Frage an Daniela Kolbe bezüglich Gesundheit

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Daniela Kolbe
SPD
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Frage von Micha H. •

Frage an Daniela Kolbe von Micha H. bezüglich Gesundheit

Hallo Frau Kolbe!

Ich hätte ein paar Fragen zum Regierungsprogramm der SPD (ich bin im Bereich der Gesundheitspolitik tätig).

Welche Ziele werden gesundheitspolitisch in der nächsten Legislaturperiode verfolgt? Stichwort Gesundheitsfonds, alternde Gesellschaft

Wie ist Ihre Position zur Frage des Fortbestands wohnortnaher, inhabergeführter Apotheken? Wie beurteilen Sie Apothekenketten, Versandapotheken bzw. Pickup-Stellen für Rezepte? Sollte ein Versandverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel (Rx) doch noch eingeführt werden? Wie kann gegen die zunehmende Zahl von Arzneimittelfälschungen vorgegangen werden?

Wie können Ausbildungsberufe und Studiengänge so harmonisiert werden, dass deutsche Angestellte im europäischen Wirtschaftsraum bessere Chancen haben?

Wie beurteilen Sie die zukünftige Bedeutung von Gewerkschaften? Erscheinen dabei eher Mindestlöhne oder eine konsequentere Umsetzung der Tarifbindung sinnvoll?

Für Ihre Antwort bedanke ich mich herzlich!

Beste Grüße

MH

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Heuvel,

vielen Dank zu ihren zahlreichen Fragen zur Gesundheits-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik, die ich hier kurz beantworten möchte.

Wie auch die SPD insgesamt bin ich der Meinung, dass eine gerechte Versicherung gegen die allgemeinen Lebensrisiken Krankheit und Pflegebedürftigkeit am besten mit dem Modell der Bürgerversicherung erreicht werden kann. Die Bürgerversicherung würde alle Bürgerinnen und Bürger in die Finanzierung des Gesundheitssystems einbeziehen, ebenso wie die verschiedenen Einkommensarten. So kann ein solidarischer Ausgleich geschaffen werden und die steigenden Kosten des Gesundheitssystems werden von allen getragen. Gerade in einer alternden Gesellschaft ist dies von herausragender Bedeutung – schließlich sollen alle Menschen am medizinischen Fortschritt teilhaben. Leider will die Union mit ihrem Modell der Kopfpauschale einen anderen Weg gehen, so dass die Reform der Gesundheitspolitik in der aktuellen Legislatur (Gesundheitsfond) zu einem sicher respektablen, aber noch deutlich verbesserungswürdigen Ergebnis geführt hat.

Ich befürworte den Fortbestand der von approbierten Apothekerinnen und Apothekern geführten Apotheken und sehe den Trend zur Apotheken-Kette und zur Online-Apotheke kritisch. Auch wenn Wettbewerb an einigen Stellen zu niedrigeren Preisen führen kann, bin ich der Meinung, dass in einem derart sensiblen Bereich wie der Medikamentenversorgung der Gesundheitsaspekt oberste Priorität hat. In diesem Sinne hat im Mai dieses Jahres auch der Europäische Gerichtshof entschieden und die deutsche Gesetzgebung als vereinbar mit dem europäischen Wettbewerbsrecht erklärt.

Grundsätzlich unterstütze ich die Internationalisierung der Ausbildung und die damit einher gehenden Möglichkeiten von Studierenden und Auszubildenden, grenzüberschreitend Erfahrungen zu sammeln und später auch im Ausland zu arbeiten. Leider sind in den entsprechenden Prozessen (Bologna- bzw. Kopenhagen-Prozess) deutliche Fehlentwicklungen aufgetreten. Die BA/MA-Studiengänge müssen von der Überfrachtung mit Studieninhalten befreit und mehr Flexibilität sollte ermöglicht werden.
Die Studienabläufe müssen es zulassen tatsächlich Auslandserfahrung zu sammeln. Dem Übergang zum Master dürfen keine unnötigen bürokratischen Hürden im Wege stehen. Viele dieser Dinge müssen aber die Länder bzw. die Universitäten selbst regeln. Was die Europäisierung der Ausbildung angeht, denke ich, dass bewährte deutsche Ausbildungstraditionen wie das duale System und das Leitbild der Beruflichkeit einer Modularisierung nicht zum Opfer fallen dürfen. Dies muss bei der Umsetzung in Nationalen Qualifikationsrahmen beachtet werden und ggf. muss da nachgesteuert werden.

Schließlich zu den Gewerkschaften. Als Gewerkschaftsmitglied und Sozialdemokratien wünsche ich mir persönlich natürlich eine deutlich stärkere Rolle der Gewerkschaften in Zukunft. Insbesondere in bisher schwach organisierten Bereichen wie Teilen des Dienstleistungssektors müssen die Gewerkschaften wieder stärker werden. Eine konsequente Tarifbindung ist natürlich wünschenswert, aber gerade hier im Osten Deutschlands real oft nicht vorhanden. Deshalb haben Sozialdemokratie und Gewerkschaften nach langer und intensiver Debatte die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns als geeignetes Mittel angesehen, weiteren Druck auf die Löhne von gering verdienenden Menschen zu nehmen. Viele Menschen arbeiten (gerade hier im Osten) für Hungerlöhne um die drei bis vier Euro in der Stunde – dem muss Einhalt geboten werden! Wer Vollzeit arbeitet, sollte auch von seinem Lohn leben können. Ein gesetzlicher Mindestlohn ist dafür ein geeigneter Weg. Einer Stärkung der Gewerkschaften und einer Steigerung der von ihnen ausgehandelten Tariflöhne steht ein Mindestlohn nicht entgegen.

Mit freundlichen Grüßen,

Daniela Kolbe