Frage an Eva-Maria Schreiber bezüglich Gesundheit

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Eva-Maria Schreiber
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Frage von Gunter W. •

Frage an Eva-Maria Schreiber von Gunter W. bezüglich Gesundheit

Grüß Gott Frau Schreiber,

im Zusammenhang mit der beabsichtigten Änderung des Infektionsschutzgesetzes (Übertragung der Zuständigkeit für Corona-Maßnahmen auf den Bund) habe ich folgende Fragen:

Wie stehen Sie zu dem Folgenden:

1. „Ab einer Inzidenz von 100 nächtliche Ausgangssperren zu verhängen, obwohl von Gerichten deren Wirksamkeit angezweifelt wurde, ist eine Nichtachtung der Justiz."
2. "Nur auf die Inzidenz abzustellen ist bei derartig drastischen Maßnahmen willkürlich, weil die reine Inzidenz davon abhängt wie viel getestet wird. Dies ist manipulierbar."
3. "Die angestrebten Maßnahmen sind in dieser Umsetzung nicht der Brücken-Lockdown von zwei oder drei Wochen, der diskutiert wird, sondern ein nicht mehr einzufangender Dauer-Lockdown“.
4.Teilen Sie die Auffassung, dass das föderale Prinzip ein essentieller Bestandteil des Grundgesetzes ist?
Sind Sie gleichwohl der Auffassung, dass ein solcher Verfassungsgrundsatz - partiell - durch einfaches Bundesgesetz geändert werden kann?

Mit freundlichen Grüßen
G. W.

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Weise,

haben Sie Dank für Ihre Mail mit Ihren Fragen zur geplanten erneuten Änderung des Infektionsschutzgesetzes.

Auch wenn die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf dem Antrag von uns nachkommt, bundeseinheitliche Maßnahmen per Gesetz durch den Bundestag statt durch Verordnungen der Landesregierungen festzulegen (https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/258/1925882.pdf), werden wir den Gesetzentwurf ablehnen, sofern er sich nicht noch einmal gravierend ändern sollte. Ausschlaggebend sind vor allem die folgenden Punkte:

1. Der gesamte Bereich des Arbeitsschutzes (Verpflichtung des Arbeitgebers zu kostenlosen Test und zur Absicherung von Abstands- und Hygienemaßnahmen, Homeoffice, Pflicht von Testungen) bleibt in dem Gesetzentwurf völlig ausgespart. Die Last zur Bewältigung der Pandemie darf nicht nur allein dem privaten Bereich und den Schulen auferlegt werden. Es gibt keinen Grund, in den Schulen eine Testpflicht einzuführen, aber die Arbeitswelt auszusparen.

2. Die Bundesregierung erhält eine weitreichende Verordnungsermächtigung auch zur Einschränkung von Grundrechten, die durch die Zustimmungspflicht des Bundesrates nur unzureichend demokratisch legitimiert ist. Hierzu wäre die Zustimmung des Bundestags notwendig.

3. Unter den vorgesehenen Maßnahmen findet sich auch eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr. Eine so grundlegende Grundrechtseinschränkung ist abzulehnen, zumal die epidemiologische Wirksamkeit von nächtlichen Ausgangssperren nicht nachgewiesen ist und bis auf wenige Ausnahmen eine solche Ausgangssperre im konkreten Fall unverhältnismäßig wäre.

4. Ausgerechnet für den sensiblen Bereich der Schulen sieht der Gesetzentwurf eine Inzidenz von 200 als Schwellenwert für weitere Maßnahmen vor, während für alle weiteren Bereiche eine Inzidenz von 100 vorgesehen ist. Impfstoffe für die meisten Kinder im Schulalter sind noch nicht einmal zugelassen.

5. Der Gesetzentwurf sieht keinerlei Maßnahmen zur Erhöhung der Produktionskapazitäten von Impfstoffen und Schnelltests vor, etwa durch die Freigabe der Lizenzen und des entsprechenden technologischen Know-Hows. Das zentrale Versagen der Bundesregierung besteht also weiter fort. Eine Pandemie kann aber nicht im nationalen Rahmen erfolgreich besiegt werden, weil das Virus in Form von resistenten Mutationen zurückkehren kann, wenn es nicht überall besiegt wird."

Mit freundlichen Grüßen

Eva-Maria Schreiber

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau W.,

haben Sie Dank für Ihre Frage und entschuldigen Sie bitte meine späte Antwort. Da sich die Situation seitdem geändert hat, sind nicht alle Positionierungen meiner Fraktion hierzu noch aktuell.

1. DIE LINKE lehnt flächendeckende Ausgangssperren ab. Sie sind unverhältnismäßige Einschränkungen elementarer Grundrechte. Sie treffen Menschen mit zu kleinen Wohnungen, Obdachlose und eh schon an den Rand gedrängte Menschen besonders.

2. Niedrig-Inzidenz-Strategie statt Lockdown-Jojo: Die 7-Tage-Inzidenz auf 100 Fälle pro 100.000 Einwohner zu drücken, war aus Sicht der Linken im Frühjahr kein angemessenes Ziel, denn die Gesundheitsämter waren auch bei diesem Wert noch viel zu stark belastet. Mittlerweile aber ist die Impfquote derart hoch, dass die Inzidenzrate die Schwere des Infektionsgeschehen nicht mehr ausreichen abdeckt. Daher ist die Hospitalisierungsrate ein hilfreiches neues Mittel, um das tatsächliche Infektionsgeschehen, insbesondere die schweren Erkrankungen und die Auslastung der Intensivbetten, abzubilden.

3. Die Bundesregierung sprach von einer »Notbremse« und einem »Brücken-Lockdown«, doch das sind Lippenbekenntnisse. Eine Notbremse ist per Definition eine »technische Vorrichtung zur Auslösung einer sofortigen Bremsung, um Gefahr abzuwenden«. Erst bei einer Inzidenz von 100 oder 200 zu bremsen, ist unverantwortlich. Die Bundesregierung hat damit auch eine höhere Zahl an Toten riskiert. Das ist gesundheitspolitisch eine Sackgasse und gesellschaftspolitisch ein Skandal.

4. Für die Linke ist das föderale Prinzip ein essentieller Bestandteil des Grundgesetzes. DIE LINKE teilt die Einwände von Verfassungsrechtlern, die die Haushaltsautonomie der Länder und damit ihre Eigenstaatlichkeit bedroht sehen. DIE LINKE will den deutschen Föderalismus reformieren und hat dazu verschiedene Vorschläge gemacht. U.a. fordert sie eine Reform der Bildungsfinanzierung, indem eine neue Gemeinschaftsaufgabe Bildung (Artikel 91b Grundgesetz) eingeführt und das Kooperationsverbot (Artikel 104b Grundgesetz) aufgehoben wird.

Mit freundlichen Grüßen

Eva-Maria Schreiber