Frage an Bodo Ramelow bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Bodo Ramelow
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Frage von Hartmut G. •

Frage an Bodo Ramelow von Hartmut G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Lieber Herr Ramelow,

einerseits freue ich mich ja sehr über ihren alternativen Gesetzentwurf zum 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, in der sie "mehr Wiedergutmachung" fordern.
Andererseits finde ich es etwas durchsichtig, einfach die doppelte Höhe der Entschädigung zu fordern- was aber nicht weiter schlimm ist, da man als Opposition auch nicht in die Verlegenheit kommt, eher utopische Forderungen einlösen zu müssen.
Oder, um auf den kleinen Beigeschmack ihres Alternativvorschlages hinzuweisen- finden SIE es nicht etwas dreist, als Nachfolge-Partei (nicht so sehr im politischen, aber im finanziellen Sinne!!!) der SED nun Entschädigung für deren ("ihr") System zu fordern?
Sie als Rechtsnachfolger haben ja schließlich, ein nicht unbeträchtliches Parteivermögen, übernommen. Hatten Sie vielleicht gedacht, einen Teil ihres Parteivermögens in eine Stiftung zugunsten der SED-Opfer einzurichten?

In gespannter Erwartung auf Ihre Antwort,

Grüsse,

Hartmut

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Sehr geehrter Herr Gerber,

vielen Dank für Ihre Mail vom 12. April. Ich freue mich, dass Sie unseren Gesetzesentwurf zum 3. SED-Unrechtsbereinigungsgesetz begrüßen. Gerne werde ich aber auch auf Ihre kritischen Anmerkungen eingehen:

Unserer Gesetzesentwurf unterscheidet sich von dem der Regierung nicht nur dahingehend, dass wir schlichtweg die doppelte Höhe der Entschädigung fordern, sondern er weist gravierende inhaltliche Differenzen auf. Wir verlangen, dass jeder politisch Verfolgte pauschal ohne Bedürftigkeitsprüfung 511 Euro monatliche Opferrente ab dem ersten Hafttag erhält und nicht, wie von der Koalition vorgesehen, erst nach sechs Monaten Inhaftierung. Des Weiteren fordert meine Fraktion die Einbeziehung aller Verfolgtengruppen, die bisher von den gesetzlichen Regelungen ausgeschlossen oder durch diese benachteiligt wurden, wie Zivilumgesiedelten, verfolgte Schülerinnen und Schüler und Opfer von Zersetzungsmaßnahmen.

Hinzu kommt, dass unsere Vorschläge bereits in früheren Gesetzesentwürfen von der CDU, FDP und den Grünen Gegenstand parlamentarischer Beratungen waren. So fordern alle drei Parteien mindestens 500 bzw. 511 Euro monatliche Opferpensionen. Zudem werden die von der Bundesregierung vorgesehenen 250 Euro nur bei "wirtschaftlicher Bedürftigkeit", die zudem alle sechs Monate neu zu Prüfen ist, geleistet. Diese entwürdigende Bedürftigkeitsprüfung aller Hartz IV sieht unser Gesetzesentwurf nicht vor. Schon allein aus diesem Grund kann von einer bloßen Verdoppelung des Betrages nicht die Rede sein. Sie ist auch nicht durchsichtig. Im Gegenteil: Unser Gesetzesentwurf steht in Übereinstimmung mit den Forderungen vieler Betroffener und Teilen der Opferverbände.

Die CDU/CSU hat jedoch ihr altes Versprechen einer eigenständigen Opferrente gebrochen. Stattdessen "verschwindet" die Opferrente nun als Ergänzung der bereits bestehenden Rehabilitierungsgesetze. Die Regierungskoalition hatte zunächst vollmundig angekündigt, mit der Schaffung einer Opferrente den Einsatz für Demokratie und Freiheit zu würdigen und Unrecht, Verfolgung und Behördenwillkür auf arbeiten zu wollen. Bei dem, was aber jetzt vorgelegt wird, kann das Fazit nur lauten, dass sich der mit hohem persönlichen Risiko einhergehende, mutige Einsatz für eine rechtsstaatliche und freiheitliche Ordnung nicht rentiert hat. Die Betroffenen müssen sich im Nachhinein fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, im Strom mit geschwommen zu sein. Nun zu Ihrer zweiten Frage. Sie haben völlig recht, dass die PDS als Rechtsnachfolger der SED einen großen Teil des übernommenen Parteivermögens zur Entschädigung von politisch Verfolgten einzusetzen habe. Deswegen sind die von uns rund 1,6 Milliarden Euro, die an die unabhängige Kommission Parteivermögen abgeführt wurden, vorwiegend für gemeinnützige Zwecke in den Neuen Bundesländern zur Verfügung gestellt worden, insbesondere für die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Wir haben konsequent an der Aufarbeitung unserer Vergangenheit gearbeitet und werden das auch in der neuen Partei tun. Genau deshalb streiten wir hier auch im Bewusstsein unserer besonderen Verantwortung dafür, dass die Opfer politischer Verfolgung eine Würdigung und Wertschätzung erfahren, die ihrer historischen Rolle entspricht. Ich frage Sie deshalb: Welchen Eindruck hätte es auf die Betroffenen und die Öffentlichkeit gemacht, wenn wir keine Vorschläge gemacht hätten. Wäre dann nicht der Vorwurf an uns herangetragen worden, dass sich die Linkspartei.PDS nicht getraut, sich ihrer Verantwortung zu stellen?

Sollten Sie weitere Fragen haben, können Sie sich jederzeit an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow

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