Frage an Gesine Meißner bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Gesine Meißner
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Frage von Gabriel Z. •

Frage an Gesine Meißner von Gabriel Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Meißner,

in den kommenden Tagen steht im EU-Parlament die Abstimmung bzgl. ACTA an.

Meiner Meinung nach enthält dieses Gesetz eine Reihe von sehr schwammigen Formulierungen, die einzelnen, privaten Industriezweigen eine sehr weitreichende Kontrolle über das Internet generell erlauben könnte. Somit stellt ACTA meiner Meinung nach einen (potentiellen) gefährlichen, tiefen Eingriff in Bürgerrechte dar.

Wie ist Ihr Standpunkt bzgl. ACTA?

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr G. Zachmann.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Zachmann,

wie Sie den Medien sicher entnommen haben, wurde ACTA vom Plenum des Europaparlaments vergangene Woche abgelehnt. Da zur Zeit noch der EuGH die Rechtmäßigkeit des Vertragstextes prüft, hatte die konservative Fraktion - unterstützt auch von einem Teil der Liberalen, insbesondere den meisten FDP-Vertretern - eine Verschiebung der Abstimmung beantragt. Nachdem die Mehrheit der Abgeordneten die Verschiebung abgelehnt hatte, lehnte das Europaparlament auch das ACTA-Abkommen mit großer Mehrheit ab (39 Ja, 478 Nein, 165 Enthaltungen). Damit ist dieses internationale Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums erst einmal vom Tisch. Dennoch ist es wichtig hervorzuheben, dass ACTA nicht am Versuch gescheitert ist, gegen Verletzungen geistigen Eigentums effektiver vorzugehen, sondern daran, dass die Sorgen der Menschen über die Einschränkung der Freiheit im Internet zu wenig ernst genommen wurden. Kritisiert wurde außerdem, dass das ursprüngliche Ziel des Abkommens der Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie war, aber China und Indien - die Staaten, in denen 90 % dieser Fälle passieren - gar nicht Vertragspartner waren, da sie sich verweigert haben.

Es besteht aber nach wie vor der Bedarf, dass wir unsere Rechtslage der neuen Internetwirklichkeit anpassen. ACTA mag zwar erledigt sein, aber wirksamen Schutz gegen Produkt- und Markenpiraterie haben wir noch nicht. Wir Liberale werden hierfür Vorschläge machen. Mangelnde Transparenz und Kommunikation führt jedoch zu Ängsten und Zweifeln, die jede fundierte Argumentation ins Leere laufen lassen. Bereits im Februar 2010 haben wir Liberale davor gewarnt, dass ACTA insbesondere wegen der intransparenten und bürgerfernen Art des Zustandekommens abgelehnt werden könnte. Dies ist nun geschehen, obwohl die EU-Kommission auf Druck des Parlaments und der Öffentlichkeit bereits entscheidende Nachbesserungen erwirkt und die größten Kritikpunkte der Liberalen herausgenommen hatte. Das waren die Einführung verpflichtender Internetzugangssperren ("three strikes Modell"), Dritthaftung für Internetserviceprovider, sowie die Möglichkeit der Überprüfung der Inhalte von Laptops bei internationalen Reisen. Nun muss, nach der erneuten Ablehnung eines internationalen Vertrages durch das Europäische Parlament, die EU-Kommission endlich nachhaltige Konsequenzen ziehen. Internationale Abkommen dürfen zukünftig nicht über die Köpfe der Bürger hinweg und ohne volle Parlamentsbeteiligung entschieden werden. Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat das Europäische Parlament nur aber immerhin das Recht, internationale Abkommen, die durch die EU-Kommission verhandelt werden, anzunehmen oder abzulehnen. Die Europäischen Verträge müssten in diesem Punkt noch deutlich nachgebessert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Gesine Meißner