Frage an Helmut Scholz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Helmut Scholz
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DIE LINKE
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Frage von Eike B. •

Frage an Helmut Scholz von Eike B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Scholz,

vor dem Hintergrund der geplanten EU-weiten Vereinheitlichung der Datenschutzregeln und des offenbar damit einhergehenden, ungewöhnlich intensiven Lobbyismus von seiten der an weniger strikten Regelungen interessierten Firmen und Verbänden (siehe http://gutjahr.biz/2013/02/lobbyplag/) frage ich Sie:

Wie verteidigen Sie mein Grundrecht auf Datenschutz?

Mit freundlichen Grüßen,

Eike Baur

Helmut Scholz
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Baur,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse am Datenschutz!

Ich teile Ihre Bedenken über eine mögliche weitreichende Einflussnahme von Trägern vor allem einseitig wirtschaftlicher Interessen bei der Neugestaltung einheitlicher Datenschutz-Standards. Nicht nur in diesem Bereich versuchen große Unternehmen europäische Gesetzgebung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sehr oft erreichen auch mich zu den verschiedensten Themen Informationen, Anregungen und Anfragen von unterschiedlichen Konzernen und Gruppierungen. Andererseits ist auch die Aufmerksamkeit von Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen oder Fachthemen bearbeitenden Interessengruppen gegenüber der EU-Gesetzgebung - und das Europäische Parlament ist neben dem EU-Rat hier der zweite Ko-Gesetzgeber - erfreulicherweise gestiegen. Insgesamt kann ich feststellen, dass mit den neuen Befugnissen des Europäischen Parlamentes durch den Lissabon-Vertrag diese Seite der aktiven Begleitung der Arbeit zugenommen hat - wie dies wohl auf nationaler Ebene gegenüber dem Bundestag oder den anderen Nationalversammlungen der 27 EU-Mitgliedstaaten bereits seit langem praktiziert wird. Somit hat eben auch der Lobbyismus erheblich zugenommen. Und leider gibt es auch zu einzelnen Themenstellungen - meist da, wo viel Geld im spiel ist - regelrechte Lobby-Kampagnen.

Die Vertretung von verschiedenen Interessen gegenüber der Politik ist grundsätzlich legitim. Für meine Arbeit sind z.B. die Informationen und Anregungen von Gewerkschaften und NGOs sehr hilfreich, um mir ein möglichst breites Bild über einen bestimmten Sachverhalt zu machen. dazu gehört auch das Kennenlernen der genauen sozialen und wirtschaftlichen Situation und die Art und Weise der Produktionsbedingungen, der betilgen Akteure, spezifische territoriale und geographische wie geopolitische Gesichtspunkte Aber, und das ist gerade das Kritische daran, haben solche Stimmen beim Zugang zum politischen Entscheidungsprozess gegenüber finanzstarken Unternehmensverbänden in der Regel das Nachsehen. Dies zeigt sich auch bei den von den LobbyPlag aufgedeckten Fällen. Ja, die wortwörtliche oder auch unkritische, andere Gesichtspunkte eines Sachverhalts zum gleichen Problemkreis außer acht lassende Übernahme von Vorschlägen, die das eigentliche gesetzgeberische Ziel umgehen um Profitinteressen großer Konzerne durchzusetzen, stellt die souveräne und demokratische Gesetzgebung in Frage.

Problematisch ist vor allem fehlende Transparenz beim Einfluss wirtschaftlicher Interessen auf die europäische Politik. Daher begrüße ich ausdrücklich die Etablierung von LobbyPlag aber auch Initiativen wie Lobby Control oder Corporate Europe Observatory. Die Linke im Europäischen Parlament fordert klare Regeln beim institutionellen Zugang von Lobbyist_innen zu den Brüsseler Institutionen und eine Karenzphase für ausgeschiedene Amts- und Mandatsträger_innen. Wir setzen nicht auf den Kontakt zu Konzernen, sondern zu zivilgesellschaftlichen Gruppen wie Gewerkschaften, Umweltverbänden, Bürgerinitiativen und anderen NGOs. Das EP hat hier bereits auch in seinen Geschäftsordnungsregeln und internen Ordnungen einiges deutlich klarer geregelt um gerade solche intransaprente Verfahren zurückzudrängen. Und es wird daran weiter gearbeitet.

In Bezug auf die vorgeschlagene Datenschutzverordnung (2012/0011(COD)) unterstützt DIE LINKE das Anliegen eines gleichen Datenschutzes für alle in der EU. Damit können z.B. Firmen, die Daten von EU-Bürger_innen verarbeiten, nicht mehr das Land mit den niedrigsten Standards auswählen. Zudem soll es künftig keine Datenverarbeitung durch Unternehmen ohne die ausdrückliche Zustimmung der Betroffen mehr geben. Die Rechte der Verbraucher_innen müssen im Mittelpunkt der neuen Verordnung stehen und nicht die Profitinteressen großer Konzerne. Ich begrüße den Berichtsentwurf des Kollegen Jan Philipp Albrecht, der konsequent auf die Verbesserung des Datenschutzes setzt. Meine Fraktion wird in der weiteren Beratung im zuständigen Ausschuss an einigen Stellen noch weitergehendere Änderungen im Sinne strengerer Regeln für die Datenverarbeitung vorschlagen und steht in engem Kontakt zu Datenschutz-Gruppen wie dem European Digital Rights Network EDRI.

Ich hoffe, dass es am Ende des Prozesses gemeinsam gelingt, der Lobby-Kampagne mit einem konsequenten Schritt in Richtung eines effektiven und einheitlichen Datenschutzes in Europa zu trotzen. Ich könnte jedenfalls der Verordnung nur unter dieser Bedingung zustimmen. Allerdings endet diese Anstrengung nicht mit ihrer Verabschiedung, da auch zahlreiche andere Gesetzgebungsverfahren und Abkommen den Datenschutz berühren. Es würde mich daher freuen, wenn Sie die europäische Politik weiterhin kritisch begleiten.

Mit freundlichen Grüßen

Helmut Scholz

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