Frage an Daniel Kerekes von Manfred H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Rauhut,
DIE LINKE hat auf ihrem Parteitag in Hannover ein Papier mit dem Titel "Solidarität für Venezuela" beschlossen. Dort wird die Eskalation der Lage in V. allein der Opposition, der USA, der EU und der Organisation Amerikanischer Staaten in die Schuhe geschoben. Fakt ist jedoch, dass Präsident Maduro nicht erst seit zwei Wochen eine Diktatur in V. anstrebt und die Probleme (höchste Mordrate weltweit, fehlende Infrastruktur, Enteignung des Mittelstands etc.) alle hausgemacht und bereits durch Hugo Chavez initiiert wurden. Mit der höchstwahrscheinlich durch Wahlmanipulation eingeführten Verfassungsgebenden Versammlung und der Amtsenthebung der Generalstaatsanwältin Ortega durch eben diese, halte ich das o. a. Papier allerspätestens jetzt für einen Schlag ins Gesicht jedes nicht der Regierung treu ergebenen Venezolaners (Meine Frau ist aus V. und ihre Familie lebt in Caracas, ich kenne also die Realität dort).
Hält DIE LINKE auch nach den jüngsten Ereignissen immer noch an der Solidarität mit der bolivarischen Revolution und an dem zukünftigen Diktator Maduro fest?
Sehr geehrter Herr H.,
ich finde diese Frage sehr schwierig zu beantworten, da das Thema komplizierter ist, als es die Medien darstellen.
Die bolivarische Revolution war ein Ansatz, die grassierende Armut zu bekämpfen und die Ausbeutung Lateinamerikas durch Europa, die USA und die reichen Familienclans zu beenden. Und er zeigte ja auch erfolge, wie z.B. in Venezuela und Ecuador, wo die Armut um mehr als 50 Prozent gesunken war bzw. ist.
Gleichzeitig waren die Absichten von Hugo Chavez ehrlich: Er wollte eine offene demokratische Gesellschaft, an der jeder Teilhaben kann. Chavez hat vor seinem Tod noch ein Papier verfasst, in dem er alle schwächen der damaligen und aktuellen Situation benannte:
- Korruption
- Bürokratische Blase
- Kapitalabwanderung durch Steuerhinterziehung
- Das Ausbleiben aus den Öl-Gewinnen weitere Industrien aufzubauen
Das Maduro und seine Entourage es nicht beherzigten war fatal.
Heute stehen wir vor der Situation, dass auf der einen Seite Maduro und seine politischen Gefährten ihre Macht absichern wollen und auf der anderen Seite heizen die Oligarchen des Landes die Stimmung gemeinsam mit den Nationalkonservativen und Rechten Parteien auf. Nicht nur, dass sie medial agieren, sie organisieren gewaltsame Proteste bei denen Menschen sterben.
Die Leittragenden beider Vorgehensweisen sind die EinwohnerInnen Venezeuals. Die „Opposition“ kann es kaum erwarten durch Gewalt an die Macht zu kommen, um den Staat in einen Selbstbedieungsladen umzubauen, der zu Armut unter den Massen führt. Maduro auf der anderen Seite tut nichts gegen die Korruption, die schwindende Demokratie und die zunehmende Bürokratie, im Gegenteil.
Als Linker außerhalb Venezuelas kann ich nicht in die Geschehen in Venezuela eingreifen, aber ich kann ehrlich analysieren. Als Sozialist muss ich nicht der Logik folgen „der Feind meines Feindes“ ist mein Freund oder das kleinere Übel. Ich bin solidarisch mit der Graswurzel Bewegung, die in Venezuela seit 1999 besteht und die eine sozialistische und demokratische Gesellschaft aufbauen möchte, meine Partner sind weder Maduro noch die selbsternannte Opposition.
Beste Grüße