plenums ist es bisher meiner Wahrnehmung nach nicht zu strafrechtlich relevanten Äußerungen gekommen. Außerhalb des Plenums sieht das aus meiner Sicht anders aus. Aber, gerade auch in politischen Auseinandersetzungen ist die Meinungsfreiheit verfassungsrechtlich ein besonders hohes Gut, dessen Einschränkung immer einer ganz besonderen Rechtfertigung bedarf - aber die Freiheit des Einzelnen endet eben auch dort, wo sie die Freiheit anderer verletzt. Daher ist es gut, dass entsprechende Äußerungen oder auch Tweets angezeigt werden. Und auch ich behalte mir vor, unter den entsprechenden Umständen eine Strafanzeige stellen, gerade wenn sie aus oder in einer Situation entsteht, in der ich zugegen bin.

Zum Thema Immunität: Die grundsätzlich verfassungsrechtlich verankerte Immunität von Abgeordneten hat den guten Grund, diese vor politisch motivierter Strafverfolgung zu schützen. Deshalb können Abgeordnete wegen einer Straftat nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Damit der Bundestag aber nicht wegen jedes kleineren Deliktes (z.B. Verkehrsdelikte) eine gesonderte Entscheidung treffen muss, ermöglicht der Bundestag mit der Abstimmung über seine Geschäftsordnung ( https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw44-geschaeftsordnung/530768 ) seit langem für die Dauer einer Wahlperiode generell die Durchführung von Ermittlungsverfahren - mit Ausnahme solcher wegen politischer Beleidigungen. Voraussetzung dafür ist, dass die Staatsanwaltschaften den Bundestag über ihre entsprechende Absicht unterrichten. Derartige Unterrichtungen, die frühestens 48 Stunden nach Zugang beim Bundestagspräsidenten die Ermittlungen freigeben, werden in der nächsten Ausschusssitzung erörtert, ohne dass Beschlüsse gefasst werden müssten. Sofern es also z.B. um rassistische Äußerungen (§ 130 StGB - Volksverhetzung) geht, bedarf es für die Aufhebung der Immunität zur Aufnahme von Ermittlungen zur Strafverfolgung im Einzelfall keines besonderen Beschlusses des Bundestages (und somit auch keines einzelnen Antrags meinerseits), da diese nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind. Will eine Staatsanwaltschaft jedoch „…nach Abschluss der Ermittlungen einen Abgeordneten vor Gericht anklagen, muss dies ausdrücklich durch den Bundestag auf Vorschlag des 1. Ausschusses genehmigt werden. Diese Genehmigung wird – von politischen Beleidigungen abgesehen – in aller Regel erteilt." ( https://www.bundestag.de/ausschuesse/ausschuesse18/a01/aufgaben/260522 ). So muss der Bundestag immer dann gesondert abstimmen, wenn nach Ansicht einer Staatsanwaltschaft ein Gerichtsverfahren gegen Abgeordnete angestrengt werden soll. Natürlich stimme ich mich dann mit unseren Vertreter*innen im Immunitätsausschuss ab und unterstütze rechtlich begründete Anträge auf Aufhebung der Immunität.

Abschließend möchte ich jedoch betonen, dass wir – gerade als Abgeordnete – die Unabhängigkeit unseres Rechtssystems wahren sollten. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass ein Antrag auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten seinen Ursprung stets in diesem Rechtssystem haben soll und kein politisches Werkzeug sein kann.

Mit freundlichen Grüßen
Annalena Baerbock

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