Frage an Carsten Schneider bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Carsten Schneider
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Frage von Jens S. •

Frage an Carsten Schneider von Jens S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Schneider,

aktuell wird der UN-Migrationspakt diskutiert, leider meiner Meinung nach nicht mit der nötigen Ausgewogenheit des gesamten Meinungsspektrums. Es ist zunehmend seltener, in der deutschen Parteien- und Medienlandschaft kontroverse Themen in allen ihren Facetten besprochen zu sehen. Oft werden eher konservative Standpunkte in einem Reflex abgelehnt und damit Argumente und Kritikpunkte eines Teils der Bevölkerung nicht ernstgenommen.

Sehr erfrischend finde ich daher die Sicht von außen auf unser Land, z.B. in der NZZ:
https://www.nzz.ch/international/deutschland/migrationspakt-deutschlands-umgang-zeugt-von-bequemlichkeit-ld.1439009

Mich interessiert in diesem Zusammenhang Ihre Meinung bzw. die Ihrer Partei hinsichtlich der Besorgnis, daß eine Unterschrift unter einem Vertrag auch ihne rechtliche Bindung ja trotzdem eine Absichtserklärung darstellt und künftige Entscheidungen auf nationaler Ebene in unnötiger Weise einschränken. Ist nicht die Haltung der SPD (https://www.spdfraktion.de/themen/spd-fraktion-un-migrationspakt) eine sehr naive angesichts der realpolitischen und globalpolitisch greifenden Dimension von Migration?

Vielen Dank im voraus für Ihre Antwort.

Freundliche Grüße
J. S.

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SPD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion habe ich auf die mediale Berichterstattung keinen Einfluss, egal zu welchen Themen. Innerhalb der Parteienlandschaft sehe ich, entgegen Ihrer Beobachtung, eine kontroverse Debatte über den so genannten UN-Migrationspakt. Daher kann ich auch nicht erkennen, dass Teile der Bevölkerung in der Debatte nicht vertreten sind. Mir fällt vielmehr auf, dass teils selbst substanzlosen Beiträgen eine beachtliche Bühne geboten wird.

Die Position der SPD-Bundestagsfraktion zum UN-Migrationspakt ist klar: Wir können die Probleme, die sich mit weltweiter Migration verbinden, nur international gemeinsam lösen. Nationale Regelungen allein helfen hier nicht weiter. Und deshalb haben sich die Staaten in den Vereinten Nationen vor zwei Jahren gemeinsam auf den Weg gemacht, einen solchen internationalen Pakt zu erarbeiten.
Die Ziele, die Grundsätze dieses Paktes finden sich jetzt genau in dem Text wieder. Es geht nicht darum, Tor und Tür zu öffnen, sondern es geht darum, Migration besser zu regulieren. Das ist der Kern dieser Vereinbarung. Der Migrationspakt soll sämtliche Dimensionen der weltweiten Migration umfassend behandeln.

Seine wichtigsten Ziele:

• Strukturelle Faktoren, die Menschen dazu veranlassen, ihre Herkunftsländer zu verlassen, sollen reduziert werden – zum Beispiel durch Programme zur Armutsbekämpfung und zur Anpassung an klimatische Veränderungen.

• Um irreguläre Migration zu vermeiden, sollen Menschenschmuggel und Schlepperunwesen stärker bekämpft und Grenzkontrollen besser koordiniert werden. Gleichzeitig sollen die Mitgliedstaaten mehr Wege für reguläre Migration schaffen – zum Beispiel durch Arbeitsmarktabkommen oder Erleichterungen bei der Visavergabe.

• In den Zielländern sollen Migranten sicheren Zugang zu Grundleistungen haben und die Chance, am politischen und gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

• Verbesserte Möglichkeiten der Rückkehr in die Heimatländer.

Es geht also vor allem darum, Migration effektiv und zum Nutzen von Herkunfts-, Transit- und Zielländern zu steuern und irreguläre Migration zu vermeiden. Dazu soll der Globale Pakt (Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration) den internationalen Rahmen setzen.

Wichtig dabei: Die UN sagen ausdrücklich den Ländern, die von großen Migrationsbewegungen betroffen sind, Unterstützung zu.

Die AfD, rechtsextreme und fremdenfeindliche Gruppierungen stellen das Abkommen als Bedrohung dar. Sie nutzen es als Mobilisierungsinstrument. Eine Hetzkampagne setzt auf Halb- und Unwahrheiten, um bewusst Panik zu erzeugen. Diesen Kritikern geht es nicht um die sachliche Auseinandersetzung, sondern um Stimmungsmache. So behaupten sie zum Beispiel, dass der Pakt zu einer massenhaften Zuwanderung nach Deutschland führt. Sie behaupten, mit dem Pakt würden die nationale Souveränität unseres Landes und unser Selbstbestimmungsrecht ausgehebelt.

Ein Blick in den Text zeigt jedoch das Gegenteil: „Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen (...).“ Die Staaten können also weiterhin darüber entscheiden, wie sie die Einreise, den Aufenthalt und die Arbeitsbedingungen von Einwanderern gestalten möchten. Es entstehen keine weiteren verpflichtenden Kosten für Deutschland.

Auch an der deutschen Rechtslage ändert sich nichts. Die meisten Regelungen sind bereits im europäischen Recht enthalten und daher schon heute in Deutschland gültig. Der Pakt ist kein Vertrag und darum rechtlich nicht bindend – selbst wenn im Text von Verpflichtungen die Rede ist. Die beteiligten Staaten sind zu nichts verpflichtet und können nicht bestraft werden, wenn sie die Inhalte nicht umsetzen. Es soll aber ein Gremium geben, das von 2022 an alle vier Jahre tagen, die Umsetzung überprüfen und seine Ergebnisse in einem Bericht veröffentlichen wird.
Hinter dieser Regelung stehe ich voll und ganz und ich hoffe, dass ich die Frage in Ihrem Sinne beantworten konnte.

Viele Grüße

Carsten Schneider

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