Werden Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU Fraktion zum Thema ME/CFS zustimmen?

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Carlos Kasper
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Frage von Ulrike S. •

Werden Sie dem Antrag 20/4886 der CDU/CSU Fraktion zum Thema ME/CFS zustimmen?

Sehr geehrter Herr Kasper,
meine Tochter ist seit 2021 an CFS erkrankt und kann daher momentan nicht zur Schule gehen. Anlässlich der Diskussion zum Antrag 20/4886 der CDU/CSU am 19.01.2023 im Bundestag waren sich alle Fraktionen einig, dass den Erkrankten dringend geholfen werden muss. Ich würde gern wissen, ob Sie diesem Antrag zustimmen werden. Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Vielen Dank und freundliche Grüße

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Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage und die damit einhergehenden Bedenken und Forderungen im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild der Myalgischen Enzephalomyelitis (ME/CFS) / dem chronischen Fatigue-Syndrom leiden. Ebenso wie Sie wenden sich derzeit viele weitere Bürger:innen mit diesem Anliegen an die Abgeordneten meiner Fraktion, insbesondere auch im Kontext des von der CDU/CSU-Fraktion gestellten Antrages.

Als SPD-Bundestagsfraktion wissen wir, welch langwierigen Leidensweg Menschen und ihre Angehörigen hinter sich haben, bis sie zu dieser niederschmetternden Diagnose gelangen. Sie können sich sicher sein, dass wir Ihre Sorgen und Anliegen sehr ernst nehmen. Das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung – namentlich das Bundesministerien für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium für Bildung & Forschung (BMBF) – bereits in enger Abstimmung mit uns im Parlament zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht hat.

Die Erforschung von ME/CFS ist derzeit noch unbefriedigend. Die konkreten Ursachen der Erkrankung sind leider noch nicht im Detail bekannt, da es sich um ein sehr vielfältiges Krankheitsbild handelt. Grundlagenforschung ist daher das Gebot der Stunde, um Anhaltspunkte für die Entwicklung einheitlicher Diagnosekriterien und wirksamer Therapieansätze zu finden. Das BMBF fördert deshalb bereits die Etablierung der Nationalen Klinischen Studiengruppe „Post-Covid Syndrom und ME/CFS“ zur Durchführung von klinischen Phase II-Studien mit insgesamt zehn Millionen Euro bis Ende 2023. Hier sollen bereits zugelassene Medikamente identifiziert werden, die bei positiven Studienergebnissen schnell in die Versorgung gelangen können.

Das BMG wiederum fördert im Rahmen seiner Ressortforschung derzeit einen Verbund des Klinikums rechts der Isar der TU München und der Charité Berlin. Ziel ist der Aufbau eines altersübergreifenden klinischen Registers mit einer Biodatenbank. Die durch das Register gewonnenen Daten werden explizit auch Patientinnen und Patienten mit ME/CFS nach einer COVID-19-Infektion erfassen.

Die gemeinsamen Anstrengungen der Bundesregierung werden in einem beim Leitungsstab des BMG angesiedelten Arbeitsstab zwischen den beteiligten Ressorts fortlaufend koordiniert. In die Arbeit des Stabes fließen kontinuierlich auch Hinweise und Forschungsanstrengungen aus aller Welt mit ein. Darüber hinaus hat das BMG das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereits im März 2021 damit beauftragt, den aktuellen Wissenstand zu ME/CFS systematisch aufzuarbeiten. Ein abschließender Bericht wird im Juni dieses Jahres erwartet. Erst dann wird man die bereits laufenden Aufklärungskampagnen – beispielsweise durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – weiter ausbauen und auf eine noch validere Grundlage stellen können.

Die Ampelkoalition hat sich außerdem in ihrem Koalitionsvertrag auf die Schaffung eines deutschlandweiten Netzwerks von Kompetenzzentren und interdisziplinären Ambulanzen für Long-COVID- und ME/CFS-Betroffene verständigt. Nun wird es darauf ankommen, diese Vereinbarung auch zügig umzusetzen. Hierzu laufen zwischen den Beteiligten bereits intensive Gespräche. Selbsthilfevereinigungen und die Akteure des Gesundheitswesens sind aber ihrerseits bereits aktiv geworden und haben Anlaufstellen für die betroffene Menschen und ihre Angehörigen identifiziert und veröffentlicht. Beispiele sind das Fatigue Centrum der Charité — Universitätsmedizin Berlin oder auch das Netz von Long-Covid-Ambulanzen im ganzen Land. Um die Versorgungssituation zügig weiter zu verbessern, haben wir im Parlament mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, im Dezember gesetzlich damit beauftragt, bis zum 31. Dezember 2023 eine Richtlinie für eine berufsgruppenübergreifende koordinierte und strukturierte Versorgung für Personen mit Long-/Post-COVID zu beschließen. Der G-BA kann dabei den Anwendungsbereich der Richtlinie auch auf die Versorgung von ähnlichen oder hiermit in Verbindung stehenden Krankheitsbildern erstrecken. Hierfür käme auch ME/CFS in Betracht. 

Mir persönlich und uns als SPD-Bundestagsfraktion ist bewusst, dass die Forschungs- und Versorgungslage für die betroffenen Menschen und Ihre Angehörigen derzeit nicht zufriedenstellend ist. Darum werden wir nicht nachlassen, auf Ihr Anliegen auch weiterhin im Rahmen unser Möglichkeiten bei Wissenschaft, Forschung und Ärzt:innenverbänden hinzuweisen, Fortschritte anzumahnen und durch finanzielle Mittel zu unterstützen. Nicht erst durch die Corona-Pandemie ist deutlich geworden, dass wir in vielen gesellschaftlichen Bereichen deutlich mehr finanzielle Mittel benötigen, als derzeit zu Verfügung stehen. Die Herausforderungen  und Problemlagen  sind vielfältig, gesellschaftliche Krisen überlagern sich. Daher erachte ich es als Finanzpolitiker für dringend notwendig, dass wir die Reichen und Superreichen deutlich höher besteuern als dies bisher der Fall ist. Jedes Jahr werden in der Bundesrepublik Schätzungen zu Folge bis zu 400 Milliarden Euro vererbt. Dieses leistungslose Einkommen sollte ebenfalls deutlicher besteuert werden. Wir brauchen einen funktionierenden Staat, ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem und massive Investitionen in die sozial-ökologische Transformation unseres Landes. Daran sollten sich diejenigen, die mehr Geld zur Verfügung haben, auch deutlicher beteiligen.

Mit den derzeitigen Bemühungen der Bundesregierung, die stets in enger Abstimmung mit den Abgeordneten im Parlament erfolgen, sehe ich es nicht als notwendig an, dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zuzustimmen, da wir bereits eine Vielzahl an Maßnahmen umsetzen, was der Opposition offenbar teilweise nicht bekannt ist. Ich finde es bedauerlich, dass nicht versucht wird, gemeinsam und konstruktiv an tragfähigen Lösungen zu arbeiten, sondern mit dem entsprechenden Antrag nach meiner Ansicht versucht wird, politisches Kapital aus diesem ernsten und wichtigen Thema zu schlagen. Ich werde dem Antrag aus den oben genannten Gründen nicht zustimmen.

Abschließend bin ich Ihnen für ihre Fragen und kritischen Anmerkungen sehr dankbar. Das Thema ME / CFS und die entsprechende Forschung daran bleibt weiterhin ein wichtiges Thema auf der politischen Agenda. Unabhängig davon, ob der Antrag im Bundestag eine Mehrheit findet oder nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Carlos Kasper MdB

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