Wie stimmen Sie dazu ab?
ehr geehrter Herr Schmid, Wie stimmen Sie dazu ab? Wie haben Sie zu den Einschränkungen beim Bürgergeld abgestimmt?
Damit Apple, Amazon und Co. hierzulande Steuern zahlen, ersann der Fiskus eine spezielle Regel. Die soll nun leise verschwinden. Ein teures Geschenk an die Tech-Branche.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zum geplanten Gesetz zur Umgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, mit dem Reformen beim Bürgergeld umgesetzt werden sollen. Hierüber hat der Deutsche Bundestag noch nicht beraten, es liegt derzeit nur ein Referentenentwurf vor.
Mir ist bewusst, dass die aktuelle Diskussion rund um die Reform des Bürgergelds viele Fragen aufwirft. Für uns als SPD-Bundestagsfraktion sind die geplanten Änderungen im SGB II bzw. dem jetzigen Bürgergeld mit schwierigen Kompromissen verbunden. Die Union hat in den Koalitionsverhandlungen auf umfassende Änderungen in dem Gesetz gedrungen. Wir konnten jedoch wichtige Punkte verteidigen und einige Verbesserungen verankern.
Uns ist es wichtig, die Debatte zur Grundsicherung zu versachlichen und im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zu guten Lösungen zu kommen. Gerne möchte ich auf einige Punkte eingehen, die im aktuellen Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgesehen sind.
Zuerst einige Punkte, die verteidigt und verbessert werden konnten:
Ein wichtiges Anliegen ist uns, dass der Kooperationsplan als zentrales Instrument erhalten bleibt. Er stellt sicher, dass die Zusammenarbeit zwischen Leistungsbeziehenden und Jobcentern auf Augenhöhe erfolgt. Im Kooperationsplan wird ein gemeinsamer Weg schriftlich festgehalten, der sich an den individuellen Qualifikationen und Lebenssituationen orientiert. Ziel ist es, Menschen nachhaltig zurück in Arbeit zu bringen. Alle Leistungsbeziehenden sollen ein konkretes, passendes Angebot von ihrem Jobcenter erhalten.
Darüber hinaus wird der Vorrang der Vermittlung in Arbeit gestärkt – jedoch ohne die individuelle Situation aus dem Blick zu verlieren. Dort, wo eine Qualifizierung langfristig erfolgversprechender ist, soll sie weiterhin Vorrang haben. Das gilt insbesondere für unter 30-Jährige, aber auch für alle, deren Chancen auf eine dauerhafte Eingliederung in den Arbeitsmarkt durch Weiterbildung verbessert werden können.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bekämpfung von Schwarzarbeit. Sozialleistungsmissbrauch und Schwarzarbeit sind keine Kavaliersdelikte. Sie erfordern zwei Seiten: die, die Leistungen unrechtmäßig beziehen, und die, die Schwarzarbeit anbieten.
Wir führen nun die Arbeitgeber:innenhaftung ein. Unternehmen, die systematisch Sozialleistungsmissbrauch und Schwarzarbeit ermöglichen, werden zur Verantwortung gezogen und müssen ggf. unrechtmäßig bezogene Leistungen zurückzahlen.
Auch der Datenaustausch soll verbessert werden, um Schwarzarbeit effektiver zu bekämpfen.
Einsparungen in der Grundsicherung werden wir vor allem erreichen, wenn es gelingt, mehr Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen. Dafür braucht es neben einer stabilen Wirtschaft gezielte Fördermaßnahmen, die die Potenziale der Betroffenen wirklich heben. Das funktioniert nur, wenn die Jobcenter finanziell und personell ausreichend ausgestattet sind. Deshalb wurde der Haushaltstitel im Bundeshaushalt 2025 bereits um eine Milliarde Euro erhöht. Für das Jahr 2026 ist eine weitere Milliarde Euro zusätzlich vorgesehen.
Hingegen kritisch werden vielerorts- auch innerhalb der SPD – die Änderungen bei den Sanktionen diskutiert. Das Bundesverfassungsgericht hat klare Leitplanken gesetzt, wenn es um das gesetzlich garantierte Existenzminimum und mögliche Leistungsminderungen geht. Wir werden als SPD-Bundestagsfraktion sehr genau darauf achten, dass Kürzungen von Leistungen den verfassungsrechtlichen Maßstäben entsprechen. Wenn Leistungsbeziehende zukünftig ein konkretes Jobangebot ablehnen, können ihnen die Leistungen für mindestens einen, höchstens zwei Monate, komplett entzogen werden. In diesem Zeitraum übernehmen die Jobcenter weiterhin die Kosten für die Miete, die direkt an die Vermieter:innen gezahlt werden. Auch bleiben die betroffenen Personen weiterhin krankenversichert. Besonders kritisch sehen wir, dass künftig nach drei versäumten Terminen die Möglichkeit besteht, dass Leistungen komplett eingestellt werden – inklusive der Mietzahlungen. Sozialverbände warnen vor einer möglichen Zunahme von Wohnungslosigkeit. Im vorgelegten Gesetzentwurf ist jedoch klar geregelt, dass vor einer solchen Maßnahme sichergestellt werden muss, dass ein persönlicher Kontakt zur betroffenen Person bestanden hat, um die Gründe für den Kontaktabbruch zu klären. Besonders Menschen mit psychischen Erkrankungen sollen in solchen Fällen geschützt werden.
Wir werden sicherstellen, dass Änderungen am Bürgergeldgesetz nicht zu Wohnungslosigkeit führen. In diesem Zusammenhang wollen wir die aufsuchende Sozialarbeit weiter stärken. Ebenso wollen wir sicherstellen, dass weitere Personen im Haushalt nicht negativ von den Folgen betroffen sind. Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen mit gesundheitlichen oder psychischen Einschränkungen besonders geschützt werden und entsprechende Hilfsangebote erhalten.
Lassen Sie mich aber bitte auch noch eine sehr persönliche Anmerkung machen: Als ehemaliger Mitarbeiter der Agentur für Arbeit liegen mir auch die Beschäftigten der Arbeitsagenturen und Jobcenter am Herzen. Aus diesem Grund habe ich auch innerparteilich immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass es zwar wirklich sehr wenige Fälle von Totalverweigerern gibt, dass es aber der Respekt gegenüber den Beschäftigten verlangt, diesen auch eine Möglichkeit der "Sanktionierung" dieser Personen einzuräumen.
In den kommenden Gesetzesverhandlungen gilt es sicherzustellen, dass die Grundsicherung weiterhin diejenigen unterstützt, die Hilfe brauchen – mit Existenzsicherung, Teilhabe und Chancen durch Qualifizierung und Vermittlung in Arbeit. Wir wollen, dass der Sozialstaat dort Schutz bietet, wo er gebraucht wird und dabei immer die individuellen Lebenssituationen der Menschen und ihrer Familien berücksichtigt.
Wenn diese skizzierten Grundlagen umgesetzt werden, so werde ich dem Gesetz im Bundestag auch zustimmen können.
Ebenso vielen Dank für Ihre Anmerkungen zur Lizenzschranke nach § 4j EstG. Internationale Konzerne nutzen niedrige Steuersätze im Ausland, um dort u.a. Patent- und Lizenzgesellschaften zu gründen. Die Lizenzschranke verhindert, dass Lizenzgebühren ins Ausland als Betriebsausgaben abgezogen werden können. Wir haben in der Anhörung zum Gesetz und in unseren Beiträgen im Ausschuss und Plenum deutlich gemacht, dass wir die Sorgen um die Abschaffung der Lizenzschranke grundsätzlich teilen. Uns war und ist bewusst, dass damit Risiken verbunden sein können. Für die Streichung spricht, dass es in den OECD-Ländern keine als schädlich eingestuften Patentboxen mehr gibt. Diese Länder haben ihre Patentboxen an den Anforderungen des sog. Nexus-Ansatzes der OECD orientiert. Der Nexus-Ansatz besagt, dass die Lizenzgesellschaften selbst über ein hinreichendes Maß an eigener Substanz und Tätigkeit auf dem jeweiligen Forschungsgebiet verfügen müssen. All diese Regelungen sollen einem Missbrauch vorbeugen.
Nichtsdestotrotz war es uns ein wichtiges Anliegen, im parlamentarischen Verfahren eine Kontrolle sicherzustellen. Mit der Protokollerklärung zur Evaluation bis 2028 haben wir daher zumindest einen Mechanismus geschaffen, der die Auswirkungen eng begleitet und gegebenenfalls Korrekturen ermöglicht - dies wäre andernfalls nicht vorgesehen. Ein wesentliches Ziel in den Verhandlungen war zudem, die Balance zu halten und weiteren Forderungen Einhalt zu bieten. Die Mindeststeuer allein wird das Problem der Gewinnverlagerung nicht lösen. Sie ist aber ein mühsam erkämpfter Fortschritt, der unter schwierigen internationalen Bedingungen zustande kam. Gerade weil sie nicht das Herzensanliegen aller Akteure ist, kommt es jetzt darauf an, sie zu verteidigen, weiterzuentwickeln und ihre Umsetzung glaubwürdig zu sichern.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Schmid, MdB