Frage an Frank Heinrich von Tom V. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Wie stehen Sie als Mitglied des Ausschuss für Menschenrechte und Mitglied einer christlichen Partei dazu, dass in Saudi Arabien kurz nach Ostern neben Massenhinrichtungen auch Kreuzigungen (!) durchgeführt werden?
Wie kann es sein, dass die Bundesrepublik Deutschland diplomatische Beziehungen zu einem solchen Land unterhält und sich nicht international für Sanktionen und Ächtung einsetzt? Die Welt hat einmal die Apartheid in Südafrika beenden können, weil sie sich einig war, solches Unrecht nicht zu tolerieren. Warum setzt sich die Bundesregierung und der Bundestag nicht für ein ähnliches Vorgehen gegen ein mindestens vergleichbar unmenschliches Regime ein?
Quelle, z.B.: https://www.heise.de/tp/features/Massenexekution-in-Saudi-Arabien-Trump-schweigt-4406954.html
Sehr geehrter Herr V.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Todesstrafe ist für mich in jedem Fall ein inakzeptables Mittel zur Verurteilung von Straftaten. Auch wenn die saudische Regierung versucht, ihr Vorgehen zu rechtfertigen und die Hingerichteten als "terroristische Bedrohung" einstuft, sind diese Exekutionen meiner Ansicht nach eine massive Verletzung der Menschenrechte, für die es schlichtweg keine Rechtfertigung gibt. Die Bundesregierung sieht dies übrigens ebenso.
Tatsächlich ist es so, dass wir als Fraktion, aber auch die Bundesregierung, Saudi-Arabien immer wieder öffentlich dazu auffordern, keine weiteren Hinrichtungen durchzuführen. Als eine wichtige Konsequenz hat die Bundesregierung unter anderem nach dem gewaltsamen Tod des regimekritischen Journalisten Jamal Kashoggi die Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien gestoppt und beschlossen, keine neuen Genehmigungen zu erteilen. Erst vor wenigen Wochen haben wir den Lieferstopp mittels eines Kompromisses neu geregelt: Bis Ende September werden weiterhin keine rein deutschen Rüstungsgüter in das Königreich geliefert. Für europäische Gemeinschaftsprojekte gelten dabei gesonderte Regelungen, da die Bundesrepublik in letzter Zeit hier vonseiten Frankreich und Großbritannien unter starker Kritik stand.
Bei all den menschenrechtlichen Problemen müssen wir aber auch die berechtigten Interessen von deutschen Unternehmen in Betracht ziehen, denen wir sonst ihre ureigene Aufgabe - nämlich mit ihren Kompetenzen Geld zu verdienen - untersagen würden. Ich selber sehe da sogar noch unsere Haltung zu anderen Staaten vergleichbar, in denen wir die Todesstrafe ebenfalls missbilligen, aber kaum jemand einen Boykott fordert, wie zum Beispiel die Vereinigten Staaten von Amerika. Saudi-Arabien ist ein wichtiger Handelspartner für Deutschland, ebenso exportieren deutsche Unternehmen zahlreiche Produkte nach Saudi-Arabien. Wenn wir die Handelsbeziehungen abbrechen, sind diese zunichte - und das hätte verheerende Folgen auf unsere politischen Einflussmöglichkeiten.
Im Kampf gegen die Dschihadisten-Miliz "Islamischer Staat" ist das Königreich ebenfalls ein wichtiger Verbündeter. Das ist ein weiteres Dilemma, aber eben leider auch politische Realität. Deutschland hat deshalb meiner Ansicht nach die Aufgabe, hier deeskalierend zu wirken. Ein Abbruch der politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen Beziehungen ist demnach der falsche Weg. Stattdessen sollten wir miteinander sprechen und weiter in Kontakt bleiben, um alle Einflussmöglichkeiten - auch und insbesondere in Menschenrechtsfragen - zu nutzen.
Mir fällt dieses Vorgehen nicht leicht, da ich am liebsten eher Gestern als Heute konkret etwas gegen die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien tun würde. Der langfristige und umsichtige Weg erscheint mir in dieser Situation allerdings der einflussreichere und gewinnbringendere zu sein. Es würde mich sehr freuen, wenn wir diese Problematik ebenso friedlich lösen könnten wie der Wandel in Südafrika stattfand. Der Unterschied hier ist allerdings: Der Wunsch, die Apartheid zu beenden, kam aus dem Inneren der Gesellschaft. Jahrzehntelang kämpfte die Bevölkerung für die Gleichstellung der Menschen. In Saudi-Arabien scheint diese Entwicklung noch nicht so weit zu sein, auch wenn es vereinzelt Widerstand gibt. Bisher - so scheint es meiner Wahrnehmung nach zumindest zu sein - ist der Druck aus der Gesellschaft heraus nicht groß genug, auch weil weitere Menschenrechte nicht anerkannt oder zugestanden werden, sodass sich die Regierung nicht zu einem Umdenken und zu z. B. demokratisch legitimierten Rechtsverfahren gezwungen sieht. Die internationale Gemeinschaft kann hier schon an einigen Stellschrauben drehen und versuchen, Einfluss zu nehmen. Allein kann sie das aber nicht leisten, deshalb bemühen wir uns um einen möglichst engen Draht zur Zivilgesellschaft.
Seien Sie versichert: Unabhängig von den manchmal nur leisen öffentlichen Maßnahmen oder Verlautbarungen leiden besonders wir Menschenrechtler mit unseren „Kollegen vor Ort“ und arbeiten hinter den Kulissen, um ihre Lage bestmöglich zu verändern.
Ich hoffe, meine Erläuterungen helfen Ihnen ein wenig. Bei weiterführenden Fragen können Sie mich unter frank.heinrich.wk@bundestag.de erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Heinrich