Frage an Cem Özdemir bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Cem Özdemir
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Frage von Karzan N. •

Frage an Cem Özdemir von Karzan N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Cem Özdemir,

Welche Lösungen können Sie als Politiker für das Kurdenproblem vorschlagen? Bevor ich eine Organisation oder Partei vorurteile (PKK), würde ich als Politiker der Problematik auf den Grund gehen. Wenn die Kurden um ihr Land und ihre Existenz kämpfen, heißt es nicht, dass sie Terroristen sind, jeder Türke würde das gleiche machen wie sie. Wie Sie wissen, man bekommt keine andere Möglichkeit in der Türkei das Kurdenproblem anders zu lösen, denn die Türken wollen nicht einmal die Existenz der Kurden akzeptiern, obwohl die Kurden die ältesten Bewohner der Region sind.

Die türkische Regierung zeigte sich bisher nicht bereit, eine politische Lösung der Kurdenfrage zu diskutieren. "Es gibt kein Kurdenproblem, sondern nur ein Terrorismusproblem", lautet die offizielle Linie. Was sagen Sie dazu?
Wenn Sie PKK als terroristisch einstufen, als was stufen Sie die anderen Kurden in der Türkei ein? Als Bergtürken? Sie haben gar nichts gemacht und sie werden trotzdem unterdruckt und von der Regirung ständig terrorisiert. Wenn man die kurdischen Gebiete der Türkei besucht, traut man sich die Augen nicht. Die Infrastruktur funktioniert nicht, die meisten Straßen sind schwer befahrbar, es gibt keine gute Bildung und mehr als die Hälfte kann ihre Muttersprache nicht. Was nennt man das? Finden Sie das als Politiker nicht ungerecht? Sind diese Kurden auch terroristisch für Sie? Für mich ist das terroristisch, was die Türkei mit den Kurden macht. Das ist alles ungerecht, dass man für seine Existenz in der Türkei büßen muss. Ich bin auch gegen Gewalt, aber, wenn ich das mir alles anschaue, dann wird mir irgendwie klar, warum PKK gegen türkische Regierung kämpft.
Ich hoffe, dass ich Antworten von Ihnen bekomme.

Mit freundlichen Grüßen
Ing. Noori Karzan

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Sehr geehrter Herr Noori,

ich erlaube mir, Sie zunächst auf meine Antworten vom 28.11 und 18.01 auf thematisch ähnliche Fragen zu verweisen. Dort gehe ich ebenfalls auf die Kurdenfrage ein.

Sie bezeichnen die PKK als eine "Organisation oder Partei". Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die PKK von der EU als eine terroristische Organisation eingestuft wird. Dieser Hinweis führt mich auch zu Ihrer Frage nach Lösungen für die Kurdenfrage: Entscheidend ist, dass es sich um eine politische Lösung handelt. Eine Lösung, die auf Gewalt basiert, wird es nicht geben, das zeigt allein schon die Geschichte der letzten Jahrzehnte.

Die Lage der Kurden in der Türkei ist mir aus zahlreichen Gesprächen, meiner politischen Arbeit und meinen Besuchen im Land vertraut. Diese Besuche führen mich auch in kurdisch geprägte Gebiete, auch in zerstörte Dörfer. Vor dem Hintergrund der nicht zuletzt schwierigen ökonomischen Lage im Südosten muss die Türkei wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen ergreifen, um die Entwicklung in diesem Teil des Landes voranzutreiben. Hinzu kommen menschenrechtliche Maßnahmen wie etwa die Verwendung der kurdischen Sprache ohne Auflagen und Hürden. Es geht hier schlichtweg um die Entwicklung der Türkei hin zu einem demokratischen Rechtsstaat.

Für mich steht jedoch außer Zweifel, dass sich diese Fragen, die Lage der Kurden und damit letztlich die Zukunft der Türkei nur auf politischer Ebene gestalten lassen - und hier sind die legitimierten Vertreter der Kurden ebenso gefragt wie die türkische Regierung. Jede gewaltbasierte Maßnahme führt nur zu einer Verhärtung der Fronten und macht eine Verbesserung der Situation unwahrscheinlicher. Meine Forderung nach einer politischen Lösung richtet sich im Übrigen nicht nur an die PKK, sondern auch an diejenigen Teile der Regierung, des Staates und des Militärs, die möglicherweise ebenfalls der Meinung sind, das "Problem" ließe sich mit Bomben lösen oder mit Partei-Verboten.

Ich möchte Sie abschließend auf www.cem-ozdemir.de/tuerkei-eu verweisen, wo Sie meine Pressemitteilungen, Interviews und Beiträge zur Türkei nachlesen können.

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

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