Sehr geehrter Herr De Masi, was halten Sie von der Modern Monetary Theory?

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Fabio De Masi
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Frage von Baran P. •

Sehr geehrter Herr De Masi, was halten Sie von der Modern Monetary Theory?

Falls Sie diese befürworten: Wie lassen sich dann Steuererhöhungen legitimieren, die dann ja nicht mehr notwendig wären, um den Staatshaushalt zu finanzieren.

Entschuldigen Sie bitte, falls meine Schlussfolgerung fehlerhaft ist. Ich beginne erst so langsam damit, mich in die VWL einzuarbeiten.

Mit freundlichen Grüßen,
Baran Polat

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Sehr geehrter Herr Polat,

herzlichen Dank für Ihre Zuschrift. Die Modern Monetary Theory (MMT) erklärt (nach meiner Auffassung zutreffend) den Prozess der Geldschöpfung von Banken und Zentralbanken. Allerdings sind viele dieser Einsichten gar nicht so neu oder modern.

Daraus leiten sich auch nicht automatisch bestimmte politische Schlussfolgerungen ab und es kommt sehr auf die jeweilige wirtschaftspolitische Situation an.

Vereinfacht gesprochen ergibt sich aus der MMT, dass große Währungsräume bei hinreichender Flexibilität des Wechselkurses, in Phasen schwacher wirtschaftlicher Dynamik/hoher Arbeitslosigkeit, die Staatsausgaben relativ unbedenklich erhöhen können. Denn ein Land mit souveräner Währung  kann in eigener Währung nie pleite gehen, da die Zentralbank die Währung per Knopfdruck schafft.

Es gäbe keine absolute Verschuldungsgrenze. Dies bedeutet aber nicht, dass eine unbegrenzte Ausweitung von Staatsausgaben oder Erhöhung der Staatsverschuldung sinnvoll oder wünschenswert wäre. Denn wenn die Wirtschaft ausgelastet ist und überhitzt, würde dies zur Inflation führen. 

Diese Beobachtung ist m.E. zutreffend. So weist z.B. Japan seit vielen Jahren eine sehr hohe öffentliche Schuldenquote auf, hat aber keine Probleme auf den Finanzmärkten. Denn Japan ist überwiegend im Inland bei den privaten Haushalten verschuldet und die Zentralbank garantiert die Staatsausgaben.

Anders verhielt es sich mit Griechenland während der Eurokrise. Denn Griechenland wies zusätzlich eine sehr hohe private Verschuldung und auch Auslandsverschuldung auf. Zu Beginn der Eurokrise war aber unklar, ob die EZB griechische Staatsanleihen garantieren würde. 

Als die EZB öffentlich kommunizierte, dass sie notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Euro-Staaten kaufen würde (was die EZB nichts kostet, da sie ja selbst den Euro schafft) beruhigte sich die Eurokrise - ganz ohne dass die EZB Anleihen kaufen musste. Denn kein Hedgefonds der Welt kann so viele Euro verkaufen und gegen den Euro wetten, wie die EZB per Knopfdruck schaffen kann. 

Anders verhält es sich aber, wenn man in ausländischer Währung (z.B. Dollar) verschuldet oder ein Entwicklungsland ist und auf Importe aus dem Ausland angewiesen ist (z.B. weil man nicht über bestimmte Technologien für relevante Güter verfügt). Dann kann die Ausweitung der Geldmenge bzw. der Staatsausgaben zu einer zu starken Abwertung der heimischen Währung und Devisenknappheit führen, weil man die Importe z.B. in Dollar bezahlen muss und dies immer teurer wird. Dies kann auch Inflation begünstigen und das Vertrauen in den Währungsanker zerstören.

Den Zusammenhang auf den Sie abstellen, ist die Feststellung der MMT, dass man Steuern nur erheben kann, wenn bereits vorher Geld im Umlauf ist, das von der Zentralbank geschaffen wurde. Insofern „finanziere“ sich ein Staat auch nicht über Steuern (mit denen private Kaufkraft abgeschöpft bzw. umverteilt wird). Dies ist aber kein Argument gegen Steuern, da z.B. Steuern auf sehr hohe Vermögen kaum die Kaufkraft schwächen, aber die Ungleichheit verringern und eine unbegrenzte Finanzierung von Staatsausgaben über die Zentralbank oder Verschuldung weder nötig noch sinnvoll ist. Denn wozu sollte ein Staat die Verschuldung, z.B. für laufende Ausgaben, erhöhen (bei Investitionen ist das etwas Anderes), wenn er dies auch über Steuern tun kann, welche die wirtschaftliche Dynamik kaum belasten?

Zudem stehen hinter Steuern ja auch demokratische Entscheidungen darüber, wer stärker und schwächer belastet wird und wie evtl. Ungleichheit bei den Einkommen und Vermögen korrigiert wird. Dies ist nicht die Aufgabe von Zentralbanken sondern von gewählten Parlamenten.

Hier können Sie die Argumente noch einmal genauer nachlesen: 

https://www.zeitschrift-luxemburg.de/schocktherapie-gegen-schuldenangst/

Beste Grüße
 

Fabio De Masi, MdB

 

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