Frage an Cem Özdemir bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Cem Özdemir
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Frage von Heide K. •

Frage an Cem Özdemir von Heide K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Özdemir,

nach dem tragischen Brand in Ludwigshafen, dessen Ursachen genauestens untersucht werden müssen, werfen sich für mich allerdings noch weitere Fragen auf.: Ist das Verhalten der türkischen Politik und Justiz den deutschen Behörden gegenüber nicht sehr hochfahrend und anmaßend?
Im Fall Marco W. wurde sich jede Einmischung vehement verbeten. In diesem Fall wird eine türkische Sonderkomission zugelassen und Herr
Erdogan reist persönlich in Ludwigshafen an. Nichts gegen diese Anteilnahme, sofern sie für beide Seiten gelten kann. Es geht ja wohl auch nicht, dass ein Feuerwehrmann, der seine Pflicht tut und sein Leben im Einsatz riskiert, auch noch von erregten türkischen Jugendlichen zusammengeschlagen wird.
Es wäre gut, die Türkei einmal darauf hinzuweisen, dass nicht nur wir auf sie als Bollwerk gegen den Fundamentalismus angewiesen sind,
sondern sie auch auf Deutschland und andere Auswanderungsländer.
Ich habe bei türkischen Schülern, die von Amerika schwärmten, das sie nie gesehen haben, oft eine Nichtachtung, ja sogar Verachtung gegenüber Deutschland zu spüren bekommen, die ich nie verstanden habe, die mich kränkt und die viele Deutsche auch nicht verdient haben.
Ich empfinde das heutige Deutschland nicht als intoleranter als andere europäische Länder, oft sogar im Gegenteil.

Mit freundlichen Grüßen
Heide Kau

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Kau,

ich bedauere meine verspätete Antwort.

Aus meiner Sicht war der Besuch des türkischen Ministerpräsidenten in Ludwigshafen deeskalierend, darauf hat übrigens auch Innenminister Schäuble hingewiesen. In diesem Zusammenhang sehe ich auch die türkische Kommission zur Untersuchung des Vorfalls: Deutsche und türkische Behörden haben in dieser traurigen Angelegenheit gut zusammengearbeitet und sind dadurch auch möglichem Misstrauen unter Deutsch-Türken begegnet.

Viel problematischer empfand ich die Berichterstattung in Teilen der türkischen und deutschen Boulevard-Medien, was ich bereits zum damaligen Zeitpunkt in aller Schärfe kritisiert habe.

Sie sprechen in Ihrer Anfrage türkische Schüler an, die von den USA schwärmen, aber Deutschland gegenüber reserviert sind. Als Integrationspolitiker wende ich mich in meinen Veranstaltungen explizit auch an diese Jugendlichen und fordere sie auf, Deutschland als ihr Heimatland zu begreifen, Verantwortung dafür zu entwickeln und es mitzugestalten. Zugleich muss es aber auch Anliegen der Politik sein, endlich unser Bildungssystem so zu reformieren, dass es mehr Chancengerechtigkeit gewährleistet. Erziehung zur Demokratie und Vermittlung von Wissen - beides muss zusammenkommen.

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

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