Frage an Christina Steinhausen bezüglich Wirtschaft

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Christina Steinhausen
FDP
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Frage von Bernd K. •

Frage an Christina Steinhausen von Bernd K. bezüglich Wirtschaft

Wollen auch Sie die Energiewende mit dem Ziel „100 % erneuerbare Energien„ so schnell wie möglich erreichen?

Wenn ja,
Werden Sie sich für das sofortige Abschalten von ALLEN deutschen Atomkraftwerken einsetzen,
die zweifelsfrei NICHT mehr für die Stromversorgung benötigt werden und die Stromnetze für die Durchleitung von Ökostrom blockieren?

Wenn nein,
warum halten Sie an der gefährlichen und – für mich als Bürger und Steuerzahler - teuren Atomkraft fest?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr K.,

nein, ich halte aber auch nicht an der Atomkraft fest, wir brauchen einen vernünftigen Energiemix!
De facto ist die Energiewende in der bisherigen Form gescheitert. Dies ist sehr schön nachzulesen in einem Artikel in der Welt (hier der Link http://hd.welt.de/Sonderseiten-edition/article166916155/Kurzschluss-bei-der-Energiewende.html ).
Dort wird folgendes Fazit gezogen:
Die von Lobbygruppen und Politikern geschürte Erwartung einer baldigen ökologischen Vollversorgung lässt sich statistisch bislang nicht begründen. Die mit höchstem Mitteleinsatz erzielten Fortschritte in der Energiewende erweisen sich als gering, gemessen an dem, was zur Dekarbonisierung wirklich nötig wäre.
Die große öffentliche Empörung über den von US-Präsident Donald Trump angekündigten Austritt aus dem Weltklimaabkommen von Paris kontrastiert merkwürdig mit der bescheidenen Klimaschutzbilanz eines Landes, das seine eigenen CO2-Emissionen seit fast zehn Jahren nicht verringern kann. Deutschland befindet sich mitten im Märchen "Des Klima-Kaisers neue Kleider" kurz vor der Stelle, an der das Kind sagt: Der ist ja nackt.
Höchste Strompreise, keine CO2-Einsparung, wachsende Konflikte mit dem Naturschutz, Gefahren für die Versorgungssicherheit und unveränderte Importabhängigkeit: Die Zwischenbilanz der Energiewende ernüchtert. Doch de Energiewende erzielt in Umfragen weiterhin recht hohe Zustimmungswerte.
Die städtische Bevölkerung nimmt die Folgen in ihrem eigenen Umfeld kaum wahr. Zudem sind die Gesamtausgaben der Haushalte für Energie, einschließlich Benzin und Heizöl, noch relativ konstant. Dies ist allerdings eine Folge des Ölpreisverfalls, der hauptsächlich auf die Schiefergas- und Fracking-Offensive der USA zurückzuführen ist – und nicht ein Kostenerfolg der Energiewende.
"Die Energiewende hat den Eliten ein gutes Gewissen und eine gute Rendite zugleich geboten", sagt Michael Vassiliadis, Chef der Gewerkschaft IG BCE: "Das ist eine Kombination, die echt Power hat." Entstanden sei daraus "eine ganze Szenerie, die sich nur darum bemüht, die immensen Probleme der Energiewende unkritisch zu stellen". Mit viel Geld habe man es bis heute auf einen Ökostrom-Anteil von 30 Prozent gebracht, "aber für viele Bürger sind wir gefühlt schon bei 70 Prozent".
Die zu bewältigenden Größenordnungen seien gigantisch. Denn die Grundannahme der Energiewende, dass die fossilen Energien immer teurer würden, hat sich nicht erfüllt. "Wir sollten uns fragen, ob die Ausbauziele für erneuerbare Energien mit der heutigen Technik überhaupt darstellbar sind", sagt der Gewerkschafter. Er selbst bezweifelt das: "Wir müssen uns mehr Gedanken über die Alternativen zu den Alternativen machen." – "Wir müssen mehr forschen", findet auch Andreas Kuhlmann, Chef der Deutschen Energie-Agentur.
Obwohl die Bundesregierung die Förderung für Energieforschung aufgestockt hat, liege der Gesamtbetrag noch unter einer Milliarde Euro. Angesichts der Herausforderungen "eine eher bescheidene Summe". In der Politik greife das Gefühl um sich, dass sich der bisherige "Top-down-Ansatz" in der Energie- und Klimapolitik , also das Formulieren und Vorgeben von Planzielen, langsam überlebt habe. "Viele meinen heute schon, genau zu wissen, was wir im Jahre 2030 oder 2050 für die Energiewende alles brauchen", stellt Kuhlmann fest: "Wie wir genau dahin kommen wollen, ist allerdings weit weniger klar."
Im November, zur Weltklimakonferenz in Bonn, lädt der Dena-Chef wieder die jungen Energie-Ingenieure zum "Start-up Energy Transition Award" ein. Vielleicht offenbart sich dort dann das Technikwunder. Denn ohne ein Wunder wird die Energiewende wohl scheitern.
Wir brauchen einen Neustart in der Energiewende.
Wir Freie Demokraten wollen die Energiewende zu einem gesamteuropäischen Projekt machen, in dessen Zentrum die Ziele Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltschutz stehen. Dazu müssen die Liberalisierung des Energiebinnenmarktes abgeschlossen und der transeuropäische Netzausbau gestärkt werden. Strom soll dort produziert werden, wo die Standortbedingungen die geringsten Kosten erlauben. Der EU-Emissionshandel als marktwirtschaftliches Steuerungsinstrument zur kosteneffizienten Vermeidung von Emissionen muss gestärkt aus der bevorstehenden Reform hervorgehen und auf weitere Sektoren (zum Beispiel Wohnen und Verkehr) ausgedehnt werden.
Technisch gibt es viele Wege, das Klima zu schützen. Aus unserer Sicht sind alle gesellschaftlich akzeptierten Technologien und Energieträger gleichermaßen geeignet, die sich marktwirtschaftlich behaupten können und eine sichere Energieversorgung gewährleisten. Daher lehnen wir auch auf Ebene der Europäischen Union technische Auflagen zur Treibhausgasminderung ab und treten für einen Verzicht auf Subventionen für Vermeidungstechnologien ein.
Wir Freie Demokraten wollen Versorgungssicherheit im Wettbewerb erreichen und sind gegen staatliche Interventionen zur Bereitstellung ausreichender Kraftwerkskapazitäten. Wir wollen keine staatlich bestimmte Kapazitäts- und Klimareserve, mit der lediglich die Symptome der verfehlten Energiewende kuriert werden. Wir treten dafür ein, dass die erneuerbaren Energieträger zukünftig Systemverantwortung übernehmen und selbst für die Sicherheit ihres Stromangebots sorgen. In offenen Leistungsmärkten sollen alle Stromanbieter die dem Verbraucher zugesagte Leistung unter allen Bedingungen durch Versorgungsgarantien absichern müssen. So wird marktwirtschaftlich effizient die erforderliche Leistung bereitgestellt. Durch eine Handelbarkeit der Versorgungsgarantien wollen wir auch kleinen Anbietern die Gewährleistung der Versorgungsgarantie ermöglichen. Ein planwirtschaftlicher Kapazitätsmarkt erübrigt sich dadurch.
Entschuldigen Sie, dass meine Antwort länger und detailreich ausfällt, aber bei einem derart vielschichtigen Thema möchte ich nicht falsch verstanden werden - und schnelle/ kurze Antworten sind etwas für Populisten.

Ihnen einen schönen Abend,
mit li(e)beralen Grüßen
Christina Steinhausen