Frage an Ernst Dieter Rossmann bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Ernst Dieter Rossmann
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Frage von Hans-Peter H. •

Frage an Ernst Dieter Rossmann von Hans-Peter H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Rossmann,

Bitte erklären Sie mir, warum Sie heute für ein 4. Rettungsprogramm für Griechenland stimmen werden. Bitte vermeiden Sie in Ihrer Antwort Statements wie "es geht um Europa, etc." Mich interessiert nur, ob Sie glauben (wissen können Sie es ja nicht), ob Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen wird und ob es nicht ehrlicher wäre, zu sagen, "Wir schenken den Griechen das Geld und dafür muss jeder Bürger einen Soli bezahlen.

Danke für Ihre Antwort.

Freundliche Grüße aus Rellingen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Holzwarth,

zur Entscheidung des Deutschen Bundestages, auf der Grundlage der gemeinsamen Beschlüsse der Euro-Staaten, der EU und des griechischen Parlaments in Verhandlungen für die Auflegung eines sogenannten dritten Rettungspaketes einzutreten, habe ich zahlreiche Zuschriften bekommen.

Ich möchte auf diese Zuschriften nicht in allen Details antworten, zumal ich jetzt ja auch wiederholt in meinem Wahlkreis Diskussionen angeboten habe. Die letzte dieser Art hat am Mittwoch vor der Abstimmung stattgefunden, bei einem kleineren Kreis von Interessierten, die sich der offenen Aussprache stellten. Ich bitte deshalb um Verständnis dafür, dass ich nicht auf jede einzelne dieser Zuschriften mit einem individuellen Brief eingehen kann, sondern versuche, meine grundsätzliche persönliche Argumentation darzulegen.

Zugleich möchte ich all denen, die in meinen Augen einfach nur sehr unflätige und beleidigende anonyme E-Mails mit Drohungen geschrieben haben, gerne ganz ehrlich mitteilen, dass ich diesen angeblichen „Heldenmut“ für ziemlich kleingeistig, dumm und unerwachsen halte. Auch für diese bemitleidenswerten Menschen, wie z.B. „heiner“, ist diese ausführliche Antwort gedacht mit der Bitte, sich nur einen Moment auf die Sache einzulassen und nicht nur auf das eigene Beleidigtsein gegenüber der Welt und auf die Verachtung gegenüber den Regeln unserer Demokratie zu hören. Auch bei diesen Menschen werbe ich darum, sich für die anständige politische Auseinandersetzung zu entscheiden und nicht für das Beleidigen- und Erniedrigenwollen eines Volksvertreters um jeden Preis. Es ist eine schändliche Unkultur, über das Internet seine Befriedigung im Beleidigen von anderen Menschen suchen zu müssen. Ich möchte auch alle anderen seriösen E–Mail–Schreiberinnen und Schreiber bitten, diesem Ungeist persönlich entgegen zu treten.
Deshalb:

1. Für mich ist das vereinigte Europa eine Solidargemeinschaft, eine Kulturgemeinschaft, eine Bildungsgemeinschaft, eine Wirtschaftsgemeinschaft, eine effiziente und moderne Staatsgemeinschaft und nicht zuletzt auch eine Friedensgemeinschaft. Dieses ist, auch wenn hierüber einige sehr abfällig denken und schreiben, ein Grundsatz, der auch aus unserem deutschen Gesichtspunkt heraus sehr ernsthaft immer im Auge behalten werden sollte. Dieses gemeinsam gewachsene Europa hat uns bei allem hin und her nicht nur 70 Jahre Frieden gebracht, den frühere Generationen nie genießen konnten, sondern auch einen gewachsenen Wohlstand. Es ist zugleich etwas, was uns auf Zukunft gesehen Gewicht in einer Welt gibt, die sich immer mehr nach neuen wirtschaftlichen Kraftzentren ausrichtet. Deutschland alleine würde gegenüber China, Indien, Brasilien, dem wachsenden Wirtschaftsraum im Nahen Osten oder auch gegenüber den USA nicht mit der Kraft auftreten können wie dieses gemeinschaftlich in Europa getan wird. Aus dieser Grundeinschätzung heraus bin ich der vollen Überzeugung, dass es gefährlich ist mit Kurzsichtigkeit zu zündeln und das Europa der gemeinsam gewachsenen Solidarität aufzukündigen.

2. Natürlich ist mir klar, dass Europa mehr ist als der Euro und nicht alle Staaten in der Europäischen Union dem Euro angeschlossen sind. Dennoch ist es etwas, was auf ganz Europa ausstrahlt, wenn ein Staat, der einmal in den Euro - egal unter welchen kritikwürdigen Umständen etc. etc. etc. - aufgenommen worden ist, diesen Euro wieder verliert. Dieses ist kein gutes Zeichen für die Solidarität in Europa und würde auch in der Welt nicht so verstanden werden mit all den Folgewirkungen, die ein Ausschluss aus dem Euro haben könnte. Auch mit Bezug auf andere Staaten, das Spekulieren von großen Finanzkräften gegen diese anderen Staaten und dann auch letztlich gegen die starke Eurogruppe und Euro-Wirtschaftsmacht, von der bei einer Zerstörung am meisten Deutschland negativ betroffen wäre. Wer dieses will, soll dieses sagen, ich möchte dieses nicht.

3. Über technische Fragen, was in einer jeweiligen Notsituation in einem kleinen Staat, oder es kann auch einmal ein größerer Staat sein wie Spanien, das richtige finanz- und wirtschaftspolitische Vorgehen ist, kann man durchaus sehr verschiedener Meinung sein. Ich selbst habe mich in diesem Zusammenhang auch bereits einmal dazu entschieden, als Abgeordneter gegen die Mehrheit des Parlamentes zu stimmen und dieses auch entsprechend deutlich zu machen. Dieses war aus Anlass des sogenannten zweiten Hilfspaketes für Griechenland, weil ich fand, dass dieses damalige Paket keine soziale und finanzielle Ausgewogenheit hatte und die Troika nicht das veranlasst hat, was absehbar das wichtigste wäre, nämlich auch einen finanziellen Ausgleich durch die Wohlhabenden in Griechenland selbst, d.h. eine Solidarität in Griechenland selbst zur Voraussetzung für Hilfen zu machen und auch entschiedener darauf zu drängen, dass es einen sauberen Staatsaufbau gibt, so wie er auch jetzt noch erst recht in Griechenland mit seiner spezifischen Geschichte endlich kontinuierlich in Angriff genommen werden muss.

4. Wenn ich mir jetzt das dritte Hilfspaket ansehe, mit den sehr genauen Bedingungen, die von den europäischen Staaten an den Partner Griechenland zur Auflage gemacht wurden, so mache ich aus meiner Meinung keinen Hehl, dass mir auch hier wirklich nicht alle Elemente gefallen, weil sie keine ausreichende soziale Ausgewogenheit haben. Aber immerhin gibt es erste Vorstöße, auch die Besserverdiener mit in die Solidarität hinein zu nehmen. Vor allem finde ich es sehr wichtig, dass nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung hier darauf gedrungen wird, das eine unbelastete neue Regierung in Griechenland endlich das auch zielstrebig in Angriff nimmt, was für einen sauberen Verwaltungs- und Staatsaufbau, der sich sicherlich noch über längere Zeit hinziehen wird, unbedingt notwendig ist. Die alten Regierungskräfte, sei es von der konservativen oder auch von der PASOK-Seite, haben dieses leider absichtlich oder nicht absichtlich nicht gemacht, und bisher waren auch die Geldgeber nicht so darauf erpicht, dieses so hart durchzufechten, wie sie es jetzt offensichtlich sind. Dieses ist auch eine ganz direkte Kritik an Frau Merkel und Herrn Schäuble, die natürlich alles dafür getan haben, dass die konservative Klientel ihre Schäfchen ins Trockene bringen konnte. Aber dies ist ein anderes Kapitel.

5. Wirklich entscheidend ist, dass es jetzt eine Verabredung zwischen den europäischen Staaten und Griechenland gibt, die auch die gemeinsame Verpflichtung vorzeichnet, wie man für neue Chancen in Griechenland mit dem Euro sorgen kann und wie gleichzeitig der Staat effizienter und besser aufgebaut werden kann und wie drittens es vor allen Dingen auch neue Investitions- und Wirtschaftsimpulse mit gibt. Diese drei Aspekte sehe ich im dritten Paket, was nach meinem Empfinden bisher das Beste der vorgeschlagenen Pakete ist. Bei aller Kritik – ich wiederhole es gerne noch einmal – an manchen Akzenten, die ich nicht gut finde - gerade im Arbeitnehmerbereich. Aber es ist jetzt die gemeinsame Verabredung und mit dieser gemeinsamen Verabredung muss man arbeiten. Alles andere würde nicht nur in Griechenland, wo die Menschen ja genau dieses wollen, nämlich im Euro bleiben, Unterstützung für neue Chancen bekommen und gleichzeitig mit einer neuen unbelasteten Regierung auch Reformen nachhaltig wirklich umsetzen, neues Vertrauen im Ansatz zerstören und dieses möchte ich nicht.

6. Ich möchte dieses umso weniger, als die Alternativen in einem größeren Zusammenhang politische Probleme machen würden, wenn es um die Geschlossenheit von Europa, die Auseinandersetzung im wirtschaftlichen Bereich mit den neuen Gewichtungen auf der Welt, im sicherheitspolitischen Bereich in der Auseinandersetzung von Europa mit Russland oder im europapolitischen Bereich, wenn es um die Destabilisierung von Südosteuropa geht. Und dies ist für mich auch eine Frage der Risikoabschätzung. Was passiert jetzt schon in Griechenland unter den erschwerten Bedingungen und was würde erst recht passieren, wenn Griechenland aus dem Euro herausfliegen würde? Zum Beispiel in der Gesundheitsversorgung, zum Beispiel in der Absicherung kleiner Einkommen, Pensionen und Ersparnisse, zum Beispiel in der Bereitschaft dort zu investieren, zum Beispiel in dem Anreiz, sich auch wirklich eine neue Verwaltungsstruktur und neue Effizienz zu geben etc.? Zwar behaupten einige kenntnisreiche Menschen, dass diese negativen Folgen alle nicht eintreten müssten, aber die überwiegende Zahl der kenntnisreichen Menschen sieht genau das Gegenteil und warnt ausdrücklich vor entsprechenden Risiken.

7. Klar ist dabei, dass die Europäische Staatengemeinschaft ihren Bürgerinnen und Bürgern genauso
nüchtern sagen muss, dass so oder so in der Solidarität für einen Staat dieser Staatengemeinschaft und seine Bürgerinnen und Bürger Geld geflossen ist, Geld fließt und Geld auch weiter fließen wird. Allerdings sind diejenigen, die behaupten, man würde über einen Ausschluss Geld einsparen, offensichtlich von der Auffassung getragen, dass Griechenland dann als ein Quasi-Entwicklungsland keine Solidarität mehr aus Europa erfahren würde. Dem kann ich nur entgegenhalten: Griechenland wäre zwar aus dem Euro ausgeschlossen oder ausgetreten, aber es wäre damit immer noch ein bedeutender Staat in Europa, in unserer gemeinsamen Geschichte, in unserer Nachbarschaft, in unserer Mitverantwortung und würde dort mindestens das gleiche an Unterstützung erfordern, wenn nicht sogar mehr, um überhaupt eine Perspektive für seine Menschen in der Europäischen Gemeinschaft zu bekommen. Ob und wie deshalb ehrlich umgesetzt wird, was landläufig unter dem Stichwort vom Schuldenschnitt abgehandelt wird, mögen die Experte so erörtern, dass den Menschen und zukünftigen Generationen hier auch reiner Wein eingeschenkt wird. Ich teile mit meinem angelesenen Informationsstand die Einschätzung, dass es ohne einen Nachlass von Schulden schwerlich möglich sein wird, dass Griechenland die Kraft bekommen kann, nicht nur auf öffentliche Kredite, sondern auch private Kreditquellen zurückgreifen zu können.

8. Dieses ist aber für eine volkswirtschaftliche Prosperität genauso wichtig wie ein in sich funktionierendes Banken- und Kreditsystem. Unabhängig davon will ich überhaupt nicht einem Spekulationswesen, einem überbordenden Bankenprofit etc. das Wort reden. Aber es ist nun mal eine volkswirtschaftliche Grundtatsache, dass sich ohne Sparkassen, Genossenschaftsbanken, freie Banken und allgemeines Kreditwesen etc. eine wirtschaftliche Investition, eine wirtschaftliche Bewegung schwerlich organisieren lässt. Deshalb finde ich die einseitige Diffamierung der Bankenrettung auch ökonomisch zu kurzsichtig.

9. Nachdem die alten Clans, Eliten und Familien, die das Land unter sich aufgeteilt haben, nach der letzten Wahl in Griechenland offensichtlich zunehmend in den Hintergrund gedrängt werden, gibt es eine neue Regierung, die einerseits breite Zustimmung im Volk verzeichnet, aber andererseits eine sehr schwierige Zusammensetzung in der Partei Syriza selbst und erst recht in der Koalition der Links- und Rechtspopulisten zusammen hinter sich hat, und die zum Dritten auch nicht nur von verantwortungsvoll agierenden Kräften getragen wird. Ich persönlich halte zum Beispiel die Abhaltung des Referendums für einen schweren Fehler der griechischen Regierungsspitze, weil sie dadurch zwar nochmal Zustimmung vom Volk für sich mobilisiert hat, aber objektiv und faktisch natürlich das, was sie für Griechenland an Rettungsprogramm hätte konstruktiv verhandeln können, dramatisch eingeschränkt und verschlechtert hat. Das sind nun einmal die Fehler aus meiner, aus unserer Wahrnehmung, die in Griechenland auch selbst gemacht wurden. Trotzdem, wenn jetzt die Regierung Tsipras einige wichtige Entscheidungen trotz aller innenpolitischer Widerstände endlich angeht, wie z.B. bei der Neustrukturierung der Steuerverwaltung und der Besteuerung von Luxusgütern, habe ich großen Respekt davor.

10. Allerdings fragt man sich natürlich schon, weshalb eine vermeintlich linke Regierung, die ja in Wirklichkeit eine Koalition von DKP über Links–Partei bis zur AfD und anderen Rechtspopulisten ist, erst überhaupt nicht zu Kapitalverkehrskontrollen und Sperrung von höchsten und hohen Auslandskonten bei reichen Auslandsgriechen und eine entsprechende Initiative für eine sozialgerechte Steuerpolitik mit gegriffen hat. Aber dieses ist das Problem der griechischen Regierung und soll nicht das Problem von uns in Europa und in Deutschland werden. Umso bemerkenswerter ist es, dass der griechische Ministerpräsident offensichtlich über seine eigene Syriza-Partei hinweg denkt und sich unter anderem auch mit anderen Kräften in Griechenland zusammen abgestimmt hat und dort ein breiteres Zustimmungsbündnis für notwendige Entscheidungen mit erreicht hat. Ich finde dies auch deshalb bemerkenswert, weil es zeigt, dass es vom griechischen Ministerpräsidenten bis in den größeren Teil seiner Regierungsfraktion eine Bereitschaft gibt, in der Stunde der Not über eine kleinlich wirkende ideologische Linientreue hinwegzusehen und so das hier Notwendige, das Verabredete und das Perspektivische auch gemeinsam umzusetzen. Und deshalb habe ich dem von den Euro-Staaten und Griechenland gemeinsam Verabredeten grundsätzlich meine Zustimmung geben können.

Abschließend möchte ich noch einmal 6 Punkte knapper gefasst festhalten:

1. Ich orientiere mich an einem zukunftsfähigen Leitbild von Europa und nicht an einer monetären Betrachtung, weil jeder einzelne Mensch, auch in Deutschland, von einem guten und gemeinsam politikfähigen Europa nur Vorteile hat.

2. Ich sehe Europa als eine Solidargemeinschaft aber auch als eine Effizienzgemeinschaft. Deshalb ist es mir auch so wichtig, dass es hier jetzt endlich klare und massiv eingebundene Verpflichtungen gibt, dass auch das griechische Staatswesen, die Verwaltung und Rechtsprechung etc. sich auf den Weg begeben müssen, der europäischen Leitidee besser zu entsprechen. Das ist zwar eine Einschränkung von Souveränität, die sehr hart ist, aber im Europa der Zukunft wird es solche gemeinsamen Verabredungen und auch gemeinsame Vorgehensweisen geben müssen oder es gibt dieses Europa für alle in der Zukunft eben nicht.

3. Wenn ein Weg einmal verabredet worden ist und gerade in Griechenland unter Schmerzen angegangen wird, muss jeder sich fragen, was dann eigentlich die Alternative ist, die er gegen das griechische Volk, gegen das griechische Parlament und gegen die Gemeinschaft der Europäischen Staaten unter allen Umständen durchsetzen will. Ich finde es legitim, hier eigene Ideen, bis hin auch zur Enthaltung in der Abstimmung in die Diskussion einzubringen. Aber ich erwarte auch eine verantwortliche Auseinandersetzung mit den möglichen Risiken, Gefährdungen und entsprechenden Abwägungen, die für den richtigen Weg vorzunehmen sind.

4. Natürlich ist die Geschichte noch nicht zu Ende, sondern so wie Europa jetzt zum Glück für Deutschland erst die letzten 70 Jahre Frieden gefunden hat, so braucht auch das Zusammenwachsen von Europa noch eine lange Zeit. Ich weiß, dass es viele gibt, die dieses Europa zum Teufel wünschen und denken, die Zukunft liegt wieder alleine im kleinen Nationalstaat. Ich teile diese Auffassung ausdrücklich nicht und sehe, dass es zu diesen Auffassungen, nämlich der Renationalisierung (das mit dem Finger auf andere zeigen, das gegeneinander und nicht miteinander arbeiten, das Vorurteile pflegen und sich selbst besser dünken) keine politische Brücke gibt. Gut wäre es nur, wenn dieses dann auch direkt so gesagt würde, statt sich an einem schwierigen Problem wie Griechenland stellvertretend abzuarbeiten.

5. Wie das Europa der Zukunft in Solidarität und nach welchen Prinzipien, in welcher demokratischen Form, mit welchen ökonomischen gemeinsamen Verantwortlichkeiten zusammenwächst, ist noch eine lange Geschichte. Dazu gehört auch, dass nüchtern betrachtet wird, mit welchen finanziellen und ökonomischen Lasten es verbunden ist. Allerdings finde ich die Darstellung der Bild-Zeitung, als ob Deutschland bisher nur Lasten gehabt hätte, ausdrücklich volksverdummend und zu kurz greifend. Natürlich stehen wir auch in der Garantie für das, was europäische Institutionen wie EZB oder andere an Unterstützung gegeben haben. Gleichzeitig haben wir noch Zinsgewinne eingestrichen aus den unmittelbaren Krediten an Griechenland und haben auch insgesamt über den starken Euro ein so niedriges Zinsniveau für uns, dass wir in Deutschland dort nur ökonomisch profitieren konnten, in der Stabilität unserer Wirtschaft, im Aufbau von großen Exportüberschüssen und den Wirkungen, die dieses dann auch in Bezug auf die Wohlfahrt in Deutschland hat.

6. Wer aber etwas bekommt, muss hierfür auch besondere Gegenleistung zeigen. Das gilt für Griechenland gegenüber der Solidarität von Europa. Das gilt auch für Deutschland in seiner besonderen Stellung in Europa. Ich wünsche mir ausdrücklich das Denken von der Gemeinsamkeit her. Dieses ist dann letztlich die Grundentscheidung gewesen, aus der heraus ich diesem dritten – und es wird nicht das letzte sein – Solidaritätspaket für Griechenland oder für andere Länder in Europa grundsätzlich zustimme. Ich kann mir genauso gut vorstellen, an bestimmten Stellen, dort wo ich glaube, klare Gegenzeichen setzen zu müssen oder dem absolut nicht zustimmen zu können, von meinem Recht als Abgeordneter Gebrauch zu machen und dieses dann auch durch eine entsprechende Abstimmung im Parlament auszudrücken. Wobei auch Deutschland nicht so tun soll als ob es in der Vergangenheit nicht die europäische Solidarität erfahren hat, von der Wiedervereinigung bis zum überhöhten Haushaltsdefizit, und diese nicht irgendwann evtl. auch wieder brauchen könnte.

Bitte entschuldigen Sie, wenn ich auf kurze Fragen länger geantwortet habe, aber Sie wollten ja eine Antwort und nicht nur einen Schlagabtausch. Aus diesem Grunde erlaube ich mir auch Ihnen drei Dokumente zu0r informativen und gedankenanregenden Lektüre mitzuschicken:

1. Meine damalige Erklärung, aus der heraus ich dem zweiten Rettungspaket nicht zugestimmt habe.

2. Die Rede von Sigmar Gabriel, die er im Bundestag aus Anlass der Unterstützung für die Aufnahme von Verhandlungen für das dritte Rettungspaket gehalten hat.

3. Die Verabredung der Staatschefs der Euro-Zone vom 12. Juli 2015, auf deren Grundlage jetzt mit Zustimmung des griechischen Parlaments und anderer Parlamente der Euro-Zone das weitere Vorgehen behandelt und verhandelt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ernst Dieter Rossmann