Frage an Farid Müller bezüglich Soziale Sicherung

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Farid Müller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sebastian S. •

Frage an Farid Müller von Sebastian S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre schnelle Antwort.
Ich finde es sehr sympathisch, dass die Grünen Gegensätze in Einklang bringen möchten und kann mich damit sehr gut identifizieren.

Ich möchte lediglich ein paar kleine Anmerkungen machen:

Drogenkonsum:
Es wird in meiner Wohngegend auf der Straße vornehmlich Crack geraucht. Spritzen findet man i.d.R. nie, also würde ich der Drogenpolitik in Bezug auf Heroin ein Lob aussprechen.
Was würden Sie in Punkto Crackjunkies für einen Lösungsweg vorschlagen?

Ich stimme Ihnen zu, dass definitiv mehr Fixerstuben gebraucht werden um die Szene zu entzerren/zu verteilen.

Gentrifizierung:

Hierzu möchte ich Ihnen diesen Artikel nahe legen, bevor Sie auf meine Frage antworten, denn ich vermute, dass dort ein Mißverständnis vorliegt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gentrifizierung

Meine Frage lautete:
Man erwartet in Zukunft eine vermehrte Gentrifizierung des Stadtteils, wie kann diese mit der bisher dort lebenden Bevölkerung vereinbart werden?

Danke für Ihre Mühe, ich erwarte gespannt Ihre Antworten.

Mfg, Sebastian Stein

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Stein,

Danke für die schnelle Nachfrage : -). Mich erschüttert die Mitteilung, dass in Ihrer Straße vornehmlich Crack geraucht wird. Vielleicht macht es Sinn, dass wir uns direkt austauschen (BueroFarid.Mueller@gal-fraktion.de), damit Sie mir die ganze Situation schildern können.

Crack gehört ja zu den wirklich ganz üblen Drogen - es hat das höchste Abhängigkeitspotenzial aller Drogen, ist stark psychogen und hat enorme Gesundheitsrisiken. Deswegen muss der Handel mit Crack energisch bekämpft werden. Für Süchtige hingegen brauchen wir mehr Betreuung und medizinische Angebote. Ich weiß, dass das nicht populär ist und Geld kostet, aber es ist immer noch besser, den Drogenkonsum im kontrollierten als im unkontrollierten Bereich zu haben. Meines Wissens gibt es bis heute keinen Stoff, der den Crack-Konsum ersetzen könnte - so wie das bei Heroin und Methadon der Fall ist. Zu klären bliebe, inwieweit hier Forschungsprogramm laufen und ob diese stärker gefördert werden können.

Kurz & bündig: Mehr Straßensozialarbeit, mehr direkte Ansprache von Konsumentinnen und Konsumenten, gezielte Bekämpfung von Großhändlern, Verlagerung des Konsums von der Straße in kontrollierte Bereiche, ggf. mehr Forschung nach Ersatzstoffen, verbesserte Präventionsanstrengungen.

Gentrifizierung:
Wikipedia definiert den Begriff im Sinne eines sozialen Umstrukturierungsprozesses eines Stadtteils - und darauf passte meine Antwort zu unserem Seniorenleitbild wirklich nicht.

Mit den Umstrukturierungsprozessen in St. Georg, St. Pauli, aber auch in anderen Stadtteilen beschäftigen wir Grüne uns intensiv. Es gibt ja zwei grundsätzlich verschiedene Lösungsansätze: Man begrüßt, wie die CDU, die Umstrukturierung als "Aufwertung" und fördert diese, indem man etwa die Koppel als bessere Wohnlage ausweist und auch von SAGA/GWG die jeweils zulässigen Höchstmieten kassieren lässt. Diesen Weg halte ich für falsch.

Der andere Lösungsansatz ist, eine Win-Win-Situation zu schaffen. Wir haben in St. Georg mittlerweile genügend attraktiven und teuren Wohnraum. Deshalb sollten wir mit einer sozialen Erhaltensverordnung die Mietstruktur erhalten, mit einer Umwandlungsverordnung die Umwandlung von Mietwohnungen in teure Eigentumswohnungen stoppen und mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen. Außerdem muss die SAGA/GWG, die ja zu 100 % der Stadt gehört, ihre Mietforderungen nicht am wirtschaftlichen Maximum, sondern am sozial vertretbaren Schnitt orientieren.

Eine soziale Erhaltensverordnung war ja vom Rot-Grünen Senat 2001 für St. Georg bereits vorbereitet, wurde dann aber vom CDU/Schill/FDP-Senat nicht verabschiedet. Die Folgen mussten wir in St. Georg in den letzten sieben Jahren ertragen. In der Neustadt, wo eine solche Verordnung in Kraft ist, sind die Folgen der Gentrifizierung bei weitem nicht so stark.

Zusammengefasst lautet meine Antwort: Die zunehmende (und bereits stattfindende) Gentrifizierung in den Szenestadtteilen muss durch ein Maßnahmepaket zur Sicherung bezahlbaren Wohnraums aus Erhaltens- und Umwandlungsverordnungen, und sozialer Wohnungspolitik begleitet werden, um die soziale Vielfalt zu fördern und jegliche Verdrängung zu verhindern.

Das alles können Sie auch auf meiner Website www.farid-mueller.de / Müllers Wahlkreis / St. Georg nachlesen.

Herzliche Grüße
Farid Müller

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