Frage an Axel Troost bezüglich Finanzen

Dr. Axel Troost
Axel Troost
DIE LINKE
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Frage von Hans R. •

Frage an Axel Troost von Hans R. bezüglich Finanzen

Lieber Herr Troost,

wie stehen Sie zum Geldschöpfungsprivileg der Geschäftsbanken? Ich fand es sehr
gut, dass die Linke im Bundestag gegen den ESM gestimmt hat.
Ich habe immer Grün gewählt. Am 22. werde ich die Linke wählen - auch wegen dem glaub-würdigen Einsatz für den bundesweiten Volksentscheid . Frau Pau und Frau Kipping sei Dank.

Sind Sie vor der Wahl noch in Baden-Württemberg?

Sonst würde ich Sie mal gerne als Attaci an den Bodensee einladen wollen.

Viel Erfolg, ein gutes Ergebnis und für uns alle eine sozialere Welt!
Herzliche Grüße

Dr. Axel Troost
Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Resch,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu unserer Haltung zu Geldschöpfung.

Wie Sie wissen, hat DIE LINKE unser Finanzsystem von Anfang an scharf kritisiert. Wir stehen Reformvorschlägen deswegen sehr offen gegenüber - auch (oder gerade wenn) sich diese nicht über Nacht realisieren lassen. Unser zentrales Leitbild ist dabei die "Vergesellschaftung", also die Ausrichtung der Akteure auf Gemeinwohlorientierung unter weitreichenden Möglichkeiten der öffentlichen Kontrolle. Dafür müsste das Finanzsystem auf eine Dienstleisterfunktion gegenüber der Realwirtschaft zurechtgestutzt werden.

Neben meiner Funktion als finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion bin ich seit über 30 Jahren Geschäftsführer der "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" (Memorandumgruppe), ein Zusammenschluss alternativer Ökonominnen und Ökonomen, die jedes Jahr zum 1. Mai ein Gegengutachten zum Sachverständigenrat der Bundesregierung vorlegt.

Positionen zur Reform des Geldsystems

In Punkto Geldsystem sehe ich konkreten Handlungsbedarf primär im Bereich der Zentralbanken:

A) Die Zentralbank muss eine stärkere Verantwortung für die Stabilität des Finanzsystems und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung übernehmen. Dafür muss sie ihre enge Fokussierung auf Preisstabilität aufgeben und braucht weitere Instrumente. Dazu gehören regionale Aktivmindestreserven zum Vorbeugen gegen Vermögenspreisblasen. Aktivmindestreserven sind verpflichtende Einlagen bei der Zentralbank für Kredite und andere Vermögenswerte. Diese Reserven in Form sicherer, aber unrentabler Einlagen bei der Zentralbank ließen sich gezielt nach der Vermögensklasse staffeln. Damit hätte beispielsweise die spanische Zentralbank Möglichkeiten gehabt, die dortige Immobilienblase zu verhindern oder zumindest zu begrenzen.

B) Ein weiterer Aspekt berührt das Verhältnis von Zentralbank und Staatsfinanzen. In einer wachsenden Volkswirtschaft wird eine wachsende Geldmenge benötigt. Volkswirtschaftliche wie finanzpolitische Gründe sprechen dafür, dass das Geldmengenwachstum über Direktkredite der Zentralbank an den Staat bewerkstelligt wird. Zentralbankkredite an den Staat sind darüber hinaus auch in der Rezession angebracht. Die Memorandumgruppe hat Anfang der 1980er Jahre entsprechende Konzepte unterstützt. Ich war Autor eines korrespondierenden Kapitels im Memorandum 1980.

Die Forderung nach Direktkrediten ist nach wie vor aktuell. Im Zuge der Eurokrise hat sich die Bundestagsfraktion DIE LINKE aber für eine kurzfristig gründbare "Europäische Bank für öffentliche Anleihen" ausgesprochen, um langwierige Änderungen am EU-Vertrag zu vermeiden. Diese neu zu schaffende Bank würde sich zu den üblichen Bedingungen bei der EZB finanzieren, könnte damit den Staaten günstige Kredite gewähren und sich durch bei der Zentralbank hinterlegte Staatsanleihen weiteres Kapital verschaffen.

C) Eine wichtige Aufgabe der Zentralbanken sollte auch die Stabilisierung von Wechselkursen sein, da die starken Währungsschwankungen den weltweiten Handel mit Rohstoffen, Waren und Dienstleistungen beeinträchtigen. Anstelle der freien Marktpreise sollten die Wechselkurse der großen Weltwährungen durch Wechselkurszielzonen stabilisiert werden. Dabei intervenieren die Zentralbanken am Devisenmarkt, wenn die Wechselkurse eine definierte Bandbreite um einen gemeinsam vereinbarten Kurs überschreiten. Ein großer Teil des Derivatehandels wäre dann obsolet, da die Notwendigkeit von Absicherungsgeschäften entfiele. Eine Finanztransaktionssteuer würde Spekulation zusätzlich eindämmen. Ein solches Währungsregime wäre Teil einer neuen weltweiten Finanzordnung, die eine Abkehr vom Dogma freier Finanzmärkte und unbeschränkten Kapitalverkehrs zum Ziel hätte.

Position zur Trennung von Geldschöpfung und Bankgeschäften

Geld ist ein wichtiges öffentliches Gut, deswegen ist Geldschöpfung ein hohes Privileg. Geld wird aber nicht in erster Linie von der Zentralbank erzeugt, sondern vor allem durch Geldschöpfung der Geschäftsbanken: Indem der mit einem Kredit korrespondierende Geldbetrag auf einem Konto gutgeschrieben wird, entsteht neues Geld. Kritiker machen diese Geldschöpfung für vielerlei Probleme verantwortlich und fordern die Abschaffung des privaten Geldschöpfungsprivilegs.

Wenn die Geschäftsbanken die Fähigkeit zur Geldschöpfung verlören, würde die Zentralbank die Geldmenge allein kontrollieren. Doch mit Geldmengensteuerung allein wäre nach meinem Befinden nicht allzu viel gewonnen. Inzwischen gehen die Zentralbanken sehr viel laxer mit Geldmengenaggregaten um, als es die Monetaristen früher forderten. Denn der starke Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation ließ sich empirisch nicht belegen. Es kommt eben auf die Geldmengen bzw. -ströme in einzelnen Regionen oder Bereichen an (siehe die Immobilienblasen in Irland und Spanien). Hier können Zentralbank und Gesetzgeber bisher nur indirekt und mit zeitlicher Verzögerung steuern (Leitzinsen, Mindestreserve, Eigenkapitalvorschriften, etc.). Dafür fehlen intelligente Instrumente (siehe z.B. oben der Vorschlag zur Aktivmindestreserve), aber das Problem liegt nicht (zumindest nicht allein) bei der privaten Geldschöpfung.

Ein staatlich kontrolliertes Geld verträgt sich natürlich gut mit unserem Leitbild der Vergesellschaftung des Finanzsektors. Denn Private können keineswegs alles besser und die Fähigkeit zur Geldschöpfung ist im Grunde genommen ein unglaubliches Privileg. Insgesamt bin ich aber immer skeptisch, wenn mir Vorschläge als Wunderwaffe verkauft werden. Das gilt auch für 100-Prozent-Geld oder Vollgeld.

Wir hatten Prof. Joseph Huber von der Monetative dieses Frühjahr als Sachverständigen zu einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschuss eingeladen (im Mittelpunkt stand allerdings das Trennbankengesetz der Bundesregierung). Eine abschließende Meinung über seine Thesen habe ich mir aber noch nicht gebildet. Ihnen überhaupt erstmal ein Forum zu bieten, halte ich für die beste Unterstützung, die wir aktuell geben können. Denn in erster Linie muss die Diskussion darüber auch außerhalb des Parlaments geführt werden. Lassen Sie sich also nicht entmutigen und bleiben Sie am Ball.

Mit besten Grüßen,

Axel Troost

P.S.: Die Seigniorage, d.h. die Geldschöpfungsgewinne der Zentralbank, dem öffentlichen Haushalt zugute kommen zu lassen, wie es m.E. die Monetative fordert, entspricht übrigens bereits meinem Punkt B) oben.

P.P.S.: Vor der Bundestagswahl war und bin ich nicht mehr in Baden-Württemberg. Für anfragen zu auswärtigen Terminen wenden Sie sich bitte an mein Wahlkreisbüro, das "Bürgerbüro Ständige Vertretung" in Borna: http://www.staendige-vertretung-borna.de/kontakt/kontaktdaten.html

Mehr Infos:
• Bundestagsfraktion DIE LINKE: „Den Bankensektor neu ordnen - und mit
der Vergesellschaftung beginnen“, Diskussionspapier des Arbeitskreis Wirtschaft, Finanzen, Steuern, Energie und Umwelt, August 2010
http://www.axel-troost.de/article/4551.den-bankensektor-neu-ordnen-a-8211-und-mit-der-vergesellschaftung-beginnen.html?sstr=neuordnung
• Axel Troost: "Demokratisierung des Finanzsektors: gangbare Wege - konkrete Akteure", Sozialismus 3/2012
http://www.axel-troost.de/article/6021.demokratisierung-des-finanzsektors-a-8211-gangbare-wege-a-8211-konkrete-akteure.html?sstr=gangbare
• MEMORANDUM 1980 "Gegen konservative Formierung - Alternativen der Wirtschaftspolitik", Kapitel 8.4 "Alternative Formen der Staatsverschuldung", Bund-Verlag, Köln 1980