Frage an Aydan Özoğuz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Aydan Özoğuz
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Frage von Matias Leão R. •

Frage an Aydan Özoğuz von Matias Leão R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Özoguz!

Aufgrund der aktuellen Berichterstattung über ihre Äußerung bzgl. des Einsatzes von polizeilichen Maßnahmen gegen politisierte Sektierer, die nachweislich für Horror und Terror rekrutieren und in einer blasphemischer Weise eine Religion als Deckmantel für ein Parrallelwertesystem verunglimpfen, bitte ich Sie höflich um eine Erklärung, warum sie diese Einschätzung schon zu Beginn von unmittelbaren Folgen eines Vereinsverbotes abgeben.

Hatten sie den Eindruck, dass die Behörden im Vorfeld das ministerielle Verbot rechtswidrig erteilt haben?

Sie behaupten, dass Sie nicht missverstanden werden möchten. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Öffentlichkeit von Ihnen jetzt erwartet, dass Sie eine Ehrenerklärung abgeben, weder von der Gülen-Bewegung noch von Diyanet beeinflusst zu werden?

Und wie schätzen Sie die Folgen davon ein, wenn Sie nicht dazu bereit sind?

Abschließend interessiert mich ihr persönliches Engagement wie auch ihre Erfolge, gemäß dem österreichischen Vorbild islamische Religionsgemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkennen zu lassen einschließlich der rein deutschen Rekrutierung von hauptamtlichen Personal, der Nichtfinanzierung durch ausländische Organisationen oder auch Nationalstaaten, um genau vor allen Dingen jungen Menschen eine rechtstaatliche Alternative anzubieten?

Und wie sieht Ihr Engagement dahingehend aus, dass die derzeitigen islamischen Religionsgemeinschaften in keinerlei Weise Jugendarbeit derartig betreiben, dass Gendermainstreaming, Inklusion und Diversity als staatliche Zielsetzungen auch von staatliche anerkannten Religionsgemeinschaften aktiv unterstützt werden?

Ich geben Ihnen zu bedenken, dass Sie nach ihrer unklaren Haltung zum Völkermord von Armeniern jetzt erneut ihre persönliche Glaubwürdigkeit selbst infrage gestellt haben!

Herzliche Grüße,

Hr. Rautenberg

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Sehr geehrter Herr Rautenberg,

vielen Dank für Ihre Fragen. Auch wenn ich Ihre Einordnung nicht teilen kann, dass differenzierte Aussagen (sie interpretieren diese als „unklar“) automatisch zu weniger Glaubwürdigkeit führen, möchte ich Ihnen trotzdem gerne antworten.

Sie beziehen sich auf die von mir im Spiegel zitierten Aussagen im Zusammenhang der Phoenix Sendung „Im Dialog“. Angesprochen auf die am Morgen der Aufzeichnung zeitgleich laufenden Razzien gegen die salafistische Gruppierung „Die wahre Religion“, habe ich ausdrücklich keine Bewertung dieser Aktion vorgenommen, sondern lediglich auf mögliche Nebeneffekte von Razzien in der Vergangenheit hingewiesen. Diese könnten bei ausbleibender Wirkung im Kreis der betroffenen Gemeinden auch von nicht radikalen Muslimen als Willkür wahrgenommen werden. Wenn man bei aller – auch von mir ausgedrückten – Wertschätzung für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden nicht mehr über eventuelle Folgen sprechen darf, die sich niemand wirklich wünschen kann, dann wäre das kein gutes Zeichen für unsere Demokratie und Debattenkultur.

Aufgrund der missverständlichen Berichterstattung habe ich daraufhin gerne noch einmal folgendes erklärt: „Ich habe großes Vertrauen in die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden. Jeder erfolgreiche Schlag gegen radikale Salafisten ist wichtig und ein großer Erfolg im Kampf gegen religiösen Extremismus. Razzien allein können die Radikalisierung vor allem junger Leute aber nicht verhindern, dazu braucht es vor allem mehr Präventionsarbeit. Den Kampf gegen Islamisten können wir zudem nur gemeinsam mit den Muslimen gewinnen.“

Die von Ihnen genannten Forderungen einer Ehrenerklärung (Beeinflussung durch die Gülen-Bewegung etc.) kann ich auch in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehen.

Zu der zweiten von Ihnen angesprochenen Frage: Grundsätzlich befürworte ich Verträge mit islamischen Gemeinden, wie sie bereits in Hamburg oder auch in Bremen existieren. Sie regeln Dinge des Zusammenlebens von Menschen mit verschiedener Weltanschauung – ganz ähnlich wie die Staatsverträge mit den Kirchen und der jüdischen Gemeinde es tun. Derartige Übereinkünfte mit muslimischen Gemeinden bilden eine gute Grundlage für einen Dialog auf Augenhöhe. Sie befassen sich nicht nur mit konkreten Alltagsfragen wie etwa Urlaubsregelungen an muslimischen Feiertagen oder dem Bau von Moscheen mit Kuppeln und Minaretten, sondern formulieren auch gegenseitige Erwartungen über die Einhaltung der Werteordnung unseres Landes. Auch die Einsetzung von in Deutschland ausgebildeten Imamen, wie Sie sie ansprechen, halte ich für den richtigen Weg.

Auch wenn es in keinem Zusammenhang zu diesem Thema steht: Der Inhalt der Armenien-Resolution ist nicht anzuzweifeln und wurde daher von mir unterstützt. Die Art mit diesem Thema umzugehen, halte ich nach wie vor nicht für richtig. Ich vermag auch nicht zu erkennen, dass wir einer Aussöhnung näher gekommen wären. Herr Rautenberg, die Welt besteht eben nicht nur aus Schwarz und Weiß – auch wenn das natürlich schön einfach wäre.

Mit freundlichen Grüßen

Aydan Özoğuz, MdB

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