Frage an Cem Özdemir bezüglich Familie

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Cem Özdemir
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Frage von Frank H. •

Frage an Cem Özdemir von Frank H. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Özdemir!

Sie sind ausgebildeter Sozialpädagoge und Sie sind stellv. Mitglied im Ausschuss Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. Dieser Auschuss ist zuständig für Schutz der Bürgerrechte, Menschenrechte und Grundrechte, Schutz vor Diskriminierung. Deshalb möchte ich Ihnen gerne mein Anliegen vortragen.

Der Fall:
Ich bin nichtehelicher Vater einer zweijährigen Tochter. Die Mutter stimmte der gemeinsamen Sorge willkürlich nicht zu.
Da ich mein Kind liebe, möchte ich selbstverständlich die Sorge gemeinsam mit der Mutter ausüben. Sie wissen, dass ich in Deutschland ohne Zustimmung der Mutter keinen Rechtsanspruch auf gemeinsame Sorge habe. Das verhindert das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 29.01.03.
Ohne gemeinsames Sorgerecht jedoch fehlt die Fürsorge eines Elternteils. Dies bedeutet eine inakzeptable Einschränkung des Kindeswohles, v.a. bei Vernachlässigung durch den betreuenden Elternteil. Das ist eine Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern: Eheliche Kinder sind der elterlichen Sorge ihrer Väter anheimgestellt, uneheliche Kinder grundsätzlich nicht. Meine Fragen dazu:

1. Ist Deutschland in Sachen gemeinsames Sorgerecht für nichteheliche Eltern in Europa schon isoliert?
2. Gibt es für mich die Möglichkeit über die europäische Rechtsprechung die gemeinsame Sorge zu beantragen?
3. Sind Sie für die gemeinsame Sorge nichtehelicher Eltern?
4. Ist das Recht des Kindes auf Umsorgung beider Elternteile nicht ein Menschenrecht?

Mit freundlichen Grüßen

Frank Holzer

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Sehr geehrter Herr Holzer,

vielen Dank für Ihre Anfrage in Bezug auf das im europäischen Kontext wiederholt kritisierte Familienrecht Deutschlands.

Ich verstehe Ihr Problem und ihren Wunsch auf ein gemeinsames Sorgerecht sehr gut.

Kinder haben das Recht, von beiden Elternteilen umsorgt zu werden. Deutschland wurde, wie bereits gesagt, schon oft wegen verschiedener familienrechtlicher Regelungen und Entscheidung auf europäischer Ebene gerügt, im Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments zum Beispiel, aber auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Inwieweit Sie Ihren Fall vor dem EGMR prüfen lassen können, kann ich leider nicht einschätzen. Der Gerichtshof hat aber erst kürzlich beschlossen, einen vermutlich ähnlichen Fall wie Ihren zu prüfen (Zaunegger v Germany application no. 22028/04). Dessen Ausgang könnte indirekt auch Bedeutung für Ihren Fall haben.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass nichteheliche Väter in Deutschland keinen rechtlichen Anspruch auf ein gemeinsames Sorgerecht haben, war an die Bedingung geknüpft, dass der Gesetzgeber prüft, ob die geltenden Regelungen auch weiterhin mit der gesellschaftlichen Realität vereinbar sind. Es gibt durchaus ernsthafte Argumente, dass dies nicht mehr der Fall ist und somit eine Gesetzesänderung zugunsten der nichtehelichen Väter nötig ist.

Mit freundlichen Grüßen

Cem Özdemir

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