Wie gehen Sie mir der persönlichen Verantwortung um, dass einige Pflegekräfte und Ärzte nun (trotz Personalmangels) quasi Berufsverbot bekommen?

Das Foto zeigt die Bundestagsabgeordnete der Grünen Chantal Kopf.
Chantal Kopf
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Reiner Z. •

Wie gehen Sie mir der persönlichen Verantwortung um, dass einige Pflegekräfte und Ärzte nun (trotz Personalmangels) quasi Berufsverbot bekommen?

Sehr geehrte Frau K.,

Sie haben dem Entwurf "Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie" zugestimmt [1]. Damit müssen sich Ärzte und Pflegekräfte effektiv zwischen einer Impfung oder einem Jobverlust entscheiden. Ich bin selbst geimpft, kann aber die Zweifel jüngerer Menschen aufgrund der Risiken für Myokaditis und Perikaditis vor allem bei Männern [2] (12-17 J.: 4,81 Fälle/100 000, 18-29 J.: 4,68 Fälle/100 000) gut nachvollziehen. Wären in Anbetracht des Übertragungsrisikos (für Delta) auch bei Geimpften [3] nicht Tests für alle eine bessere Strategie? Bitte begründen Sie Ihre Motive.

[1] https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=759
[2] https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-20-bis-30-09-21.pdf?__blob=publicationFile&v=9
[3] https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/cdc-corona-geimpfte-101.html

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Z.,

vielen Dank für Ihre Frage. Die übergroße Mehrheit der Mediziner ist sich darin einig, dass die Nutzen-Risiko-Abwägung mit Blick auf die Gesamtbevölkerung eindeutig für die Impfung gegen Covid-19 spricht (s. https://www.aerztezeitung.de/Nachrichten/Myokarditis-Risiko-Kein-Grund-sich-gegen-Corona-Impfung-zu-entscheiden-424373.html) Herzmuskelentzündungen treten nach der Impfung sehr selten auf und verlaufen fast immer mild. Das Risiko, durch eine Corona-Infektion eine Herzmuskelentzündung oder andere gravierendere gesundheitliche Probleme zu bekommen, ist deutlich höher. Die Nutzen-Risiko-Abwägung fällt mit Blick auf die Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitssektor noch deutlich stärker pro Impfung aus, wenn man berücksichtigt, dass die Impfentscheidung hier keine rein individuelle ist, sondern es auch um den Schutz der Menschen geht, die dem Personal anvertraut sind. So sieht das übrigens auch der Deutsche Ethikrat.

Die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht - sie bezieht sich nicht auf bestimmte Berufe, sondern auf alle Beschäftigten einer bestimmten Einrichtung unabhängig von ihrer Tätigkeit dort  - hat ja anders als die allgemeine Impfpflicht nicht den Zweck, die Grundimmunität in der Bevölkerung zu erhöhen, sondern sie soll als Akutmaßnahme in der jetzigen Corona-Welle gezielt besonders vulnerable Menschen schützen, die zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern, Praxen, Entbindungseinrichtungen und Reha-Kliniken gepflegt, behandelt oder betreut werden. Angesichts der derzeit hohen Zahl an Infektionen und dadurch nötigen Testungen ist es keine praktikable Lösung, täglich PCR-Tests für das dort eingesetzte Personal durchzuführen. Die Laborkapazitäten reichen in Zeiten der Pandemie-Welle nicht aus. Allenfalls wäre zu erwägen, gezielt in solchen Gebieten, in denen die Inzidenzen extrem hoch liegen, eine Testpflicht zusätzlich zur Impfung einzuführen, um das Restrisiko einer Ansteckungsgefahr durch geimpfte Pflegepersonen oder Besucher*innen zu beseitigen. Das würde eine 2Gplus-Regelung vor dem Zutritt zu den betroffenen Einrichtungen bedeuten.

Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Position verständlich machen konnte. Ich danke Ihnen, dass Sie persönlich die Entscheidung getroffen haben, sich impfen zu lassen. Und ich bin froh darüber, dass die meisten Menschen wie Sie die Notwendigkeit von Impfung - auch als Ausdruck allgemeiner Solidarität in unserer Gesellschaft - erkennen und sich freiwillig impfen lassen. Ich wünsche Ihnen und Ihren Lieben alles Gute und eine ruhige und gesunde Adventszeit!

Mit freundlichen Grüßen, Chantal Kopf

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