Frage an Frank Heinrich bezüglich Soziale Sicherung

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Frank Heinrich
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Frage an Frank Heinrich von Frank N. bezüglich Soziale Sicherung

Korrektur
Werter Herr Frank Heinrich!

Am 14.02.2011 hat mir vor allem Ihr Schlusswort auf MDR in der Talkshow "Fakt ist" nicht gefallen, vor allem, weil diese Worte faslch sind. Sie sprachen davon dass bei der Höhe der Regelsätze nichts mehr zu ändern ist weil sie so berechnet wurden.
Es gibt ein Sprichwort eines bekannten Mathematikers, "ich glaube nur den Statsiken, welche ich selbst gefälscht habe". So ist es auch mit der Höhe der Regelsätze. Bevor die Regelsätze berechnet wurden, war schon vorauszusehen, dass sie geringer ausfallen werden, als von vielen Verbänden erhofft. Es wurden ja die Berechnungsgrundlagen um 5% der unteren Einkommen gesenkt. Genau dieses ist der Knackpunkt.
Meine Fragen an Sie:
1. Warum wurden nicht wie in der Vergangenheit die Unteren 20% zur Berechnung herangezogen?
2. Das Bunbdesverfassungsgericht, eigentlich ist dieser Begriff falsch, es gibt keine Verfassung in Deutschland, hat in dem Urteil auch festgeschrieben, dass der Regelsatz auch für kulterelle Veranstaltungen reichen muss. Dieses war und ist nicht möglich, an Veranstaltungen teilzunehmen
3. Warum wurden die Berechnungen so lange hinausgezogen und nicht sofort nach dem Urteil einige Dinge geregelt? Zum Beispiel hätte berieits im Vorfeld festgelegt werden können. Die Berechnungsgrundlagen, bei den Bildungspaket der gesamte Ablauf, wer macht was und wer bezahlt was?
Die jetzigen Regelsätze sind ein ein Schlag in die Gesichter der Ärmsten.

Viele Grüße aus Dresden

Frank Neumann

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CDU

Sehr geehrter Herr Neumann,

herzlichen Dank für Ihre Fragen, die ich wie folgt beantworten möchte:

1. Ihre Frage nach den unteren 20 Prozent ist berechtigt - und nicht in zwei Sätzen zu beantworten. Ich persönlich liebe Mathematik. Ich weiß nicht wie es Ihnen damit geht, aber ich möchte Ihnen gern folgende ausführliche Stellungnahme des BMAS als Erklärung zur Verfügung stellen, vielleicht hilft Ihnen dies weiter. Mir hat sie geholfen und ich könnte es nicht besser erklären:

"Die Ermittlung von Regelbedarfen dient der Bestimmung der Leistungshöhe für die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums. Dazu wird eine geeignete Datenbasis benötigt, die die Bedarfsermittlung mit diesem Anspruch möglichst treffsicher zulässt. Der Gesetzgeber hat sich für die in der Einkommens- und Verbrauchsstichrobe erhobenen privaten Verbrauchsausgaben von Haushalten mit niedrigem Einkommen entschieden. Da es hierzu keinen Musterhaushalt mit typischer Konsumstruktur gibt, muss diese Konsumstruktur als Durchschnitt einer Gruppe von Haushalten gewonnen werden (Referenzgruppe). Entscheidend ist dabei, dass es keinen dauerhaft nach objektiven Kriterien festlegbaren und damit auch keinen allgemeingültigen Maßstab für die Wahl der Referenzgruppe als Datenbasis für die Regelbedarfsermittlung gibt. [...]

Das Bundesverfassungsgericht fordert nicht grundsätzlich einen Umfang der Referenzgruppe selbst von 20 Prozent, sondern dass vom Gesetzgeber - innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums - eine hinreichend große und sachgerechte Referenzgruppe genutzt wird und nicht etwa nur die Haushalte mit den allerniedrigsten Einkommen berücksichtigt werden. Dies sei bei den unteren 20 Prozent der nach dem Netto-Haushaltseinkommen gereihten Haushalten der Fall.

Daher wurden auch bei der Neuberechnung wiederum mehr als 20 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten Einkommen in den Blick genommen. Bei den Haushalten von Paaren mit Kind beträgt die Referenzgruppe exakt 20 Prozent bezogen auf die Gesamtheit der nach der Herausrechnung von Haushalten mit ausschließlichem Bezug von SGB II- oder SGB XII-Leistungen verbleibenden Haushalte. Bei den Einpersonenhaushalten wurde dagegen die Referenzgruppe selbst auf 15 Prozent der nach Herausnahme der ausschließlichen SGB II- und SGB XII-Bezieher verbleibenden Haushalte bestimmt, weil die Zahl der vorab herausgerechneten Haushalte mit 8,6 Prozent aller Haushalte sehr hoch war. Durch ein solches Vorgehen sinken die so ermittelten Konsumausgaben aber nicht. Ganz im Gegenteil gilt vielmehr: Je mehr Haushalte im unteren Bereich des unteren Quintils aller Haushalte vorab herausgerechnet werden, desto höher ist letztlich der durchschnittliche Konsum der in der Referenzgruppe verbleibenden Haushalte, der die alleinige Basis der Regelbedarfsberechnung bildet. So ist z.B. der Durchschnittskonsum einer Referenzgruppe, die vom sechsten bis zwanzigsten Prozentpunkt aller Haushalte reicht und einen Umfang von 15 Prozent hat niedriger als der Durchschnittskonsum einer Referenzgruppe die vom elften bis zwanzigsten Prozent reicht und "nur" 10 Prozent aller Haushalte umfasst. Zudem ist die jetzt gewählte Referenzgruppe der Einpersonenhaushalte mit 1.678 Haushalten in der Stichprobe für statistische Zwecke mehr als ausreichend.

Eine Referenzgruppenbildung, wie von den Kritikern vorgeschlagen, die unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen einen starren Referenzgruppenanteil von 20 Prozent vorgibt, würde dazu führen, dass nicht nur Haushalte aus dem niedrigen sondern auch aus dem mittleren Einkommensbereich die Referenzgruppe bilden. Dies wäre jedoch mit der auch vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigten Entscheidung, für die Ermittlung des Existenzminimums den Niedrigeinkommensbereich heranzuziehen, nicht vereinbar.

In der Begründung des § 4 RBEG wird zur 15-Prozent-Referenzgruppe für Einpersonenhaushalte ausgeführt (Seite 147), dass die Obergrenze dieser Referenzgruppe bei 22,3 Prozent der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte und damit deutlich höher als 2003 (20,4 Prozent) liegt und dass die alleine für die Regelbedarfsberechnung maßgeblichen Konsumausgaben der jetzigen - formal kleineren - Referenzgruppe mit 843,27 Euro deutlich höher liegen als auf Basis der EVS 2003 (774,89 Euro)."

2. Bislang enthielt der Regelsatz von 359 Euro einen Anteil für Freizeit und Kultur von 11 Prozent, d.h. monatlich 39,49 Euro. Wie Sie wissen, erhöht sich rückwirkend zum 1. Januar 2011 der Regelsatz zunächst um 5 Euro auf 364 Euro und ab 1. Januar 2012 um weitere 3 Euro auf insgesamt 367 Euro. Auch von diesem neuen Satz werden knapp 40 Euro monatlich dem Bereich "Freizeit, Unterhaltung, Kultur" zugeschrieben.

3. Aus meiner Wahrnehmung kann ich nicht bestätigen, dass die Berechnungen lange hinausgezogen worden wären. Der Zeitplan zur Erhebung der Einkommen- und Verbraucherstichprobe zur Ermittlung der Regelsätze wurde wie vorgesehen umgesetzt. Für diese Aufgabe brauchte es einfach etwas Zeit. Vielleicht kennen Sie das Ergebnis, das knapp 1.000 Seiten umfasst. Ansonsten sende ich es Ihnen gern zu. Auch sehe ich nicht, wie ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vorweg genommen und bereits "in vorauseilendem Gehorsam" gehandelt werden kann. Hier empfinde ich Ihre Erwartungen als sehr hoch. Das Bildungs- und Teilhabepaket, das wir jetzt haben, hat es so noch nie gegeben. Dass es dafür einen Prozess braucht, um zu klären, wer genau was bezahlt und umsetzt, halte ich schlichtweg für normal.

Nochmals vielen Dank für Ihre Kontaktaufnahme. Für Nachfragen oder auch ein persönliches Gespräch stehe ich gern zur Verfügung.

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Mit freundlichen Grüßen

Frank Heinrich