Was sagen Sie zu den horrenden Straßenausbaubeiträgen für Anlieger

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Christoph Bratmann
SPD
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Frage von Regina G. •

Was sagen Sie zu den horrenden Straßenausbaubeiträgen für Anlieger

Sehr geehrter Herr Bratmann,

ich schreibe für die BI „Weg mit alten Strabs“ in Wendeburg.

Die Straße „Am Anger“ zählt zu den Anliegerstraßen hier in Wendeburg. Sie führt als Sackgasse zum Rathaus, zur Polizeistation und zur E-Ladestation. Insofern wird sie von alle Gemeindemitgliedern befahren, aber mit 75% werden die Anlieger dieser Straße zur Kasse gebeten. Einige stehen vor 20.000€. Das ist ungerecht und steht als Beispiel für viele betroffene Bürger in Niedersachsen, die mit ähnlichen und noch horrenderen Summen (200.000€ Hann.-Münden) und Problemen zu kämpfen haben.
Halten Sie das für gerecht? Straßen sind öffentlich, jeder kann sie befahren und so sollten die Gebühren auch auf alle Bürger verteilt werden. Gerade in den jetzt schwieriger werdenden Zeiten, würde eine landesweite Abschaffung dieser veralteten Satzung, für soziale Gerechtigkeit sorgen und eine Last von den Bürgern nehmen.

Mit freundlichen Grüßen
R. G.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau G.,

vielen Dank für Ihre Nachricht!

Das Thema Straßenausbaubeiträge bewegt seit mehreren Jahren die Gemüter in der Kommunalpolitik quer durch alle Parteien. Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Landtagsfraktion in dieser Wahlperiode drei Gesetzesänderungen vorgenommen, die zur Flexibilisierung von Straßenausbaubeiträgen und zur Abfederung sozialer Härtefälle beitragen sollen.

Die Entscheidung, Straßenausbaubeiträge zu erheben oder abzuschaffen, ist für uns eine Aufgabe der Kommunen. Deshalb haben wir im März 2022 den rechtlichen Rahmen dahingehend angepasst, dass Kommunen unabhängig von ihrer Kredit- und Kassenlage auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichten können. In Ihrem Fall hat der Landkreis Peine nun die Möglichkeit, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen.

Außerdem haben wir bereits im Jahr 2019 flexible Gestaltungsmöglichkeiten eingeführt, um den Bürgerinnen und Bürgern die finanzielle Last im Rahmen eines Straßenausbaus zu erleichtern. Beispielsweise haben wir festgelegt, dass die Zahlung der Beitragsschuld über 20 Jahre hinweg gestreckt werden kann, um die Zahlung hoher Einmalbeträge zu vermeiden. Weiterhin haben wir die Möglichkeit einer Tiefenbegrenzung eingeführt, sodass große Grundstücke und Eckgrundstücke nicht überproportional belastet werden und wir haben für mehr Transparenz gesorgt, indem wir z.B. die frühzeitige Information der Beitragspflichtigen über die straßenbaulichen Vorhaben vorgeschrieben haben ebenso wie die Mitteilung der voraussichtlichen Beitragshöhe drei Monate vor Beginn der Maßnahmen.

Die landesseitige Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen würde Kosten zwischen 100 und 200 Millionen Euro auslösen und hohe Einnahmeausfälle beim Land verursachen. Um diese zu kompensieren, müssten Kürzungen in anderen wichtigen Bereichen wie Bildung, Sicherheit oder Arbeits- und Wirtschaftsförderung erfolgen. Dies wollen wir vermeiden.

Ich möchte hier nun kurz auf die Gerechtigkeitsfrage zwischen den Bürgerinnen und Bürgern eingehen, die Sie in Ihrem Anschreiben thematisieren: Sie führen an, dass Straßen öffentlich benutzt werden können und deshalb die Kosten auf alle Schultern verteilt werden sollten, was für mehr Gerechtigkeit sorgen und eine Last von den Bürgerinnen und Bürgern nehmen würde. Hier muss ich einwenden, dass dies nur für Besitzerinnen und Besitzer von Grundstücken gilt, die im Vergleich zu Menschen ohne Eigentum ohnehin bevorteilt sind. Straßen in einem guten Zustand steigern auch den Wert des angrenzenden Grundstücks, was vor allem den EigentümerInnen zugutekommt.

Die Abschaffung von Straßenausbaugebühren würde bedeuten, dass entweder die Grundsteuer erhöht wird – was i.d.R. auch an Mieterinnen und Mieter weitergegeben wird – oder dass eine gänzlich neue Steuer für alle Bürgerinnen und Bürger eingeführt wird. Berücksichtigt werden muss hierbei, dass auch die Mieten aktuell immer weiter steigen. Dies bedeutet, dass Menschen mit ohnehin hohen monatlichen Abgaben und ohne Eigentum generell stärker belastet werden, während Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer zum einen von finanzieller Entlastung profitieren und zum anderen von den Wertsteigerungen ihrer Grundstücke.

Natürlich ist auch dies eine pauschalisierte Gleichung, da die meisten EigenheimbesitzerInnen dem Mittelstand angehören und viel Geld und Ressourcen in Ihre Grundstücke gesteckt haben. Ich möchte damit aber aufzeigen, dass die Gerechtigkeitsfrage hinsichtlich Straßenausbaubeiträgen nicht so einfach zu beantworten ist. Natürlich kann man trotzdem weiter darüber diskutieren, ob die Abschaffung der Beiträge sinnvoll ist und wie sie sozialverträglich umgesetzt werden kann.

Dennoch hat sich aus unserer Sicht hat der rechtliche Rahmen zur Finanzierung und Sanierung kommunaler Straßen bislang bewährt. Es handelt sich um ein gut funktionierendes und differenziertes Abrechnungssystem, welches einen gerechten Interessenausgleich zwischen bevorteilten Grundstückseigentümern einerseits und der Allgemeinheit andererseits darstellt.

Ich hoffe, ich konnte ihre Anfrage hiermit zu Ihrer Zufriedenheit beantworten.

Freundliche Grüße
Christoph Bratmann

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