Was ist Ihre Sichtweise zum neuen Wahlrechtsvorschlag der Ampelregierung?

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Annika Klose
SPD
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Frage von Udo T. •

Was ist Ihre Sichtweise zum neuen Wahlrechtsvorschlag der Ampelregierung?

Guten Tag Frau Klose!
Der Wahlrechtsvorschlag der Ampelregierung schwächt aus meiner Sicht die Wahlkreise, die direkte Demokratie und fördert Parteilisten und Personen mit Partei-Proporz.
Wenn es Wahlkreise gibt, die keine/n Abgeordnete/n entsenden, ist das zudem eine erhebliche Demotivation sich politisch zu engagieren.

Warum setzen Sie sich nicht für ein Wahlrecht ein, bei dem Überhangmandate nicht ausgeglichen werden, Wahlkreise größer werden oder Parteilisten von Bürgern mitbestimmt werden können?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr T.,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Es freut mich, dass Sie die Debatte zur Wahlrechtsreform so aufmerksam begleiten. Ich halte das Thema ebenfalls für ein sehr Wichtiges, da es hier um die Ausgestaltung unserer demokratischen Prozesse geht.

Mit der Wahlrechtsreform wollen wir einem weiteren Anwachsen des Bundestages entgegenwirken und die Zahl der Abgeordneten ab der nächsten Wahl auf das vom Grundgesetz vorgesehene Maß von 598 Abgeordneten begrenzen. Der Bundestag ist in den letzten Wahlperioden stark angewachsen, was vor allem durch Ausgleichs- und Überhangmandate bedingt war. So hat der aktuelle Bundestag mit 736 Abgeordneten seine grundgesetzliche Zielgröße von 598 Sitzen deutlich überschritten.

Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate gewinnt, als ihr durch die Zweitstimmen zustehen würde. Zur Wahrung der Verhältnisse werden diese Überhangmandate dadurch ausgeglichen, dass alle anderen Parteien so viele zusätzliche Mandate erhalten, bis die Verteilung der Mandate wieder dem Wahlergebnis entspricht.

Schon jetzt werden Parteien mit vielen Überhangmandaten privilegiert, da die ersten drei dieser Mandate nicht mehr ausgeglichen werden. Wenn zukünftig Überhangmandate gar nicht mehr ausgeglichen würden, würde das eine Verzerrung der Stimmverhältnisse bedeuten und Parteien mehr Sitze zusprechen, als ihr nach dem Wahlergebnis zustehen.

In einem ersten Schritt wollen wir mit der Wahlrechtsreform mehr Klarheit hinsichtlich der Bedeutung der beiden Stimmen bei einer Bundestagswahl schaffen. So wird die bisherige Zweitstimme zur sogenannten Hauptstimme. Mit dieser werden die jeweiligen Sitzanteile im Deutschen Bundestag bestimmt, sowie der konkrete Sitzanspruch jeder Partei in den Bundesländern festgestellt.

Die bisherige Erststimme wird wiederum zur sogenannten Wahlkreisstimme. Über die Wahlkreisstimme wählen die Wähler:innen direkt die Bewerber:innen in ihrem Wahlkreis, die durch die Parteien nach ihrem Hauptstimmenergebnis errungenen Sitze vorrangig besetzen werden.

Mit der Wahlrechtsreform konzentrieren wir uns auf eine bedingte Stärkung der Verhältniswahl, also der zukünftigen Hauptstimme. Die Stärkung findet in dem Sinne statt, dass die Zweitstimme die Anzahl der Mandate der jeweiligen Fraktion im Bundestag vorgibt, von welcher nicht abgewichen werden soll. Hiermit stellen wir sicher, dass die vorgesehene Anzahl der Sitze im Bundestag von 598 nicht überschritten wird.

Dennoch möchte ich betonen, dass eine Schwächung der Wahlkreise nicht zu befürchten ist. Denn auch weiterhin ziehen, wie beschrieben, zunächst alle direkt gewählten Abgeordneten aus den Wahlkreisen in den Bundestag ein. Für den Fall, dass die Anzahl der direkt gewählten Bewerber:innen die Zahl der vorgesehenen Mandate über die Zweitstimme übersteigt, ziehen jene mit dem geringsten Erststimmenanteil nicht in den Bundestag ein.

Wenn man das geplante Reformgesetz auf das Wahlergebnis von 2021 anwenden würde, gäbe es bundesweit nur fünf von 299 Wahlkreisen, die durch gar keine:n Abgeordnete:n repräsentiert werden. Diese Wahlkreise könnten durch die Abgeordneten der benachbarten Wahlkreise mitbetreut werden – das Risiko von „verwaisten“ Wahlkreisen ist daher extrem gering.

Dabei versuchen ich, aber auch meine Kolleg:innen in der SPD-Fraktion mit den Menschen, Organisationen, Betrieben etc. aus den Betreuungswahlkreisen im engen Austausch zu bleiben, um die Anliegen von den Menschen vor Ort in meine Arbeit im Bundestag mitzunehmen.

Mir ist bewusst, dass durch diese Wahlrechtsreform deutliche Veränderungen im Vergleich zu bisherigen Wahlen umgesetzt werden. Jedoch ist diese Reform hinsichtlich der aktuellen (Über-)Größe des Deutschen Bundestages notwendig. Wir haben als Ampel-Koalition darauf hingearbeitet, dass die Reform fair und verständlich ausgestaltet ist. Noch einmal besten Dank für Ihre Frage zu diesem wichtigen Thema.

Mit freundlichen Grüßen

Annika Klose

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