Frage an Gregor Gysi bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

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Gregor Gysi
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Frage von Manfred A. •

Frage an Gregor Gysi von Manfred A. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Gysi

Schulpflicht bedeutet das Primat der staatlichen Bildungsinstitution. Bildungspflicht bedeutet eine völlige Umkehrung der Verantwortung und Trägerschaft.

Der Staat gibt den Allgemeinbildungskanon vor. Wie die Bildungsinstitutionen diesen Allgemeinbildungskanon bei ihren Absolventen erreicht, ist vollständig ihnen überlassen. Das ermöglicht Vielfalt in der Einheit und Einheit in der Vielfalt.

Die Bildungsinstitutionen haben nach Prüfung ihres Bildungskonzeptes die vollständige Freiheit, es umzusetzen.

Träger der Bildungsinstitutionen können Privatpersonen, Zusammenschlüsse von Privatpersonen (Eltern, Lehrer) private Institutionen oder auch Unternehmen sein. Nur dann, wenn sich in einem Gebiet keine private Trägerschaft für eine Bildungsinstitution findet, soll der Staat, aber zeitlich befristet, der Träger der Bildungsinstitution sein. Ziel der staatlichen Trägerschaft ist der Aufbau einer privaten Trägerschaft für die Bildungsinstitution.

Die Bildungsinstitutionen sind hinsichtlich ihrer Ausgaben und ihres Personals unabhängige Institutionen. Die Personalunabhängigkeit bedeutet, daß die übliche Gängelung der Lehrer durch das Schulamt ebenso wie dieses vollständig entfällt, die Bildungsinstitution nicht nur ihre Ausbilder/Lehrer/Personal, sondern auch ihre Schüler frei auswählen und diese Wahl nicht endgültig ist.

Gleiches gilt natürlich für die Eltern und ihre Kinder. Eine Bildungsinstitution wird also nur dann viele Kinder und Jugendliche aus ihrem Umkreis ausbilden können, wenn sie ein anziehendes Bildungskonzept überzeugend umsetzt. Es gibt keine Pflicht für Eltern oder Kinder, eine bestimmte Schule im Umkreis ihrer Wohnortes zu besuchen.

Was spricht Ihrer Meinung nach für die Aufrechterhaltung der Schulpflicht?

Bedenken Sie bei ihrer Antwort, wie vielfältig die deutsche Reformpädagogik nicht nur in Berlin war. Das setzt Handlungsfreiheit der Schulen und ihrer Lehrer voraus.

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Sehr geehrter Herr Albrecht,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 15. Juli. Es gibt inzwischen verschiedene Bildungseinrichtungen. Wenn ich mit Abgängerinnen und Abgängern der Waldorfschule spreche, wird mir erklärt, welche Defizite im Laufe der Jahre eingetreten sind. Auch bei anderen Einrichtungen gibt es Defizite. Manchmal gibt es große Auseinandersetzungen zwischen dem bezahlenden Verein einerseits und den Lehrerinnen und Lehrern andererseits, wie wir es jetzt in Berlin-Treptow-Köpenick erlebt haben. Dann soll plötzlich der Staat eingreifen, obwohl die Mittel begrenzt sind.

Für mich ist wichtig, dass die Kinder unabhängig vom Elternhaus gleiche Chancen auf hohe Bildung erhalten. Deshalb habe ich immer Bedenken, wenn zusätzliche Kosten entstehen, die sich nur einige Eltern leisten können, aber andere nicht. Ferner setzt Chancengleichheit voraus, dass es ein einheitliches staatliches Angebot gibt, das jederzeit verbessert werden kann und muss. Hinzu sollte noch kommen, dass viel zu wenig ausgeprägt ist, Begabtenförderung zu organisieren und die Förderung von Schülerinnen und Schülern, denen das Erlernen des Schulstoffes schwer fällt. Es kann auch Spezialschulen geben, in denen bestimmte Begabungen besonders gefördert werden, z. B. für Sport, Ballett, Musik etc.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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