Frage an Ernst Dieter Rossmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ernst Dieter Rossmann
SPD
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Frage an Ernst Dieter Rossmann von Michael M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Rossmann,

auch ich mußte mit Bestürzung feststellen, dass sie, trotz schwerwiegender Bedenken, für den "Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen" gestimmt haben.

Die Begründung lautet u.a.
"Wir werden diesem Gesetzentwurf trotz dieser Bedenken zustimmen, weil es den Rechtspolitikern unserer Fraktion gelungen ist, hohe Hürden für die Umsetzung dieser problematischen Restriktionen einzuziehen."
Ich stimme einem Gesetz zu, versuche aber die Umsetzung so schwer wie möglich zu machen? Was ist denn das bitte für eine Logik?

Oder noch Schlimmer:
"Eine Zustimmung ist auch deshalb vertretbar, weil davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird."
Das deute ich so, ich stimme einem Gesetzesentwurf zu, weil ich davon ausgehe, dass das Bundesverfassungsgericht im nachhinein meine Entscheidung "gerade zieht"?!.

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir diese Argumentation etwas näher erläutern könnten.

Vielen Dank.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mohr,

vielen Dank für Ihre Frage zu meinem Abstimmungsverhalten zum Telekommunikationsüberwachungsgesetz.

Hinsichtlich der Bewertung des Gesamtproblems möchte ich Sie auf die Antworten an Herrn Stefan Janke bzw. Herrn Karsten Koop hier bei abgeordnetenwatch.de hinweisen, dort finden Sie ausführlich, wie ich das Gesetz insgesamt inhaltlich einschätze.

Meine eigenen Zweifel habe ich auch noch einmal in der Persönlichen Erklärung des Abgeordneten Christoph Strässer und anderer, der ich mich im Bundestag angeschlossen habe, benannt. Ich habe mich nicht deshalb daran beteiligt, weil ich mit jeder Formulierung und jedem Argument übereinstimme, sondern weil mir wie auch Ihnen das Grundproblem nahe geht und ich mit anderen und der SPD-Fraktion insgesamt einfordere, die Grenzen nicht weiter zu überschreiten. Entscheidend bei der Telekommunikationsüberwachung bleibt letztlich der Richtervorbehalt und dass dieser sehr klar und sauber gefasst und durchgeführt wird. Das ist am Ende auch das ausschlaggebende Argument für meine Zustimmung zum Telekommunikationsüberwachungsgesetz gewesen (siehe Ziffer 5 der Erklärung).

Sie sprechen die Formulierung aus der Persönlichen Erklärung zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes an. Ich weiß aus den umfangreichen Diskussionen im Vorfeld, dass manche das beschlossene Gesetz für verfassungswidrig halten. Nicht zuletzt haben auch einige Bürgerrechtsorganisationen und auch viele Einzelpersonen eine Verfassungsbeschwerde angekündigt..

Bei vielen Gesetzen, die erlassen werden, wird diskutiert, ob diese verfassungsgemäß sind oder nicht. Das ist in einem demokratischen Rechtsstaat mit einer so starken, grundrechtsschützenden Verfassung wie Deutschland ganz selbstverständlich. Natürlich gibt es hierzu auch unterschiedliche Auffassungen. Grundsätzlich gilt aber: Die Abgeordneten können nicht automatisch deshalb auf den Beschluss eines Gesetzes verzichten, das sie selbst für sinnvoll und eben auch für verfassungsmäßig halten, nur weil es auch andere Einschätzungen und Expertisen gibt. Dann würde, einmal weitergedacht, Rechtsetzung angesichts der in der Regel an brisanten Materien strittigen Rechts- und Verfassungsfragen stark erschwert werden. Die Möglichkeit, durch Verfassungsbeschwerden Verletzungen der Grundrechte geltend zu machen, ist das gute Recht aller Bürgerinnen und Bürger. Die Entscheidung dieses Dissenses obliegt dann eben dem Bundesverfassungsgericht.

In diesem konkreten Fall teile ich selbst mit den Rechtspolitikern meiner Fraktion und dem Bundesjustizministerium die Auffassung, dass dieses Gesetz letztlich verfassungsgemäß ist. Sollte das Bundesverfassungsgericht hier anderer Auffassung sein -- und es steht ja eine zeitnahe Überprüfung offenbar an -- dann sind die entsprechenden Regelungen dann eben verfassungsgemäß zu gestalten.

Aus diesen Überlegungen kann ich den -- wenn auch vielleicht etwas unglücklich formulierten -- Satz aus der Persönlichen Erklärung nur noch einmal unterstreichen.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit weiterhelfen und Ihnen meine Entscheidung, die ich mir nicht leicht gemacht habe, etwas erläutern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Ernst Dieter Rossmann